Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Russische Luftangriffe auf die Ukraine: Charkiw unter Beschuss
> Die ostukrainische Großstadt steht unter Dauerbeschuss. Die Menschen
> beginnen, Charkiw zu verlassen.
Bild: Ein ukrainischer Soldat räumt am Dienstag Kampfmittel aus einem Wohngebi…
Charkiw taz | Russland setzt seine Serie nächtlicher Luftangriffe auf die
Ukraine fort. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw wurde am späten
Mittwochabend Luftalarm ausgelöst. „Die Besatzer schlagen zu“, schrieb der
Leiter der regionalen Militärverwaltung von Charkiw, Oleh Sinegubow, in dem
Nachrichtendienst Telegram. Dabei scheint es den russischen Angreifern
darum zu gehen, durch wahllose Attacken Angst in der Zivilbevölkerung der
größten Stadt der Ostukraine zu verbreiten und so die Menschen aus dem
Gebiet zu vertreiben.
Die Angriffswelle hatte am 27. Dezember begonnen. An dem Tag feuerte
Russland mehr als 100 Raketen aus Bombern ab, viele davon auf Charkiw.
Moskau bezeichnete den Beschuss als „Vergeltungsmaßnahme“ [1][für die
Versenkung des russischen Kriegsschiffs „Nowotscherkassk“] am 26. Dezember
in der besetzten Krim-Stadt Feodosija.
Die Schläge Russlands richten sich gegen zivile Objekte in der Ukraine.
Allein am 29. Dezember feuerte das russische Militär innerhalb von nur drei
Stunden 22 Raketen auf Charkiw ab, so der Leiter der Charkiwer
Gebietsverwaltung. Dabei wurden 3 Menschen getötet und 13 verletzt. Bei dem
Angriff handelte es sich um den größten Luftangriff seit Kriegsbeginn am
24. Februar 2022. Nie zuvor wurden an einem einzigen Tag so viele Raketen
auf die Stadt geschossen.
Eine Rakete des Typs Ch-22, die als eine der stärksten nichtnuklearen
Raketen gelten, schlug in einem Waldstück ein. Durch den so entstandenen
Krater stürzten Bäume im Umkreis von 50 Metern um und beschädigten zwei
Krankenhäuser – das regionale Onkologiezentrum und das Charkiwer
Stadtkrankenhaus Nummer 28. In der gesamten Gegend gibt es keine einzige
militärische Einrichtung. Andere Raketen schlugen in Charkiwer Unternehmen,
Lagerhäuser und Stromnetze ein.
## Drohnen im Stadtzentrum
„Die Angriffe auf die Stadt waren chaotisch und ziellos. Dabei sollten vor
allem Zivilisten geschädigt werden“, erklärte der Polizeichef des Gebietes
Charkiw, Wolodymyr Timoschko, gegenüber Reportern. Während der
Angriffsserie waren am 30. Dezember auch zwei Iskander-Raketen in das
einzige Fünf-Sterne-Hotel der Stadt, das Kharkiv Palace, eingeschlagen.
Dort waren vor allem ausländische Journalisten und Vertreter
internationaler Organisationen untergebracht. [2][Bei dem Angriff auf das
Hotel wurde ein Mitarbeiter eines Kamerateams des ZDF verletzt.]
Russland dagegen sprach davon, dass im Kharkiv Palace bis zu 200
ausländische Söldner untergebracht gewesen seien. Moskau erklärte, zum
Zeitpunkt des Angriffs habe dort auch ein Treffen ukrainischer Generäle
stattgefunden, die den Beschuss der russischen Stadt Belgorod geplant
hätten. Russland erklärte nicht, warum die Generäle im teuersten Hotel
Charkiws und nicht etwa in ihrem Hauptquartier oder in einem Bunker tagten,
obwohl sie sich in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze befanden.
Weitere Raketen vom Typ S-300 schlugen in einem Fabrikgebäude in einem
Charkiwer Industriegebiet ein. Bei allen beschossenen Objekten handelte es
sich um zivile Ziele.
Kurz darauf feuerte Russland 11 Kamikaze-Drohnen vom Typ Shahed auf
Charkiw. Die ukrainische Flugabwehr konnte einige abfangen. Die anderen
schlugen im historischen Stadtzentrum ein. Sie trafen ein altes Gebäude in
der Sumska-Straße 43, wo sich das erste deutsche Konsulat in Charkiw
befunden hatte, eine wissenschaftliche Einrichtung, wo die genaueste Uhr
der Ukraine aufbewahrt wurde, sowie ein Café auf dem Freiheitsplatz.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte dagegen: Es habe ein Lager
mit Flugzeugraketen zerstört.
Durch die beiden Angriffe am Abend und in der Nacht wurden insgesamt 28
Menschen verletzt, darunter zwei Kinder. Nach abschließenden Erhebungen
wurden bei den russischen Angriffen auf Charkiw zwischen dem 29. und 31.
Dezember 88 Gebäude beschädigt, davon 74 Wohnhäuser.
## Immer mehr Druck auf die Stadtbevölkerung
Der nächste starke russische Raketenangriff traf Charkiw am 2. Januar,
morgens um halb acht. Drei ballistische Iskander-M-Raketen schlugen im
Stadtzentrum in Wohnhäusern ein. Dabei gab es 62 Verletzte, eine Frau wurde
getötet. In 33 Wohnhäusern einer Universität gingen Fensterscheiben zu
Bruch und Feuer brachen aus. An der Unabhängigkeitsstraße kam es zu einer
Gasexplosion, die so stark war, dass ein Stahlbetongebäude eines
konstruktivistischen Architekturdenkmals in der Unabhängigkeitsallee 1
einstürzte.
Weitere S-300-Raketen auf Charkiw schlugen 2. Januar in einer Schule im
Stadtteil Osnowa ein. Menschen kamen nicht ums Leben. Russland sprach
wieder davon, Munitionsdepots und Stützpunkte ukrainischer Nationalisten
getroffen zu haben. Doch Journalisten, die bereits wenige Minuten nach den
Einschlägen vor Ort waren, widerlegten die russischen Angaben.
Insgesamt wurden in den vergangenen sechs Tagen in Charkiw bei den
russischen Raketenangriffen vier Menschen getötet. Es gab 103 Verletzte,
121 Wohn- und Verwaltungsgebäude wurden beschädigt. Die russische Armee hat
in diesen Tagen 34 Raketen und 11 Shahed-Drohnen auf die Stadt abgefeuert.
Darüber hinaus aber haben die russischen Angreifer vielleicht ihr
wichtigstes Ziel erreicht: noch stärkeren psychologischen Druck auf die
Zivilbevölkerung der Stadt auszuüben. Wegen des chaotischen Beschusses
fühlt sich in Charkiw jetzt niemand mehr sicher. Schon jetzt ist zu
beobachten, dass wieder mehr Menschen die Stadt verlassen.
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
4 Jan 2024
## LINKS
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5981567
[2] /Viele-Tote-und-Verletzte-in-der-Ukraine/!5979560
## AUTOREN
Juri Larin
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Charkiw
Russland
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Krieg in der Ukraine: Neue Angriffswelle gegen Ukraine
Russische Truppen bombardieren vier Regionen. Dabei werden mindestens vier
Menschen getötet und 54 verletzt. Wieder ist zivile Infrastruktur ein Ziel.
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Vier Tote durch russische Angriffe
Die Ukraine hat 18 von 51 Raketen abgefangen. Vier Tote und 30 Verletzte
wurden gemeldet. Japan sichert der Ukraine Unterstützung zu.
Ukrainische Geflüchtete in Hamburg: Weil kein Frieden in Sicht ist
In Hamburg hat die ukrainische Community nun ein eigenes Haus: Geflüchtete
sollen sich hier ablenken können – mit Zumba, Chor und Klavierstunden.
Ukraine unter Raketenbeschuss: Heftigste Angriffe seit Kriegsbeginn
Russland hat vor allem Kyjiw und Charkiw mit Raketen beschossen. Selbst
wenn die Luftabwehr sie erwischt, richten sie noch Schaden an.
Berichterstattung in der Ukraine: Aus für ukrainische Mediengruppe
Mit ihrer russischsprachigen Zeitung stand Vesti schon länger im Visier der
Regierung. Es ist nicht die erste Plattform, die vom Markt verschwindet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.