# taz.de -- Opposition in Russland: Landesweite Proteste | |
> In Moskau haben am Mittwoch 250.000 Menschen demonstriert, es blieb | |
> überwiegend friedlich. In anderen Städten griff die Miliz härter durch. | |
Bild: Proteste gegen Putin an vielen Orten in Russland, hier im sibirischen Ula… | |
MOSKAU taz | [1][Der Stab des inhaftierten Politikers Alexei Nawalny] hatte | |
für Mittwoch zu einer Großveranstaltung aufgerufen. Eigentlich wollten die | |
Anhänger des Oppositionellen erst auf die Straße gehen, wenn sich 500.000 | |
Demonstranten registriert hätten. Doch in den letzten Wochen kamen die | |
Zusagen nur noch spärlich. Staatlicher Druck und Festnahmen sollen laut | |
Beobachtern die Protestbereitschaft verringert haben. 460.000 | |
Registrierungen kamen in den letzten Tagen landesweit dann doch noch | |
zusammen. Die Koordinatoren der Demonstrationen fürchteten zuletzt, die | |
Teilnahmebereitschaft würde eher noch weiter sinken. | |
Um 19 Uhr sollte die Demo im Moskauer Zentrum losgehen. Kalt und windig war | |
es, der Eisregen des Vortags hatte sich jedoch verzogen. Viele | |
Demonstranten fanden sich nicht am Sammelpunkt, dem zentralen | |
Puschkinplatz, ein. Polizei und Nationalgarde hatten den Ort abgesperrt. | |
Erst nach einer Stunde trafen aus den Seitenstraßen der Twerskaja im | |
Stadtzentrum unerwartet Hunderte Demonstranten ein. Aus allen Gassen | |
drängten die meist jungen Menschen zusammen. In der Luxusmeile des | |
Kamergerski Pereulok formierte sich unter den Leuchtgirlanden der | |
Fußgängerzone ein fröhlicher Protestzug, der versuchte, bis zum Gebäude des | |
Geheimdienstes vorzustoßen. | |
Seltsame Dinge passierten an diesem Abend in der Hauptstadt. Etwa 25.000 | |
Menschen dürften es gewesen sein, die dort demonstrierten. Kaum behindert | |
von den Sicherheitskräften, die unbeteiligt am Rand des Geschehens | |
warteten. 29 Festnahmen soll es am Ende in Moskau gegeben haben. Die | |
Zurückhaltung der Ordnungshüter erklären einige Beobachter mit der Rede zur | |
Lage der Nation des Präsidenten am selben Tag. | |
Angeblich hätten Festnahmen die Symbolik gestört. Selbst gelegentliche Rufe | |
„Putin ist ein Dieb“ oder „Mörder“ wurden von den Aufsehern wohlwollend | |
überhört. Diesmal hatte der Zug etwas von einem fröhlichen Happening. | |
Autofahrer hupten im Konzert, aus Luxuslimousinen hielten Beifahrer selbst | |
beschriftete Schilder heraus: „Das geht nun gar nicht mehr!“ Die Stimmung | |
ließ sich niemand verderben. Viele Protestler sagten auch, [2][sie hätten | |
endgültig ihre Angst vor der Staatsgewalt verloren]. Aber vielleicht war | |
das auch nur eine Momentaufnahme. | |
Der Menschenrechtsaktivist und frühere Leiter des Sacharow-Zentrums, Jurij | |
Samodurow, hatte die kleine Stelle auf dem Majakowski-Platz schon vor 19 | |
Uhr bezogen – direkt gegenüber den neuen hellen Gefängnistransportern der | |
Polizei. Wie viele Demonstranten gehört auch er nicht zu den unkritischen | |
Anhängern Nawalnys. Doch diesmal, so sagte er, ginge es fast schon ums | |
Ganze. | |
Beobachter bestätigten den Ordnungskräften in Moskau, dass sie diesmal | |
nicht versucht hätten, Leute festzunehmen und Gewalt gegen die | |
Demonstranten einzusetzen. | |
„Russland ohne Putin“, skandierten immer wieder kleine Gruppen. Der Ruf | |
„Putin, hau ab!“ blieb allerdings ungehört. | |
Ganz so friedlich ging es [3][in anderen Regionen des Landes] nicht zu. In | |
Petersburg, wo es mehr als 800 Festnahmen gegeben haben soll, setzte die | |
Polizei offenbar auch Elektroschocker ein. Auch in Ufa, der Hauptstadt | |
Baschkiriens und im russischen Fernen Osten, griffen die Sicherheitskräfte | |
zu. Landesweit kam es in in rund 80 Städten zu Protesten. | |
Bereits vor Beginn der Demonstrationen waren Nawalnys Sprecherin, Kira | |
Jarmysch und seine Mitstreiterin, Ljubow Sobol, festgesetzt worden. Die | |
Menschenrechtsgruppe OWD-Info gab am Donnerstag an die 1.770 Festnahmen | |
bekannt. | |
22 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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