# taz.de -- Nick Cave-Ausstellung in Kopenhagen: Wildrosen am Schreibtisch | |
> „Stranger than Kindness“: In der Nationalbibliothek in Kopenhagen ist | |
> eine Ausstellung über Leben und Werk von Nick Cave zu sehen. | |
Bild: Fehlt nur noch der Kamin: Das Lesezimmer von Nick Cave, nachgebaut in Kop… | |
Eine Szene wie aus einem Schauermärchen, Nick Cave wäscht seine blutigen | |
Hände in jenem trüben See, in dem [1][Kylie Minogue] als Wasserleiche | |
dümpelt. Trotz seiner Morbidität bescherte der Videoclip „Where the Wild | |
Roses Grow“, aus dem dieser berühmt gewordene Ausschnitt stammt, Nick Cave | |
1995 einen Nummer-eins-Hit. Allein das dürfte den australischen Künstler | |
äußerst gefreut haben. Noch triumphaler war für Cave nur, dass er sich | |
endlich mit seiner australischen Kollegin zusammenspannen konnte. | |
Es muss in [2][Nick Cave] wahre Glücksgefühle ausgelöst haben, als er 1992 | |
zugedröhnt in die Wohnung einer Zufallsbekanntschaft in Manchester | |
stolperte und an der Wand eine kleine blau-rosa Handtasche mit der | |
Aufschrift „Kylie Minogue“ entdeckte. Cave schwatzte sie ihrem Besitzer ab | |
und hütete die Tasche fortan wie einen Schatz. Die Mini-Bag wurde für den | |
Popstar ein Talisman, der ihn seit damals auf allen Konzertreisen | |
begleitet. | |
Natürlich findet sich das „Kylie“-Täschchen in der Ausstellung „Stranger | |
than Kindness“, die im Black Diamond genannten Neubau der Königlichen | |
Nationalbibliothek in Kopenhagen zu sehen ist. In dieser Schau steht das | |
Tor in die kreative Welt des Musikers und Romanciers weit offen. | |
## Acht Räume, 300 Objekte | |
Verteilt über acht Räume sind rund 300 Objekte zu begutachten – teils | |
stammen sie vom Künstler selbst, teils hat sie das „Nick-Cave-Archiv“ des | |
Arts Centre Melbourne beigesteuert, manches kommt auch aus den Sammlungen | |
der Königlichen Bibliothek und von privaten Leihgebern. | |
Wer durch die Ausstellung schlendert, taucht tief in den Cave’schen Kosmos | |
ein. Schlüsselreize liefern großformatige Installationen mit | |
atmosphärischen Klanglandschaften, dazu Aufzeichnungen, Fotos, Videoclips, | |
Bühnenbilder und persönliche Artefakte aus mehr als 50 Jahren. Sogar Nick | |
Caves Büro wurde originalgetreu nachgebaut: der Holzschreibtisch, der | |
Ledersessel, die Bücherstapel – alles wie in seiner Wahlheimat Brighton. | |
Manchmal wirkt das ganze Inventar, als komme es direkt aus einem alten | |
Krimi von Raymond Chandler: eine Schreibmaschine, dazu handschriftlichen | |
Notizen. Google? Smartphone? Wenn Nick Cave seine Texte nicht gerade mit | |
einem Stift zu Papier bringt, tippt er sie auf dieser Maschine. | |
## Bücherstapel in Westberlin | |
Es gibt die Sage, dass er Anfang Achtziger in [3][Westberlin] Songtexte, | |
die später auch in sein Romandebüt „Und die Eselin sah den Engel“ | |
einflossen, ununterbrochen in eine Schreibmaschine hackte. Meist quartierte | |
er sich dafür bei Freunden ein – umgeben von Bücherstapeln, | |
herausgerissenen Bibelseiten, Heiligenbildern, einem Elvis-Schnappschuss | |
und drei Haarlocken, die er auf einem Flohmarkt erstanden hatte. In | |
Kopenhagen wird dieses Setting in einer raumgreifenden Installation | |
dokumentiert, daneben ein Foto in Schwarz-Weiß. | |
So sollen die Betrachter an den Künstler Nick Cave herangeführt werden. | |
Nicht nur HobbypsychologInnen kommen auf ihre Kosten: Glauben sie dann, | |
dass kreative Unordnung das Seelenleben des Künstlers abbildet? | |
Auf jeden Fall war Nick Cave kein Minimalist. Zumindest nicht in jungen | |
Jahren. Er hortete alles Mögliche – von Ausschnitten aus Zeitschriften bis | |
zu Postkarten. Entsprechend geht die von Christina Back und Janine Barrand | |
in Zusammenarbeit mit dem Künstler konzipierte Ausstellung auf die | |
Sammelleidenschaft des heute 62-Jährigen ein. Auch handgemachte Bücher und | |
Collagen von Cave sind zu sehen: Der einstige Kunststudent brannte dafür, | |
aus seinen zahlreichen Schätzen etwas Eigenes zu gestalten. | |
## Drastische Darstellungen | |
Und Zeichnungen fertigte er ebenfalls an: Skizzen, vorzugsweise von nackten | |
Frauen, nicht selten mit gespreizten Beinen, sind einige zu sehen. Für Cave | |
sind diese drastischen Darstellungen Ausdruck eines zwanghaften Verhaltens, | |
das er seit seiner Schulzeit hat. Noch krasser sind die Blutbilder. Mitte | |
der Achtziger zeichnete der Musiker manchmal mit seinem eigenen Blut, | |
damals war Nick Cave heroinabhängig. | |
Weit weniger verstörend wirkt da Nick Caves Faible für Listen. Zu sehen | |
sind Einkaufszettel, aber auch Tabellen mit Wörtern. Er notierte auch, was | |
ihn an seiner ersten Band The Boys Next Door störte. Diese 1978 in | |
Melbourne gegründet Gruppe benannte sich 1980 nach dem Umzug nach London in | |
The Birthday Party um. Unbändige Postpunk-Alben entstanden. Als sich The | |
Birthday Party 1983 auflöste, gründete Nick Cave in Westberlin The Bad | |
Seeds. | |
Alle Stationen seiner langen Karriere tauchen in der Ausstellung auf. Auch | |
ein Foto aus jener Nacht, in der The Birthday Party auf einer Müllhalde das | |
Video zum Song [4][„Nick the Stripper“] drehten. Alles an diesem Bild ist | |
Exzess. Ein Satz, der charakteristisch für Caves Leben war – bis er Susie | |
Bick heiratete und den Drogen entsagte. | |
Nicht umsonst hängt in der Ausstellung ein Foto von Cave mit seinen Söhnen | |
Earl und dem verstorbenen Arthur über einem Klavier. Inzwischen hat er dem | |
Exzessiven abgeschworen. Die Heroisierung bleibt. | |
28 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Deutschlandtour-von-Kylie-Minogue/!5125629/ | |
[2] /Dokumentarfilm-ueber-Nick-Cave/!5336920/ | |
[3] /Das-West-Berliner-Cafe-Mitropa-wird-40/!5619317/ | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=l5I2vEcVC_I | |
## AUTOREN | |
Dagmar Leischow | |
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