# taz.de -- Milliardäre im griechischen Fußball: Draht nach oben | |
> Oligarch Ivan Savvidis ist für Paok Saloniki und die gesamte Liga | |
> unverzichtbar – trotz seines Pistolen-Ausrasters bei einem Top-Spiel. | |
Bild: War mit einer Schiri-Entscheidung nicht einverstanden: „Pistolenmann“… | |
ATHEN taz | Es war ein Ausraster. Mit einer Pistole am Gürtel war er auf | |
den Rasen gestürmt, nachdem der Schiedsrichter zuvor ein Tor seiner | |
Mannschaft wegen einer Abseitsstellung annulliert hatte. Danach tauchte er | |
unter. Ein Haftbefehl war gegen ihn erlassen worden. Später bat er um | |
Entschuldigung. Da hatte die griechische Regierung die nationale | |
Fußballmeisterschaft schon gestoppt. Er verkaufte Firmenbeteiligungen in | |
Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar. Dann war er weg, weil es in Russland | |
einen Präsidenten zu wählen gab. | |
Ivan Savvidis, 58, Eigner des Fußballklubs Paok Saloniki, hat eine | |
turbulente Woche hinter sich. Die ist noch lange nicht aufgearbeitet. | |
Nachdem das Top-Spiel am 25. Spieltag in Griechenlands Super League | |
zwischen Paok und Tabellenführer AEK Athen am 11. März nach Savvidis’ | |
Ausraster beim Stand von 0:0 unterbrochen worden ist, droht der | |
Internationale Fußballverband den Griechen gar mit dem Fußball-Grexit. | |
Savvidis schaffte in wenigen Minuten das, was sein Klub auf dem grünen | |
Rasen in seiner 92-jährigen Vereinsgeschichte noch nie geschafft hat: er | |
sorgte für weltweites Aufsehen. Überall stellt man sich die Frage: Wer ist | |
der Mann mit dem Revolver? Und: was hat so einer im Fußballgeschäft | |
verloren? Bei Paok gilt jedoch auch nach dem präsidialen Platzsturm: Eine | |
Zukunft ohne Savvidis? Unvorstellbar! | |
Das hat Gründe: Vor der Ära Savvidis lag Paok finanziell am Boden. Auch | |
sportlich drohte dem zweifachen Meister, der zuletzt 1985 den Titel holte, | |
der Absturz. Savvidis erwarb die Paok-Aktien im August 2012 für 10,3 | |
Millionen Euro. Seither hat er mehr als 80 Millionen in den Klub gesteckt. | |
Doch die Schwarz-Weißen schreiben weiter tiefrote Zahlen. | |
Ohne Savvidis keine Zukunft für den Klub | |
In dieser Saison beläuft sich der Klub-Etat auf 55 Millionen Euro. Die | |
Klubeinnahmen decken aber nicht einmal die Hälfte der Ausgaben. Im August | |
verpasste Paok dann auch noch den Einzug in die Gruppenphase der Europa | |
League. Das Urteil der Sportjustiz steht zwar noch aus, doch nach Savvidis’ | |
Revolver-Show kann sich Paok, das bis zum Derby nur zwei Punkte hinter AEK | |
Athen lag, auch die diesjährige Meisterschaft abschminken. Unter Savvidis | |
holte Paok nur einen Pokalsieg. | |
Alles zu wenig, um den Klub in die Gewinnzone zu hieven. Savvidis muss | |
weiter tief in die Tasche greifen. Bis zu 10 Millionen Euro will er dafür | |
lockermachen, wie in Griechenland kolportiert wird. Für Savvidis sind das | |
Peanuts. Der Pontosgrieche, in Georgien geboren, in der südrussischen Stadt | |
Rostow am Don aufgewachsen, hatte sich einst als Clown verdingt, wurde dann | |
vom einfachen Arbeiter zu Sowjetzeiten zum Chef von Donskoy Tabak CJSC, dem | |
größten Tabakhersteller in Russland. | |
Heute ist er flüssiger denn je. Denn ausgerechnet in diesen hektischen | |
Tagen verkaufte Savvidis Donskoy Tabak an Japan Tobacco. Savvidis | |
beteuert, der Deal sei schon vor Monaten eingefädelt worden. Mit dem | |
jüngsten Fußball-Eklat habe er nichts zu tun. Dem griechischen Fußball wird | |
Savvidis trotz allem treu bleiben. Dabei ist er erst seit 2013 griechischer | |
Staatsbürger. 2003 und 2007 ist er noch für die Putin-Partei „Vereinigtes | |
Russland“ in die Duma gewählt worden. Wiederholt ist er von Russland ob | |
seiner „Verdienste für das Vaterland“ ausgezeichnet worden. | |
Dass Savvidis für den griechischen Fußball beinahe unverzichtbar ist, liegt | |
auch daran, dass gleich zwei seiner Firmen, der nordgriechische | |
Sodawasserhersteller Souroti und das Nobelhotel Makedonia Palace im Herzen | |
von Thessaloniki, Hauptsponsoren der Super League sind und dafür rund 5 | |
Millionen Euro für diese sowie die nächste Saison zahlen. Die kleineren | |
Klubs sind also indirekt auch abhängig von Savvidis. | |
Nur einer von vielen Oligarchen | |
Ohne Oligarchen läuft im griechischen Fußball ohnehin so gut wie nichts. | |
Bei Olympiakos Piräus heißt der reiche Gönner Evangelos Marinakis, bei AEK | |
Athen Dimitris Melissanidis, und bei Panathinaikos Athen ist es Jannis | |
Alafouzos, der den Laden am Laufen hält. Unter dem seit 2015 regierenden | |
Premier Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) hat sich | |
an diesen Zuständen nichts geändert. | |
Der nun als Revolverheld bekannt gewordene Savvidis ist sogar so etwas wie | |
Tsipras’ Lieblingsoligarch. Nachdem die Regierung Tsipras 2017 eine | |
38-Millionen-Euro-Strafe für den damals zum Savvidis-Imperium gehörenden | |
nordgriechischen Tabakkonzern Sekap erlassen hat, verglich der Milliardär | |
Tsipras prompt mit Wladimir Putin. Tsipras wird sich gewiss darüber freuen, | |
dass der russisch-griechische Geschäftsmann im Besitz von Zeitungen und | |
eines Fernsehsenders ist, die über Syriza eher positiv berichten. Nach | |
außen hin mag sich Tsipras zwar vom Pistolero distanziert haben, doch einen | |
Bruch mit Savvidis und damit den geschätzt eine Million Paok-Anhängern will | |
sich Syriza gewiss nicht leisten. | |
Die müssen derzeit wie die Fans der anderen Klubs ohne Fußball auskommen. | |
Noch steht nicht fest, wann der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird. Aller | |
Drohgebärden zum Trotz: Anfang April dürfte es wieder losgehen. | |
19 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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