# taz.de -- Neuer Corona-Lockdown in Argentinien: Ausgangssperre im ganzen Land | |
> Argentinien hatte 2020 schon einen der weltweit längsten Lockdowns. Jetzt | |
> steigen die Zahlen erneut dramatisch an, und das Land macht wieder dicht. | |
Bild: Krankenschwestern in Buenos Aires fordern bessere Bedingungen; die Corona… | |
BUENOS AIRES taz | [1][Argentinien geht in den verschärften Lockdown]. Ab | |
Samstag gilt zwischen 18 Uhr und 6 Uhr eine Ausgangssperre für neun Tage. | |
Auch tagsüber dürfen sich die Argentinier*innen dann nur in der | |
unmittelbaren Nähe ihres Wohnortes bewegen. „Wir erleben den schlimmsten | |
Moment seit Beginn der Coronapandemie“, begründete Präsident Alberto | |
Fernández in einer Fernsehansprache am Donnerstag die Restriktionen. | |
Ausgenommen sind Personen, die in essentiellen Berufen tätig sind. Für die | |
Versorgung wichtige Geschäfte dürfen öffnen. | |
Seit Anfang April pendelt die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen | |
zwischen den Marken 20.000 und 40.000. Mit 39.652 Neuinfektionen wurde am | |
Mittwoch ein neuer Höchstwert registriert. Im gleichen Zeitraum hat sich | |
die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle auf knapp 500 verdoppelt. | |
Insgesamt wurden in Argentinien 72.622 Todesfälle in Zusammenhang mit dem | |
Coronavirus gemeldet. | |
Hotspots sind längst nicht mehr nur die Hauptstadt und der Großraum Buenos | |
Aires. Auch in zahlreichen Provinzen erreichen die Infektionszahlen nahezu | |
täglich neue Höchstwerte. Und gerade dort droht der Kollaps des | |
Gesundheitssystems. Aus einigen Regionen werden die Wartezeiten auf ein | |
Intensivbett für COVID-19-Erkrankte inzwischen mit Tagen angegeben. Und | |
auch im Landesdurchschnitt liegt die Auslastung der Intensivstationen nur | |
noch knapp unter der 80-Prozent-Grenze. | |
Die Lage ist derart gravierend, dass sich Zentral- und Provinzregierungen | |
auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt haben. Noch vor wenigen Tagen | |
hatte ein Konsens über die Verschärfung der bereits geltenden Restriktionen | |
als unmöglich gegolten. | |
## Die soziale Situation ist extrem angespannt | |
So gilt im Großraum [2][Buenos Aires] bereits seit 17. April von 20.00 Uhr | |
bis 6.00 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre. Und während bereits alle | |
sozialen, sportlichen, kulturellen und religiösen Veranstaltungen in | |
geschlossenen Räumen untersagt sind, gab es heftigen Streit um die | |
Schließung der Kindergärten und Schulen. In vielen Provinzen findet der | |
Unterricht bereits seit vier Wochen nur virtuell statt. Dagegen waren in | |
der Hauptstadt Buenos Aires Kindergärten und Schulen für den | |
Präsenzunterricht geöffnet. Angesichts der dramatischen Zahlen hat | |
Hauptstadtbürgermeister Horacio Rodríguez Larreta nun ebenfalls die | |
Schließung aller Bildungseinrichtungen ab der kommenden Woche angeordnet. | |
Dabei geht Präsident Alberto Fernández mit größter Zurückhaltung vor. Mit | |
dem anstehenden Wochenende und den Feiertagen gilt der neuntägige Lockdown | |
denn auch nur an drei Werktagen. Die soziale Situation im Land ist derart | |
angespannt, dass ein längerer Lockdown nicht durchsetzbar ist. | |
45 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, gab die | |
Statistikbehörde Indec vor wenigen Tagen bekannt. Geschätzt wird zudem, | |
dass rund die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung im informellen Sektor | |
ihr Auskommen suchen muss. Wer keine der sogenannten Changas macht, sich | |
also einen Job als Tagelöhner sucht, hat kein Einkommen. | |
Im vergangenen Jahr hatte Argentinien einen der längsten Lockdowns | |
weltweit. Mit flankierenden Maßnahmen hatte die Regierung versucht, die | |
finanziellen Verluste vor allem der unteren Einkommensschichten | |
aufzufangen, sowie den Unternehmen Lohnzuschüsse gewährt. Auch diesmal | |
kündigte der Präsident finanzielle Hilfen an. Sein Spielraum ist nach über | |
einem Jahr Pandemie aber extrem begrenzt. | |
Dagegen versuchte er Hoffnung mit der Ankündigung von weiteren | |
Impfstofflieferungen zu verbreiten. Doch gerade in Sachen Vakzine hat | |
Alberto Fernández eine Bringschuld. Im November vergangenen Jahres hatte er | |
verkündet, dass bis Ende Februar 13 der 45 Millionen Argentinier*innen | |
geimpft sein würden und so eine weitere Infektionswelle verhindert werde. | |
Doch Mitte Mai sieht die Realität anders aus. Lediglich 8,4 Millionen | |
Argentinier*innen wurde bisher eine Dosis verabreicht. Und nur 2,2 | |
Millionen haben beide Dosen erhalten. Der Anteil der Geimpften an der | |
Bevölkerung beträgt knapp 19 Prozent bzw. 4,9 Prozent. Im weltweiten | |
Vergleich liegt Argentinien damit auf Platz 58, nur knapp vor dem | |
Nachbarland Brasilien, das als absolutes Negativbeispiel für den Umgang mit | |
der Pandemie in Südamerika gilt. | |
21 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Coronapandemie-in-Argentinien/!5766631 | |
[2] /Coronapandemie-in-Argentinien/!5766631 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Argentinien | |
Alberto Fernández | |
Buenos Aires | |
Lockdown | |
Argentinien | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Argentinien | |
Argentinien | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorwahl für den Kongress in Argentinien: Klatsche für die Regierungspartei | |
Die linksprogressive Allianz „Gemeinsame Front“ erreicht nur 31 Prozent der | |
Stimmen. Das ist vor allem ein Denkzettel für Präsident Fernández. | |
Corona-Impfstoff in Lateinamerika: Die Produktion geht schleppend | |
In Lateinamerika kommt die eigene Herstellung von Impfstoffen gegen | |
Covid-19 nur langsam voran. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerungen ist | |
geschützt. | |
Argentinien in der Coronakrise: Massenprotest für mehr Staatshilfe | |
Am Freitag demonstrierten Zehntausende in Buenos Aires. In der Pandemie hat | |
die Armut zugenommen. Und derzeit breitet sich im Land die Anden-Variante | |
aus. | |
Coronapandemie in Argentinien: Buenos Aires macht wieder zu | |
Wegen steigender Infektionszahlen geht Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires | |
in einen weiteren Lockdown. Auch das Impfen kommt nur langsam voran. | |
Argentinien und Corona: Die soziale Not wächst | |
Erst rutschte Argentinien in die Rezession, dann kam der Corona-Lockdown. | |
Vier von zehn Argentinier:innen leben nun unterhalb der Armutsgrenze. | |
Anti-Corona-Protest in Argentinien: Mit Nationalflaggen gegen das Virus | |
Auf Argentiniens Straßen richtet sich der Protest gegen die Quarantäne seit | |
150 Tagen – und die linke Politik von Präsident Alberto Fernández. |