# taz.de -- Pogacar wohl als Sieger in Paris: Ochsen-Tour de France | |
> Die deutschen Profis blieben bei der großen Schleife oft in der zweiten | |
> Reihe. Trotz magerer Resultate muss aber nicht Trübsal geblasen werden. | |
Bild: Auf dem Boden der Tatsachen und doch in Gelb: Tadej Pogacar | |
LIBOURNE taz | Deutsche bei der Tour? Die Stars dieser Rundfahrt kommen aus | |
anderen Nationen. Der Franzose Julian Alaphilippe und der Niederländer | |
Mathieu van der Poel belebten vor allem die erste Woche. Der Slowene Tadej | |
Pogačar und der Däne Jonas Vingegaard drückten ihr in den Alpen, auf dem | |
Mont Ventoux und in den Pyrenäen den Stempel auf. Verstecken müssen sich | |
die deutschen Profis aber nicht. | |
Nils Politt ragte mit seinem Etappensieg in Nîmes heraus. Auf der von Hitze | |
und Seitenwind erschwerten zwölften Etappe schaffte es der Kölner nicht nur | |
in die Fluchtgruppe. Er sprengte sie mit mächtigem Antritt bereits 39 | |
Kilometer vor ihrem Ende und jagte als Solist dem Ziel entgegen. Ungläubig | |
klopfte er sich auf der Zielgerade auf den Helm. Der ewige Zweite – acht | |
zweite Plätze, darunter einer bei Paris–Roubaix, schlugen zuvor bei ihm zu | |
Buche – holte in Nîmes den erst zweiten Sieg seiner Profikarriere. „Ich | |
hoffe, dies ist der Durchbruch“, meinte er später. | |
Wie er ihn errang, war typisch für diese Tour: mit einer langen | |
Soloattacke. Sowohl beim Gerangel um das Gelbe Trikot als auch beim Kampf | |
der Ausreißer lautete in diesem Jahr die Erfolgsformel: Je früher, desto | |
besser. „Es liegt daran, dass es in diesem Jahr schon enorm schwer ist, | |
überhaupt in eine Gruppe zu kommen. Viele Fahrer lassen da bereits viel | |
Kräfte. Wenn man sich dann gut fühlt in einer Gruppe und den richtigen | |
Zeitpunkt erwischt, macht es Sinn, früher anzutreten. Wenn man dann erst | |
einmal 30 Sekunden oder eine Minute Vorsprung hat, wird es für die anderen | |
schwer, da noch heranzufahren“, erläuterte Patrick Konrad der taz. Der | |
Teamkollege von Politt holte auf diese Art ebenfalls einen Tagessieg. | |
Damit ging die neu entwickelte Strategie des Bora-hansgrohe-Teams perfekt | |
auf. Eigentlich hatte der Raublinger Rennstall eine | |
Zwei-Kapitäne-Strategie: Peter Sagan sollte Etappensiege holen und um das | |
Grüne Trikot kämpfen, Wilco Kelderman eine Top-5-Platzierung anstreben. | |
Nach Sagans sturzbedingtem Ausscheiden gab es Freibriefe für die | |
Attackierer. Und Politt, über lange Strecken der Saison ein bescheidener | |
Zuarbeiter, sah seine Chance. Er spielte sein Potenzial als | |
Klassikerspezialist perfekt aus. | |
## Zabel, Kittel, Greipel | |
Sein Erfolg täuscht aber nicht über den Ergebnisknick deutscher | |
Tour-Starter hinweg. Die Zeit der Topsprinter, hießen sie nun Erik Zabel, | |
Marcel Kittel oder André Greipel, ist vorbei. Die ersten beiden fahren | |
schon lange nicht mehr. Greipel stemmt sich tapfer gegen die abfallende | |
Kurve. Aber selbst wenn vieles passt, wenn die Position stimmt und der | |
Antritt da ist, springt bestenfalls Tagesrang 7 heraus. Nicht ganz | |
überraschend taucht der Oldie so auch in Fluchtgruppen auf. | |
Schon vor dieser Tour de France hatte Simon Geschke einen Etappensieg in | |
Frankreich auf der Habenseite. In diesem Jahr verhinderten die starke | |
Konkurrenz, aber auch die überraschend mutige Fahrweise von Geschkes | |
Kapitän Guillaume Martin eine Wiederholung. Der Franzose brachte sich durch | |
Ausreißercoups in die Top 10. Im Dienste seines Chefs zeigte Geschke | |
besondere Initiativen. Auf der 16. Etappe startete der Berliner eine | |
Attacke im Peloton der Favoriten. In seinem Windschatten war Martin. „Es | |
ging in diesem Moment etwas langsam zu vorn. Mir kam etwa zehn Minuten | |
vorher die Idee. Ich fragte Guillaume, und er war einverstanden“, erzählte | |
Geschke später der taz. Die Top 11 der Gesamtwertung reagierten zwar | |
schnell. Aber für einen Moment war echte Bewegung im Rennen. | |
Andere deutsche Fahrer konnten weniger Akzente setzen. Tour-Neuling Georg | |
Zimmermann laborierte an einer Handverletzung nach einem Sturz. Jasha | |
Sütterlin stieg auf der ersten Etappe aus, das folgenreichste Opfer des | |
Pappschilds „Allez Opi-Omi“. Damit löste eine Zuschauerin bekanntlich einen | |
Massensturz aus. Wie stark sein Ausstieg die traurige Performance seines | |
deutschen Rennstalls DSM beeinflusste, bleibt Spekulation. Der Freiburger | |
ist selbst kein Resultatefahrer. | |
Er ließ guten Ergebnissen im Nachwuchsbereich, unter anderem einem zweiten | |
Platz beim WM-Einzelzeitfahren 2010, keine entsprechende Karriere folgen. | |
Aber er war Road-Captain bei DSM, also verlängerter Arm der sportlichen | |
Leiter im Rennen. Seine Erfahrung fehlt nun. Dass DSM nicht an die tolle | |
Bilanz der letzten Tour mit drei Etappensiegen anknüpfen kann, liegt aber | |
auch daran, dass die anderen Teams das Ausreißgeschäft in diesem Jahr viel | |
aggressiver betreiben und die auf wechselnden Angriffen beruhende Taktik | |
von DSM gar nicht zur Entfaltung kommt. | |
Für positive Signale sorgte immerhin Max Walscheid. Der robuste Sprinter | |
kam zumindest einmal in die Top 10. Er ist eine Art Geheimfavorit für | |
die letzte Etappe in Paris. Denn an diesem Tag ist auch Mandela Day, ein | |
hoher Feiertag in Südafrika, dem Sitz seines Teams Qhubeka NextHash. Da | |
will das Team glänzen. „Ich kam im letzten Jahr in Paris aus einer | |
Helferrolle auf Platz 10. Jetzt bin ich der Sprinter des Teams und rechne | |
mir natürlich mehr aus. Mir kommt auch das schwere Kopfsteinpflaster auf | |
den Champs-Élysées entgegen“, richtete er gegenüber der taz seinen Blick | |
auf das Finale. Davor muss er natürlich unfallfrei und ohne zu großen | |
Substanzverlust die Berge überstehen. | |
15 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
## TAGS | |
Radsport | |
Tour de France | |
Schwerpunkt Sport trotz Corona | |
Kolumne Press-Schlag | |
Tour de France | |
Giro d’Italia | |
Radsport | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Corona-Sorge vor Tour de France: Isolation statt Nahbarkeit | |
Eine neue Welle von Covidfällen erschüttert den Radsport. Viele fühlen sich | |
an den Beginn der Pandemie erinnert. Der Tour de France droht Abschottung. | |
Doping bei der Tour de France: Alle sauber oder was? | |
Die Tour de France 2021 war eine der schnellsten der letzten Jahre. Kaum | |
jemand redet von Doping. Warum? | |
Führender bei der Tour de France: Jung, mutig, schnell | |
Der slowenische Radprofi Tadej Pogacar trägt das Gelbe Trikot bei der Tour | |
de France. Mit seiner Risikolust steht er für eine neue Generation. | |
Egan Bernal dominiert den Giro d’Italia: Wie sein Held | |
Der Kolumbianer Egan Bernal überzeugt bei den Bergetappen des Giro d’Italia | |
mit Leistungen, die ihn nahe an die Großen des Radsports heranrücken. | |
Giro d'Italia und soziale Proteste: Die Straße genau kennen | |
Radprofi Egan Bernal fällt beim Giro doppelt auf. Er führt in der | |
Gesamtwertung und gilt als Kritiker der Missstände in seiner Heimat | |
Kolumbien. |