# taz.de -- Nachruf auf Kazim Akboga: Er war niemals egal | |
> Kazim Akboga war ein Mann für den leisen Humor, der gern so gut Klavier | |
> spielen wollte wie Helge Schneider. Jetzt ist er gestorben. | |
Bild: In einer kleinen Neuköllner Erdgeschoss-Butze nahm Kazim Akboga seine Vi… | |
Kazim Akboga war nicht kokett. Er war Künstler. Mit seinem [1][Youtube-Hit | |
„Is mir egal“] war er im Internet schon ein Prominenter, bevor er zum | |
singenden Kontrolleur in dem [2][BVG-Werbevideo] mit dem gleichen Titel | |
wurde. Dass Akboga seinen Song im Original mit der Zeile „Diese Lied | |
scheiße“ beendet, war zwar auch lustig. Aber er meinte das absolut ernst. | |
Kazim Akboga war einer dieser Künstler, die sich selbst ernster nehmen, als | |
ihr Publikum es tut. Es war ihm alles andere als egal, was er tat. Hart im | |
Urteil über sich selbst, stark zweifelnd daran, ob das, was er machte, | |
seinen eigenen Ansprüchen genügte. [3][In einem Interview, dass ich mit ihm | |
während der EM 2016 führte], wiederholte er mehrfach, dass er eigentlich | |
gar nichts könne und wisse. Und dass er sich noch sehr viel beibringen | |
müsse. | |
Akboga wuchs in Schweinfurt als Sohn türkischer Einwanderer auf, wo er im | |
Döner-Laden seiner Eltern arbeitete. Er machte eine Ausbildung zum | |
Fremdsprachenkorrespondent und schrieb nebenbei Gedichte und Texte. Mit 30 | |
hatte er genug von diesem Leben. Er wollte ausprobieren, ob er das Zeug zu | |
mehr hatte, und zog nach Berlin, wo er bei einem Werbeunternehmen als | |
Werbetexter arbeitete. Nach ein paar Monaten schmiss er den Job. Es sei | |
alles viel zu bürokratisch gewesen, der Freiraum für seine Ideen viel zu | |
klein. Und also schloss er sich in seiner kleinen Neuköllner | |
Erdgeschoss-Butze ein und drehte Youtube-Videos. | |
Bis hierher hatte er es ganz alleine geschafft. Ohne Hilfe einer großen | |
Vermarktungsindustrie. Aber jetzt saß er da, in seinem Neuköllner Kiez. | |
Ging man mit ihm dort durch die Straßen, fragten ihn ständig Passanten, ob | |
er der „Ismiregal“ sei, Autofahrer hoben im Vorbeifahren den Daumen, zum | |
Zeichen, dass man ihn gut finde, junge Studentinnen baten in Cafés um | |
Autogramme. | |
Aber trotz des großen Erfolgs durch den BVG-Spot kannte kaum jemand den | |
jungen Mann mit Namen. Er blieb der „Ismiregal“-Typ, selbst unter | |
Comedian-Kollegen. Hätte er seinen Twitter-Account „@ismiregal“ genannt, er | |
hätte tausende Follower gehabt. Hat er aber nicht. Er wollte nicht auf | |
diese Figur reduziert werden. | |
## Eigentlich ein Mann für den leisen Humor | |
Akbogas große Vorbilder waren nicht die türkisch-deutschen Comedians. In | |
dieser Ecke wollte er nicht stehen. Mit dem „Ismiregal“-Typ hatte er sich | |
da zwar selbst hingestellt, aber da wollte er wieder raus. „Der redet ja so | |
wie die ersten Einwanderer in den 60er Jahren“, sagte er über seine Figur. | |
Stereotype bedienen, den lustigen Türken geben, sich auf das politische | |
Kabarett spezialisieren, sich Erdogan und die Türkei vornehmen – er hätte | |
großen Erfolg haben können. Das wollte er aber nicht. Seinen Video-Beitrag | |
zur Debatte Erdogan gegen Böhmermann nahm er nach kurzer Zeit wieder aus | |
dem Netz. Er hatte keine Lust auf politische Schlammschlacht. Er wollte | |
nicht, dass die Leute aus politischer Solidarität über seine Witze lachten, | |
sondern weil sie lustig waren. Aber sein Humor war nicht zum Brüllen | |
komisch. Er war ein bisschen schräg, der Wortwitz subtil. Eigentlich ein | |
Mann für den leisen Humor, der nur durch seine Verkleidung wie ein bunter | |
Spaßvogel wirkte. | |
Es waren Leute wie Urban Priol, Johann König und vor allem Helge Schneider, | |
die er als Vorbilder nannte. Akboga wollte nicht auftrumpfen mit dumpfen | |
Sprüchen, er wollte mit der Sprache spielen. Und er wollte so gern so gut | |
Klavier spielen wie Helge Schneider. | |
Hin und wieder trat er nach dem BVG-Erfolg in Provinz-Discos auf, hier und | |
da hatte er eine Einladung in die Show anderer Comedians und trat bei | |
„Deutschland sucht den Superstar“ auf. Erfolglos. Sein Humor aber verstand | |
man dort nicht. Es klingt wie ein abgegriffenes Stereotyp, aber trotzdem | |
ist es wahr: Großer Humor und tiefe Traurigkeit sind Zwillinge. Sie liegen | |
sehr nah beieinander, gefährlich nah für ein Leben. | |
Kazim Akboga ist tot. Er war niemals egal. | |
14 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=ob0l82NNS28 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=xvcpy4WjZMs | |
[3] /Kazim-Akboga-ueber-Fussball-und-Kunst/!5314524 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
## TAGS | |
Kazim Akboga | |
BVG | |
Helge Schneider | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2021 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Laissez-faire in Berlin: Ein richtiger Saftladen | |
Die „Is' mir egal“-Einstellung macht das Leben in Berlin schön. Leider ist | |
es auch das politische Leitprinzip der Berliner Regierung. | |
Kazim Akboga über Fußball und Kunst: „Neuer spielt, oder?“ | |
Als singender BVG-Kontrolleur wurde Akboga mit „Is mir egal“ bekannt. Zur | |
EM spricht er über seinen Song zum Turnier, Deutschlandflaggen und | |
Orakeltiere. |