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# taz.de -- Reform der chinesischen Ein-Kind-Politik: Kein Kind ist illegal
> Als Folge der Ein-Kind-Politik waren in China Zweit- und Drittgeborene
> „illegal“. Nun können sie sich registrieren lassen. Das löst nur einen
> Teil der Probleme.
Bild: Drei Kinder: Das gibt‘s jetzt sogar bei der offiziellen China Fashion W…
Peking taz | In ihrer Kindheit musste sie sich ständig verstecken. Und
während ihre ältere Schwester zur Schule durfte, musste sie zu Hause
bleiben und ihrer Mutter auf dem Feld helfen. Bildung blieb der heute
27-jährigen Lin verwehrt, ebenso Arztbesuche. Auch mit der Eisenbahn durfte
sie nie fahren. Denn für den Ticketkauf ist ein Ausweis nötig. Den hat sie
aber nicht. Denn sie gilt als „illegal“.
Chinas Ein-Kind-Politik gehört jetzt der Vergangenheit an. Nach fast 35
Jahren dieser restriktiven Bevölkerungspolitik darf seit Anfang November
jedes Ehepaar ein zweites Kind zur Welt bringen. Doch die Folgen der
fragwürdigen Regelung, die bei Millionen Familien für Tragödien gesorgt und
ihre Kinder ins Unglück getrieben hat, bleiben aktuell. Eine der
schlimmsten Folgen will Chinas Führung nun mildern.
Die Regierung hat verkündet, dass sich alle bisher nicht registrierten
Bürger offiziell anmelden dürfen. „Das Problem der unregistrierten Bürger
soll umfassend gelöst werden“, teilte eine Reformarbeitsgruppe unter
Präsident Xi Jinping letzten Donnerstag mit. Bei den Unregistrierten
handelt es sich meist um Zweit- oder Drittgeborene, die unter Missachtung
der Ein-Kind-Regel auf die Welt gekommen waren. Konnten ihre Eltern die
hohen Strafen nicht zahlen, verweigerten die Behörden den Kindern die
Registrierung. Sie galten als „illegal“ und mussten versteckt werden.
Als sie älter wurden, hatten sie weder das Recht auf kostenlose Bildung
noch auf einen Arztbesuch. Ein Bankkonto wurde ihnen ebenso verweigert wie
ein Reisepass. Nichtmal heiraten konnten sie, geschweige denn eine
Ausbildung beginnen. Weil für arme Familien diese Kinder eine große Last
sind, wurden sie oft verstoßen oder verkauft. „Viele dieser Kinder sind als
Waise oder Obdachlose aufgewachsen“, erklärt der in den USA lehrende
Soziologe und Demografieexperte Cai Yong. Die Reform sei „ein wichtiger
Schritt für Chinas politisches System“. Sie betrifft offiziell 13 Millionen
Menschen.
Das Unrecht hat Chinas Führung lange unter den Teppich gekehrt. Noch vor
wenigen Jahren tauchten diese Menschen nicht einmal als Schätzwerte in der
offiziellen Statistik auf. So war es auch lange ein Tabu in China, über sie
zu berichten. Dabei sind sie aus dem Stadtbild etwa von Peking oder
Guangzhou nicht wegzudenken.
Viele Obdachlose, die jünger als 35 sind, sind diese sogenannten „schwarzen
Kinder“. Doch gibt es auch Betroffene, die es geschafft haben, sich ein
wirtschaftlich stabiles Leben aufzubauen. Chinas Medien berichten dieser
Tage von Menschen, die sich als Händler, Fabrikarbeiter oder Näherinnen
eine Existenz aufbauen konnten.
## Vermeidung unkontrollierter Landflucht
Das Ende der umstrittenen Haushaltsregistrierung bedeutet diese Reform aber
nicht. Bei diesem als Hukou bezeichneten System können die Bürger nur dort
Rechte und Sozialleistungen in Anspruch nehmen, wo sie auch registriert
sind. Das ist bei Millionen von Städtern in ihren Heimatdörfern auf dem
Land der Fall. So wollte Chinas Führung eine unkontrollierte Landflucht und
damit städtische Slums vermeiden.
Ein Großteil der Chinesen zog wegen der besseren Arbeitsmöglichkeiten
trotzdem in die Städte. Rund 270 Millionen Städtern steht deshalb auch
keine freie medizinische Versorgung zur Verfügung. Ihre Kinder können sie
nur gegen hohe Gebühren an dortigen Schulen anmelden oder müssen sie zu den
Verwandten aufs Land schicken, wo sie registriert sind. Eine umfassende
Reform des Hukou-Systems wurde mehrfach angekündigt, aber nie umgesetzt.
15 Dec 2015
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Ein-Kind-Politik
Landflucht
Drohnen
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