# taz.de -- Papst Franziskus und Homosexualität: Die Mode Christentum | |
> Einst galt er als liberal, jetzt hält Papst Franziskus Homosexualität für | |
> eine „Mode“. Das ist geschichtsvergessen und populistisch. | |
Bild: Homosexualität nur eine Mode? Die alten Griechen können da nur lachen | |
In einem Interview bezeichnet Papst Franziskus Homosexualität als „Mode“. | |
Allerdings ist diese älter als die Institution, deren Oberhaupt er ist. | |
Er scheint sich im Halbjahresrhythmus zu Fragen der geschlechtlichen | |
Orientierung äußern zu wollen – oder zu müssen. Im Sommer erst hatte Papst | |
Franziskus den Eltern dieser Welt den wohl gut gemeinten Rat mit auf den | |
Weg gegeben, ihre Kinder, sollten sie homosexuelle Neigungen zeigen, | |
[1][zum Psychiater zu schicken]. Damit wusste er sich in guter Gesellschaft | |
mit den für ihre homophoben Ansichten bekannten Evangelikalen. Anschließend | |
revidierte er seine Aussage. | |
Doch jetzt legte Franziskus noch einmal nach, in einem Interview, das heute | |
in einem Buch auf Spanisch erscheint. „In unseren Gesellschaften scheint es | |
gar, dass Homosexualität eine Mode ist, und diese Mentalität beeinflusst | |
auf gewisse Weise auch die Kirche“, wird er zitiert. In der Kirche habe | |
diese Art von Zuneigung aber keinen Platz, lautet sein Urteil. | |
Man kann zum Umgang der katholischen Kirche, der mutmaßlich größten | |
schwulen Undercover-Organisation der Welt, sehr viel sagen, womöglich | |
bleibt dem Papst gar nichts anderes übrig, als die offizielle | |
Sprachregelung zu wählen, Homosexuelle hätten bei ihnen nichts verloren. | |
Andernfalls hätte die Kirche ein noch größeres Problem, wie sie Dinge wie | |
den Zölibat rechtfertigen soll. | |
## Populistisch argumentiert wie Trump | |
Was an der aktuellen Äußerung von Franziskus aber erstaunt, ist seine | |
Wortwahl. Wenn er davon spricht, dass Homosexualität in unseren | |
Gesellschaften eine „Mode“ sei, scheint er damit ein jüngeres Phänomen zu | |
meinen. Etwas, mit dem sich die katholische Kirche, folgt man seiner | |
Überlegung, erst seit einiger Zeit konfrontiert sehen dürfte. | |
Man braucht jedoch kein allzu umfassendes Geschichtswissen, um darauf zu | |
stoßen, dass es gleichgeschlechtliche Liebe schon um einiges länger gibt | |
als die katholische Kirche. Das antike Griechenland mag als Beispiel | |
genügen. „Homosexualität“ ist als Begriff zwar nicht so alt wie die Arten | |
des Begehrens, die darunter fallen, doch selbst wenn Franziskus diesen | |
Unterschied im Sinn gehabt haben sollte, käme er mit seiner | |
„Mode“-Klassifizierung nicht sonderlich weit. | |
Umgekehrt könnte man sagen: Das Christentum ist eine Mode, in historischer | |
Perspektive allemal, und steckt zudem in einer Krise. Wenn Franziskus so | |
argumentiert wie aktuell, stellt er sich dann rhetorisch auf eine Stufe mit | |
Populisten wie Donald Trump, die Kritik an sich selbst kurzerhand in einen | |
Vorwurf an die „Gegenseite“ ummünzen. | |
Vom liberalen Papst Franziskus, als der er zu Beginn seines Pontifikats | |
wahrgenommen wurde, ist so [2][immer weniger zu erkennen]. | |
Eines Tages, er ist vermutlich nicht mehr fern, wird man beim Gedanken an | |
Franziskus vielleicht wehmütig an Benedikt XVI. zurückdenken. | |
2 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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