# taz.de -- Nachruf auf Rudi Assauer: Schalke war ein Mann | |
> Rudi Assauer inszenierte sich als Malocher und Macho. So verkörperte der | |
> Ex-Schalke-Manager eine besondere Form der Modernisierung des Fußballs. | |
Bild: Ehrung in der Veltina Arena: Der Videowürfel erinnert an den verstorbene… | |
Was bleibt, wenn ein Fußballmanager stirbt? Rudi Assauer ist tot, und hier | |
sieht man: In besonderen Fällen ist es eine ganze Stadt, die bleibt. | |
Das beinah einzige Symbol der Stadt Gelsenkirchen, die große | |
Indoor-Outdoor-Halle, die mittlerweile auf den Namen „Veltins-Arena“ hört, | |
ist nicht nur quasi das Werk von Rudi Assauer, es ist auch das Bild | |
Gelsenkirchens. Sonst ist da nichts. | |
Als Rudi Assauer 1993 zum zweiten Mal vom FC Schalke 04 als Manager | |
verpflichtet wurde, gab es Fanproteste. „Wenn Assauer kommt, gehen wir“, | |
stand auf Plakaten. Der Mann, der einst beim verhassten Nachbarn Borussia | |
Dortmund kickte, hatte auf Schalke keine gute Bilanz hinterlassen, als er | |
das erste Mal seinen Schreibtisch bezogen hatte: 1986 musste er gehen, als | |
„Schuldenmacher“ galt der Manager. | |
Doch es gibt auch viele Stimmen, die in Assauer, der erste Profimanager, | |
der je auf Schalke gewirkt hat, den Mann sehen, der die Grundlagen für | |
spätere Erfolge legte – mit aller Ambivalenz, die eine Modernisierung | |
bedeutet. Es hatte Gründe, dass Assauer 1993 zurückgeholt wurde. | |
Rudi Assauer, mit Gel in den Haaren und Zigarre im Mund, präsentierte sich | |
als sozialer Aufsteiger – eine Art fußballerischer Gerhard Schröder. | |
„Schlotbaron“ nannte ihn die FAZ, der „Pate von Schalke“ war er dem Kic… | |
„Graf Koks von der Gasanstalt“ schrieb der Focus, und die Bunte wählte ihn | |
zu einem der „50 erotischsten Männer Deutschlands“. | |
Diese Attribute fing sich der „schöne Rudi“ (Bild) ein, als Schalke auf dem | |
Sprung war, ein europäischer Spitzenklub zu werden: 1997 der Uefa-Pokal, | |
2001 die „Vier-Minuten-Meisterschaft“, als man in Schalke feierte und | |
Bayern München noch in der Nachspielzeit einen umstrittenen Freistoß | |
verwandelte. | |
## Kapitalisierung als Arbeiterverein | |
2001 wurde auch die große Halle mit Rollrasen und aufschiebbarem Dach | |
eingeweiht. Anfangs hieß sie noch „Arena AufSchalke“, und das verweist auf | |
die Art, wie Assauer den fußballerischen Strukturwandel im Ruhrgebiet | |
vollzog. Assauer war derjenige, der das „mangelhafte Deutsch der früheren | |
Bergleute zum Kultbegriff vermarktet“, kritisierte der Schriftsteller | |
Hans-Dieter Baroth. Da ist was dran. | |
Während einer ersten Schalker Amtszeit hatte Assauer noch zwei arbeitslose | |
Jugendliche, die sich kein Ticket leisten konnten, abgekanzelt: „Hasse kein | |
Pulver, brauch'se nich auf Schalke“ – so jedenfalls [1][zitierte ihn der | |
Spiegel damals]. In seiner zweiten Amtszeit hatte Assauer aber dann das | |
Fundament gelegt, dass ihm solche Sprüche nicht übelgenommen werden: | |
Malochersprüche, vor Heimspielen wird das Steigerlied gespielt, die | |
Mannschaft musste mal in den Pütt fahren, und Fans, die in der | |
AufSchalke-Arena ein Bier trinken wollen, zahlen das mit der Knappenkarte. | |
Es war die Kapitalisierung von Schalke 04 unter dem Etikett des | |
Arbeitervereins. Dass dies auf Akzeptanz stieß, hat nicht – oder nicht nur | |
– mit cleverer PR zu tun, sondern sehr wohl auch damit, dass auch Rudi | |
Assauer nicht daran rührte, den FC Schalke als mitgliedergeführten Klub zu | |
belassen. Bei allen anderen Erstligakonkurrenten ist die Profiabteilung | |
ausgelagert, Konkurrent Borussia Dortmund ist sogar an der Börse. | |
Aber auch wenn Assauer die Grundlagen schuf, dass Schalke modern wurde, der | |
ganz große Erfolg – im Fußball nennt man so etwas Meisterschaft – blieb i… | |
und seinem Verein verwehrt. Und Assauer wusste auch damit umzugehen. | |
„Selbst wenn wir verlieren, haben wir gewonnen, weil wir Schalker sind“, | |
formulierte er, oder: „Wir haben den Schriftzug in unserem Vereinslogo in | |
‚Hosenscheißer 04‘ geändert. Wir konnten ein großes Sponsoringpaket mit | |
einer Windelfirma schnüren.“ | |
Wenn Schalke schon nicht der europäische Überklub werden sollte, dann | |
wusste einer wie Rudi Assauer doch, wie man eine Ästhetik des Scheiterns | |
schaffen kann, quasi als neues Markenimage – mit ironischer Brechung: „Wenn | |
der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Kacke liegt.“ Vermutlich, mit | |
ziemlicher Sicherheit sogar, hat er mit diesem Satz nicht seine | |
Modernisierungen auf Schalke gemeint. Aber passen tut der Satz schon. | |
## Fußballerisch kaum noch präsent | |
Nach der Entscheidung der Stadt Gelsenkirchen, keine Straße nach dem | |
Vereinsidol Fritz Szepan zu benennen – er war in der NS-Zeit ein | |
sogenannter Arisierungsgewinnler – schimpfte Assauer zunächst, dann werde | |
er halt Dixie-Klos nach den verantwortlichen Politikern benennen. Aber | |
Assauer war belehrbar: Als ein renommierter Historiker ein Gutachten zu | |
Szepan vorgelegt hatte, mit der Empfehlung, ihn nicht mehr zu würdigen, | |
akzeptierte der Fußballmanager den Beschluss und wütete nicht mehr. | |
2006 trat Assauer als Schalke-Manager zurück, gefiel sich fortan in der | |
Rolle des coolen Machos – eine Art Malocher-Karikatur, als die er deswegen | |
glaubwürdig rüberkam, weil er das ja schon über Jahrzehnte vorgelebt hatte. | |
Jahrelang war er mit Simone Thomalla liiert, und mit der Schauspielerin | |
zusammen drehte er einen Fernsehspot für die Brauerei Veltins, in der er | |
sein Image persiflierte. | |
Fußballerisch war er kaum noch präsent, von einer Beratertätigkeit für den | |
Wuppertaler SV bekam eine größere Öffentlichkeit kaum etwas mit. 2012 | |
machte er in seinen Memoiren selbst bekannt, dass er an Alzheimer erkrankt | |
war. „Wie ausgewechselt“ hieß das Buch, und es verschaffte dem Ex-Manager | |
noch mal ein bisschen Aufmerksamkeit. Doch die Krankheit schritt fort, | |
Assauer zog sich zurück. | |
Und Assauer wurde auch nicht mehr gebraucht. Der Mann, den er als seinen | |
Nachfolger bei Schalke aufgebaut hatte, Exprofi Andreas Müller, konnte sich | |
nicht lange halten. Mittlerweile sind nicht mehr die Assauers oder | |
Calmunds die Entscheider im Profifußball, sondern Leute, denen man ihr | |
Managersein von Weitem ansieht und anhört. | |
Am Mittwoch ist Rudi Assauer in Herten, wo er auch aufgewachsen war, nach | |
langer Krankheit gestorben. Was von ihm bleibt, ist der Uefa-Pokal 1997. Er | |
steht im Klubmuseum, und das steht in der Arena. Und die Arena wiederum, | |
die steht für ganz Gelsenkirchen. | |
7 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13515026.html | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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