# taz.de -- Feist-Konzert im Tempodrom: Sanft und zart, kindlich und abgründig | |
> Zum einzigen Deutschland-Konzert der kanadischen Musikerin Feist war das | |
> Berliner Tempodrom ausverkauft. Am Ende tanzte das Publikum auf der | |
> Bühne. | |
Bild: Präsente Stimme: Leslie Feist wollte das Konzerterlebnis mit dem Publiku… | |
BERLIN taz | Es ist still. Auf einer Leinwand hinter der Bühne läuft ein | |
Stummfilm. Das Berliner Tempodrom füllt sich. Paare, Männer mit angegrauten | |
Schläfen, Frauen mittleren Alters, jede Menge Parkas, Hornbrillen, Schals | |
und Tücher - und einige Lykke-Li-Mädchen. | |
Menschen, die zum gleichen Freundeskreis gehören könnten. Es bleibt ruhig - | |
dabei ist das Konzert ausverkauft, die Restkarten sind heiß begehrt. | |
Unangenehm fallen nur die Saalordner auf, mit ihrer distanzlosen | |
Fahrlehrerattitüde. | |
Als das Licht ausgeht, läuft der Stummfilm weiter. "Die Bar ist während des | |
Konzerts geschlossen" weist ein Fahrlehrer Durstige zurecht. "Watn fürn | |
Konzert?" "Na, Brian & Paul - kennste nich? Ick och nich." Ach sooo, zwei | |
Musiker aus Feists Band haben den Film klanguntermalt. | |
Als Leslie Feist auf der Bühne ihres einzigen Deutschlandkonzerts erscheint | |
und loslegt, ist sofort klar, dass es packend wird. Wo Feist drauf steht, | |
ist auch Feist drin: Die winzige Frau mit ihrer Gitarre, zwei Musiker an | |
Trommeln und Piano, drei Frauen als Backgroundsängerinnen für all die | |
Ahahahahs, die die Feist-Songs ausmachen. | |
Aber Feists Stimme ist auch live so präsent, sanft und zart, kindlich und | |
abgründig, dass man die Backgroundsängerinnen kaum beachtet - bis sie einen | |
wilden Tanz zur Punkrockvariante von "I feel it all" hinlegen. | |
Gute alte Songs wie "Moon My Man" mischt Feist mit den besten ihres neuen | |
Albums "Metals" wie "How come you never go there" und "The bad in each | |
other". Die Bühne ist abwechselnd in rotes, blaues oder grünes Licht | |
getaucht. | |
## Versinken im Klangteppich wie in einer warmen Badewanne | |
Nach dem sechsten Song sind die Farben nicht mehr auseinanderzuhalten. Die | |
Augenlider werden schwer, und man versinkt in dem Klangteppich wie in einer | |
warmen Badewanne mit einem Glas Rotwein an einem Herbstabend. | |
Pärchen nutzen die dunkle Gemütlichkeit für den permanenten Austausch | |
heißer Küsse. Als wäre die Kuschelatmosphäre auch ihr zu viel, holt Feist | |
zur Zugabe ihr Publikum auf die Bühne. Es sei Zeit für einen "sharing | |
moment", jeder solle einen Tanzpartner haben wie in der Highschool. | |
Das Publikum zögert, und Feist fragt provokant, ob die Leute erst noch eine | |
extra Einladung bräuchten. Und schon ist die Bühne voll von Tanzpaaren, von | |
denen sich manche sehr innig, andere überdreht zur Musik bewegen. Und | |
natürlich fotografieren - als gäbe es in diesem Moment nichts Wichtigeres, | |
als diesen sofort auf Facebook zu teilen. Sicher nicht das, was Feist mit | |
"sharing moment" meinte. | |
23 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Julia Niemann | |
Julia Niemann | |
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