# taz.de -- Neues Album von „Feist“: Grauer Alltag als Inspiration | |
> Nach längerer Pause bringt die Kanadierin Leslie Feist „Pleasure“ heraus. | |
> Wie schon auf ihren früheren Alben gelingt es ihr, sich neu zu erfinden. | |
Bild: Arbeit am inneren Selbst: Feist | |
Leslie Feist hatte sich in letzter Zeit rar gemacht. Seit ihrer | |
Albumveröffentlichung „Metals“ im Jahr 2011 war sie weitgehend abgetaucht. | |
Und jetzt gibt es auch keine wirklich zwingende Hintergrundstory, mit der | |
man das Erscheinen von „Pleasure“ beschreiben könnte – vielmehr ist es d… | |
graue Alltag, der der 41-jährigen Kanadierin als Inspiration diente. | |
Offenbar sehnte sie sich nach einem Ort zum Bleiben und zum Leben – ob das | |
ewige Umhertouren der Grund dafür war? Jedenfalls war für Feist das | |
„Zuhause“ durch das ständige Reisen zum Luxus geworden. Erfolgsverwöhnt u… | |
preisgekrönt zog sie sich nach einer letzten kleineren Konzertreihe 2014 | |
aus der Öffentlichkeit zurück und konnte so kochen, Freunde treffen und | |
deren Kinder kennenlernen – all das, was sie on the road verpasste. | |
Im neuen Lebensrhythmus schrieb die Musikerin die elf Songs von „Pleasure“ | |
und nahm diese im Winter 2015/2016 wie schon vorangegangene | |
Veröffentlichungen mit ihrem besten Freund Dominic „Mocky“ Salole auf. | |
Verglichen mit ihrem Durchbruch- und Hit-Album „The Reminder“ klingt | |
„Pleasure“ ehrlicher, ruhiger und erfrischend. | |
Bei simpler Instrumentierung und dem Bandrauschen des Aufnahmegeräts geht | |
es um Feists Selbstwahrnehmung und ihr Bild von sich selbst – sie | |
verarbeitet eine Beziehung, singt über ihre Gefühle, Einsamkeit und | |
Geheimnisse. Das Zusammenspiel mit Mocky am Bass und Schlagzeug ist | |
durchaus experimenteller und eigenständiger als zuvor – Feist gelingt es | |
wie schon auf ihren früheren Alben, sich neu zu erfinden. | |
In einer Zeit, in der sich viele Musiker nach dem Markt richten und diesen | |
bedienen wollen, verwirft die kanadische Musikerin stets ihre | |
erfolgbringende Formel, verbannt sogar Hits wie „1234“ aus ihren Livesets | |
und orientiert sich an neuartigen Ausdrucksweisen und Themen. | |
## Herrlich patzig und dreckig | |
Auf „Pleasure“ zeigt Feist ihre Qualitäten als Gitarristin. Ihr | |
herausragendes Gitarrenspiel ist einer der bemerkenswertesten Aspekte | |
dieses Albums. Die Gitarrenparts, oft die einzige Instrumentierung, sowie | |
die Stimme dominieren „Pleasure“ und sind maßgebend für die Stimmungen, d… | |
die Musikerin mit den Songs heraufbeschwört. Das Saiteninstrument erklingt | |
im ersten Song „Pleasure“ herrlich patzig und dreckig. Durch den bluesigen | |
Riff in der Strophe und den wilden Riff im Chorus überträgt Feist die im | |
Songtext besprochenen Ambivalenzen von Charakteren auf das Musikalische. | |
Auch wenn in den restlichen Songs weniger der Punk regiert, bleibt doch ein | |
ungeschönter Schleier, der sich über Feists neue Musik legt. Sei es das | |
folkige „Get Not High, Get Not Low“ mit dem Klackern und Klicken im | |
Hintergrund oder das in einen Chor übergehende Lied „A Man Is Not His Song“ | |
– ihr Gitarrenspiel klingt immer frei, fast improvisiert, als würde Feist | |
gerade am Lagerfeuer sitzen und Freunden ihre neuen Lieder vorstellen. | |
Diese Rohheit und der Verzicht auf eine „Überproduktion“ der Songs macht | |
„Pleasure“ zu einer wunderbar unprätentiösen Veröffentlichung. | |
## Sinnkrise und Wahrheitsmomente | |
Die Nahbarkeit, die Feist den Hörern in Songs wie „I wish I didn’t miss | |
you“ zeigt, lässt den Hörer in Feists Gedankenwelt eintauchen. Sie sucht | |
nach Erklärungen für die von ihr durchlebten Situationen; es geht um | |
Ausgelaugtsein und die Überwindung dieses Zustands. | |
Auch wenn es gar nicht unbedingt ihre Absicht war, erwächst in den | |
Hörerinnen und Hörern so Zuversicht. Denn insgesamt ist „Pleasure“ ein | |
positives Album. In Interviews erzählt die Musikerin oft, dass sie sich | |
noch immer in einem Zwischenstadium befinde – ihre Sinnkrise sei noch nicht | |
vorbei. Mit einem Album wie diesem ist der neue Anfang aber gemacht. Denn | |
aus Feists Orientierungslosigkeit der vergangenen Jahre sind in ihren | |
Kompositionen Wahrheitsmomente entstanden, die fernab von Selbstmitleid | |
Stärke demonstrieren. | |
4 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Lorina Speder | |
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