# taz.de -- Neuer Coppola-Film „The Bling Ring“: Die roten Schuhe | |
> Die Regisseurin Sofia Coppola ist oft eine Komplizin ihrer Figuren. In | |
> ihrem Film „The Bling Ring“ brechen Teenager in die Villen von | |
> Hollywoodstars ein. | |
Bild: Markenobsessionen und jugendlicher Glamourwahn: „The Bling Ring“. | |
Was sie sich zum Abschied zuflüstern, wird auf immer ihr Geheimnis bleiben. | |
Es bleibt allein unserer Vorstellung überlassen, ob es zwischen Scarlett | |
Johansson und Bill Murray nach ihrem gemeinsam durchlebten Jetlag und den | |
somnambulen Nächten im befremdlichen Tokio ein Wiedersehen geben wird oder | |
ob die beiden es bei ihrer kurzen, aber intensiven Begegnung belassen. | |
Manchmal sollte ein Regisseur seinen Helden und Heldinnen einfach Momente | |
gönnen, die nur ihnen gehören, in denen sie ganz bei und für sich sind. | |
Sofia Coppola ist eine Meisterin solcher irritierend-schönen Momente, und | |
wohl auch deshalb ist „[1][Lost in Translation]“ ein Film, der nach seinem | |
Abspann nicht zu Ende scheint. Ohnehin ist diese Regisseurin mit ihren | |
Figuren durch eine besondere Komplizenschaft verbunden. Sie kennt sie so | |
gut und fühlt sich ihnen so nahe, dass sie ihnen im Gegenzug stets eine Art | |
Eigenleben lassen kann. Auch möchte sie nicht einfach nur ihre Geschichte | |
erzählen, sondern gemeinsam mit ihnen in Situationen eintauchen, sich | |
Stimmungen überlassen und manchmal darin versinken. | |
In „[2][Marie Antoinette]“ erkundete Coppola gemeinsam mit der im Luxus | |
schwelgenden Königin ein Dasein im goldenen Käfig. In „Lost in Translation�… | |
driftete sie mit den Figuren durch ein übermüdetes Wachsein. In ihrem | |
Regiedebüt „The Virgin Suicides“ wiederum erkundete sie mit ihren | |
halbwüchsigen Heldinnen den merkwürdiger Zustand zwischen Aufbruch und | |
Melancholie an der Schwelle zum Erwachsenwerden. | |
Nun folgt sie in „[3][The Bling Ring]“ einer Handvoll Teenies, die nachts | |
in Los Angeles in die Villen von Stars, It-Girls und anderen Berühmtheiten | |
einbrechen – nicht nur um zu stehlen, sondern um sich wenigstens einen | |
Augenblick lang selbst wie ein Star zu fühlen. Es ist dieser | |
Celebrity-Augenblick, dieser adrenalinumspülte Moment glamouröser Illusion, | |
den Sofia Coppola ihren Figuren mit unvoreingenommenem neugierigem Blick | |
immer und immer wieder verschafft. In rasanter Schnittfolge, zu cooler | |
Musik, einem Rauschzustand gleich, folgt Einbruch auf Einbruch, Ekstase auf | |
Ekstase, Hysterie auf Hysterie. | |
## Säuberlich aufgereihte Pumps | |
In spitze Freudenschreie verfällt die Einbrecherclique angesichts von | |
gigantischen Umkleidezimmern voller Designerklamotten und Luxushandtaschen. | |
Gemeinsam mit den Teenagern stürzt sich die Kamera auf säuberlich | |
aufgereihte Pumps in allen erdenklichen Farben, auf knallige Dessous, | |
überquellende Schmuckkästchen und brillantenbesetzte Markenuhren. Natürlich | |
lässt sich auch das ein oder andere Geldbündel oder Drogenbriefchen | |
zwischen der Edelware finden. Mal im Zeitraffer, mal in Zeitlupe zeigt | |
Coppola zu Songs wie „Gucci Bag“, „Super Rich Kids“ oder „Power“ die | |
Selbstinszenierung der Kids, ihre Verwandlung von normalen | |
College-Studenten zu imaginierten Celebritiy-Gestalten. | |
Sofia Coppolas auf einem realen Fall basierender Film über | |
Markenobsessionen und jugendlichen Glamourwahn mag nach dem dritten | |
Villeneinbruch redundant wirken, doch die Wiederholungen des Vorgangs haben | |
auch eine gewisse Logik, weil sie die Leere des schönen Scheins umkreisen. | |
Da jede Psychologisierung ohnehin nur in eine Ansammlung banaler | |
Beobachtungen münden würde, folgt Coppola lieber dem unermüdlichen Drive | |
von Rebecca, Marc, Nicki, Chloe und Emily. | |
Dennoch scheint sich auch der Film zu fragen, warum die Figuren überhaupt | |
kein Unrechtsbewusstsein kennen. Wohl deshalb greift er hin und wieder auf | |
die Perspektive der Überwachungskameras zurück, um sie im fahlen Licht als | |
Kriminelle kenntlich zu machen. Oder er zeigt sie aus der Ferne als | |
schattenhafte Wesen, die über Zäune klettern, an Türen rütteln oder in | |
fremde Autos steigen. Andererseits: Warum sollten sich die fünf auch eines | |
Verbrechens schuldig fühlen? Sind sie nicht vielmehr zu Gast bei einer | |
obsessiv öffentlichen Person wie etwa Paris Hilton, die sich überall | |
präsentiert und allen „gehört“? | |
## Gegen das Harry-Potter-Image antanzen | |
Sofia Coppola durfte in Hiltons Anwesen drehen. Geradezu grotesk sind diese | |
Szenen, in denen auf Bettwäsche, Kopfkissen, Wandbildern immer nur Paris | |
Hilton zu sehen ist. Die Kids nehmen buchstäblich auf und neben diesem | |
Glamourwesen Platz, streicheln ihren Hund und feiern ausgelassen in Paris’ | |
unterirdischer mit viel Plüsch und Kitsch eingerichteter Bar. | |
In aller Selbstverständlichkeit springt Nicki (Emma Watson) auf eine kleine | |
Bühne, tanzt in wunderbarer anzüglicher Manier gegen ihr Harry-Potter-Image | |
der ewigen Musterschülerin an. Stolz zeigt sie später das Handyfoto herum, | |
so als sei sie tatsächlich geladener Besuch gewesen. Später, wenn der Bling | |
Ring von der Polizei hochgenommen wird, stürzt sich Nicki ins reale | |
Scheinwerferlicht, mit einer perfekt inszenierten | |
Ich-gelobe-Besserung-Show. | |
Und da ist er wieder, der eine ganz besondere Coppola-Augenblick! Bei einem | |
der Raubzüge lässt der milchgesichtige Marc ein Paar rote Stöckelschuhe | |
mitgehen. Wenn er sich in sein Zimmer zurückzieht, holt er sie wie ein | |
Fetisch unter dem Bett hervor und übt das Gehen auf Absätzen. Transsexuelle | |
Performance oder nur ausgelassene Modenschau? Womöglich haben diese Schuhe | |
für Marc eine ganz eigene Aura, und womöglich bedeuten sie für ihn mehr, | |
als nur in die Fußstapfen der Celebrities dieser Welt zu treten. | |
14 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=yYAS92XPvIM | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=1WjsqVwWyrI | |
[3] http://theblingring.de/ | |
## AUTOREN | |
Anke Leweke | |
## TAGS | |
Dokumentarfilm | |
ARD | |
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