# taz.de -- Repressionen auf der Krim: 110 Jahre Haft | |
> Ein russisches Gericht verurteilt sieben Krimtataren zu langen | |
> Gefängnisstrafen. Sie sollen einer verbotenen islamischen Gruppe angehört | |
> haben. | |
Bild: Unter Putin sind Haftstrafen und Folter schlimmerals zu Zeiten der Sowjet… | |
MÖNCHENGLADBACH taz | Sieben ukrainische Krimtataren sind von einem | |
russischen Gericht in Rostow-am-Don am Mittwoch zu insgesamt 110 Jahren | |
Haft verurteilt worden. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in der islamistischen | |
Organisation Hizb ut-Tahrir. Diese gilt in Russland als Terrororganisation. | |
In der Ukraine ist sie nicht verboten. | |
Menschenrechtsgruppen sehen in dem Urteil den Versuch, den Teil der | |
Gesellschaft auf der Krim, der die russische Annexion weitgehend | |
geschlossen ablehnt, mit Repressalien mundtot zu machen. Derzeit stehen 100 | |
Verfahren russischer Gerichte gegen [1][Krimtataren], die auf der Krim | |
leben, an. Es könnten noch einmal mehrere Hundert Jahre Haft dazukommen. | |
Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial beobachtet seit 15 Jahren | |
in Russland und seit 2014 auf der Krim, wie die „staatliche Propaganda | |
Islamfeindlichkeit nutzt und verschärft und Islam und Terrorismus | |
gleichsetzt“. | |
Auch die Beweisführung des russischen Gerichts wirft Fragen auf. Zentrales | |
Beweismittel, so die Menschenrechtlerin Halya Coynash von der | |
Menschenrechtsgruppe Charkiw, seien drei heimlich mitgeschnittene Gespräche | |
gewesen, die in einer Moschee auf der Krim geführt worden waren. | |
## Fehlerhafte Gutachten | |
Coynash führt die Juristin für Forensik, Yelena Novoshilowa, an. Die halte | |
die Gutachten der vom Geheimdienst FSB angeführten Experten zu den | |
Mitschnitten für fehlerhaft. Nicht ein einziges Mal, so Novoshiloswa, sei | |
auf den Mitschnitten der Begriff Hizb ut-Tahrir zu hören. An keiner Stelle, | |
werde zum Hass gegen andere Völker oder Glaubensrichtungen angestachelt. | |
Für Boris Sacharow von der Menschenrechtsgruppe Charkiw geht das Urteil | |
gegen die Krimtataren noch über die Menschenrechtsverletzungen der | |
Sowjetunion hinaus. Damals hätten Dissidenten drei, mitunter auch zehn | |
Jahre Haft bekommen. Aber Haftstrafen von bis zu 19 Jahren und Folter, wie | |
sie in Putins Russland an der Tagesordnung sei, habe es damals nicht | |
gegeben. Zudem verletze Russland grob internationales Recht, da es die | |
eigene Gesetzgebung auf besetztem Gebiet anwende. | |
„Hizb ut-Tahrir ist eine friedliche islamische Partei. Ich halte ihre | |
Einstufung als ‚terroristisch‘ in Russland und als ‚extremistisch‘ in | |
Deutschland für problematisch aufgrund der Meinungsfreiheit.“ | |
Das Verbot der Organisation in Deutschland hänge mit strengen Gesetzen | |
gegen Antisemitismus und Holocaust-Leugnung zusammen“, so Sacharow. „Als | |
Jude trage ich den Schmerz des Holocaust in mir. Aber ein Staat hat nicht | |
das Recht, Meinungen in Friedenszeiten einzuschränken oder Menschen wegen | |
ihrer Meinung zu verfolgen.“ | |
17 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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