# taz.de -- Migranten an der US-Südgrenze: Geflüchtete fürchten Abschiebung | |
> An einem US-Grenzort zu Mexiko sitzen bis zu 14.000 Migranten fest, die | |
> meisten aus Haiti. US-Präsident Biden forciert die schnelle Abschiebung. | |
Bild: Tausende campieren nahe der Grenzstadt Del Rio unter einer Brücke | |
DEL RIO/WASHINGTON dpa | Angesichts Tausender Migranten in der | |
US-Grenzstadt Del Rio setzt die US-Regierung auf schnelle Abschiebungen. | |
Zahlreiche Haitianer und Menschen aus anderen Ländern haben sich seit | |
vergangener Woche unter einer Brücke, welche die USA und Mexiko verbindet, | |
versammelt. Das US-Heimatschutzministerium kündigte am Samstag an, | |
zusätzliche Transportmittel zu beschaffen, um Tempo und Kapazität von | |
Abschiebeflügen nach Haiti zu erhöhen. | |
Die Situation an der Grenze wirft ein Schlaglicht auf die | |
[1][Einwanderungspolitik von US-Präsident Joe Biden] – die Zahl | |
aufgegriffener Migranten an der US-Südgrenze ist in den vergangenen Monaten | |
rasant gestiegen. | |
Der Bürgermeister von Del Rio, Bruno Lozano, hatte zuletzt dringend Hilfe | |
des Bundes angefordert. Lozano sagte, die Migranten stammten überwiegend | |
aus Haiti, kämen illegal ins Land und warteten darauf, von der | |
US-Grenzschutzbehörde aufgegriffen zu werden. Diese sei jedoch überfordert | |
angesichts des großen Andrangs. US-Medien berichten von rund 14.000 | |
Menschen, die in Del Rio unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharrten. | |
Das Heimatschutzministerium will nun Migranten auf andere Orte in der | |
Region umverteilen, um sie schneller abfertigen zu können. Dort soll | |
sichergestellt werden, dass Menschen ausgewiesen würden, wenn sie sich | |
unrechtmäßig in den USA aufhielten. Das Weiße Haus habe die zuständigen | |
US-Behörden angewiesen, mit der haitianischen und anderen Regierungen in | |
der Region zusammenzuarbeiten, um den Menschen nach ihrer Rückkehr Hilfe | |
und Unterstützung zu bieten, hieß es weiter. | |
## Kritik an Bidens Politik aus den eigenen Reihen | |
Der bitterarme Karibikstaat Haiti war Mitte August von einem schweren | |
[2][Erdbeben] erschüttert worden. Mehr als 2.000 Menschen kamen ums Leben. | |
Kurz zuvor war der Präsidenten [3][Jovenel Moïse] ermordet worden. Viele | |
Menschen sind bereits nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 aus dem Land | |
nach Südamerika geflohen. Beobachter gehen davon aus, dass die | |
wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie sie erneut zur Flucht getrieben | |
haben. Auf Bildern war zu sehen, wie die Menschen durch knietiefes Wasser | |
wateten und im Schlamm unter der Brücke, die über den Fluss Rio Grande | |
führt, provisorische Zelte errichteten. | |
Angesichts der Krise gibt es auch deutliche Kritik am demokratischen | |
Präsidenten Biden. Lozano, der Bürgermeister der 36.000-Einwohner-Stadt Del | |
Rio, ist ebenfalls ein Demokrat und kritisierte schon vor Monaten, es sei | |
völlig unzureichend, wie die Bundesregierung mit der Situation an der | |
Südgrenze der USA umgehe. Die demokratische Abgeordnete Ayanna Pressley | |
forderte Bidens Regierung auf, die Abschiebeflüge nach Haiti sofort zu | |
stoppen. Republikaner hingegen werfen Biden eine zu laxe Politik an | |
US-Grenze zu Mexiko vor. | |
Zuletzt ist die Zahl aufgegriffener Migranten dort deutlich gestiegen. Im | |
Juli hatte die Grenzpolizei CBP nach eigenen Angaben rund 213.000 Menschen | |
beim Versuch der illegalen Einreise aus Mexiko aufgegriffen – so viele wie | |
seit gut 20 Jahren nicht mehr in einem Monat. Im August waren es laut CBP | |
mehr als 208.000 Menschen gewesen. | |
Das US-Heimatschutzministerium betonte, dass die Mehrheit der Migranten | |
unter der sogenannten Titel-42-Regelung abgeschoben werde. Die Richtlinie | |
wurde unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump aufgrund der | |
Coronapandemie eingeführt und sieht eine schnelle Abschiebung vor. | |
Begründet wird dies mit der Gefahr einer Einschleppung von Covid-19. | |
## ACLU: „Die Regierung hat große Töne gespuckt!“ | |
Unter Biden wurde die Regelung verlängert. Menschenrechtsorganisationen | |
werfen der Regierung vor, die Pandemie nur als Vorwand zu nutzen, um | |
Menschen ohne ausreichende Prüfung und Gerichtsanhörung pauschal | |
abzuschieben. | |
„Irreguläre Migration stellt eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit | |
und das Wohlergehen der Grenzgemeinden und für das Leben der Migranten | |
selbst dar“, erklärte das Ministerium. Die Grenzen seien nicht offen, | |
Menschen sollten sich nicht auf die „gefährliche Reise“ begeben. | |
„Diese Regierung hat große Töne gespuckt, als sie sagte, sie wolle ein | |
humanes Asylsystem“, sagte hingegen Lee Gelernt, ein Anwalt der | |
Bürgerrechtsorganisation ACLU, der New York Times. Es sei entsetzlich, dass | |
die Regierung die pauschale Botschaft sende, dass die Grenze geschlossen | |
sei. Sie erkenne nicht an, dass die Menschen keine andere Wahl hätten, als | |
zu fliehen. | |
19 Sep 2021 | |
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