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# taz.de -- Rassismus in der CSU: „Man kann mich nicht umstimmen“
> Eigentlich sollte Sener Şahin für die CSU kandidieren und Bürgermeister
> Wallersteins werden. Dann kamen rassistischen Anfeindungen aus der
> Partei.
Bild: Sener Sahin zieht seine Bewerbung um ein Bürgermeisteramt zurück
München taz | Viele, ihm meist unbekannte Bürger haben Sener Şahin
geschrieben. Sie haben sich, so erzählt er, mit ihm solidarisch erklärt.
„Aber ich kandidiere hundertprozentig nicht, man kann mich nicht
umstimmen“, meint der 44-Jährige aus dem bayerisch-schwäbischen Wallerstein
im Gespräch mit der taz. Bürgermeister der Gemeinde wird wohl ein anderer
oder eine andere.
Dabei hatte Şahin zuerst zugestimmt, als ihn der CSU-Ortsvorstand
Wallerstein gefragt hatte, ob er für die Partei als Bürgermeister
kandidieren wolle. Doch dann liefen Teile der örtlichen [1][CSU] Sturm
gegen diesen Plan. Der Grund: Şahin ist Muslim, für die örtlichen CSUler
wohl ein Ausschlusskriterium. Als Reaktion auf den Rassismus zog Şahin
seine Kandidatur zurück. Und dabei bleibt es nun wohl auch.
Indes hat sich der Vorfall bis zur CSU-Parteispitze verbreitet. Der
Vorsitzende Markus Söder bedauerte den Rückzug und sagte: „Wer sich zu den
Grundsätzen der CSU bekannt hat, der sollte auch ein guter Kandidat sein.“
Generalsekretär Markus Blume bemühte sich schon am Montagabend um Klärung
der Angelegenheit und rief bei Şahin an, laut dessen Angaben telefonierten
sie eine halbe Stunde.
Blume habe ihm gesagt, dass die allermeisten in der CSU nicht ablehnend
gegenüber Muslimen eingestellt seien, und gefragt, ob er nicht doch noch
kandidieren würde. Viele CSU-Größen haben Şahin mittlerweile gestärkt – …
etwa der Ehrenvorsitzende Theo Waigel oder der schwäbische
Bezirksvorsitzende Markus Ferber, der ihn einen „coolen Kandidaten“ nannte.
## Rassismus in der CSU? Nichts Neues
Sener Şahins Eltern stammen aus der Türkei, er ist in Nördlingen geboren,
Deutscher, mit seiner katholischen Frau zieht er zwei Kinder groß. Als
Selbstständiger betreibt er einen Maschinenhandel. Selbst für
CSU-Verhältnisse ist er musterhaft integriert. „Die Leute im Nördlinger
Umkreis kennen mich“, sagt er. „Da wird keiner was Negatives über mich
sagen.“
Doch erhebliche Kräfte im Ortsverein wollten ihn nicht als Kandidaten.
Keiner habe dabei Kritik an seiner Person geübt, sondern seinen Glauben
thematisiert. Ein paar hätten ihm offen gesagt: „Versteh uns nicht falsch,
aber wir können das nicht mit dir als Muslim.“ Es gab Protestanrufe aus dem
Ort in Berlin beim Wahlkreisabgeordneten Ulrich Lange.
Der CSU-Politiker Ozan Iyibas kennt solche Vorgänge zu Genüge. „Wenn man
Ämter bekleidet, die in Richtung Landrat, Staatssekretär, Minister gehen,
ist der Gegenwind sehr, sehr heftig“, sagte er gegenüber der taz.“Jemanden
zu verhindern, bloß weil er türkischstämmig ist oder einen muslimischen
Hintergrund hat – das gibt es vom Kreisverband bis zur Bundesebene.“
Ganz ähnlich sieht das Mehmet Sapmaz. Der 49-jährige Betriebswirt aus
Erlangen ist seit mehr als zehn Jahren in der Partei, sitzt für die
Christsozialen im Stadtrat. „Man möchte Menschen mit türkischer Abstammung
immer noch als Reinigungskräfte sehen“, kritisiert er. Şahin habe das
Angebot ja vom CSU-Ortsverbandsvorsitzenden bekommen. „Der kannte aber
seine Basis offenbar nicht“, meint Sapmaz. Neu ist für ihn, dass erstmals
die CSU-Führung erkannt habe, „dass man sich als Volkspartei nicht
abkapseln kann“.
An diesem Donnerstag sollte Sener Şahin eigentlich vom Ortsverband zum
Kandidaten gewählt werden, das war der Plan. Dann wäre er direkt als
Mitglied in die CSU eingetreten. „Das hat sich nun erst einmal erledigt“,
meint er. Der Ortsvereinsvorsitzende Georg Kling – auch dritter
Bürgermeister von Wallerstein – hatte Sener Şahin für die Kandidatur
geworben. Wie geht man jetzt vor Ort in der CSU mit den Geschehnissen um?
Seine Frau sagt am Telefon, dass ihr Mann für Journalisten nicht zu
sprechen sei. „Da ist alles geschwätzt.“
7 Jan 2020
## LINKS
[1] /CSU/!t5008930
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Bayern
Bürgermeister
CSU
Muslime
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Markus Söder
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