# taz.de -- Letzter „Polizeiruf 110“ mit Von Meuffels: Der eleganteste Spie… | |
> Nun läuft der letzte „Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt als Kommissar | |
> von Meuffels. Schade, denn solche Figuren werden im deutschen TV-Krimi | |
> selten. | |
Bild: Hans von Meuffels (Matthias Brandt) und Nadjy Micoud (Maryam Zaree) am Ta… | |
Regisseur und Autor Christian Petzold ist Fan von Borussia Mönchengladbach. | |
Zwei „Polizeirufe“ mit dem Münchener Ermittler Hanns von Meuffels (Matthias | |
Brandt) [1][hat er schon geschrieben und gedreht] – und jedes Mal | |
versteckte er darin Figuren mit Namen aktueller oder ehemaliger | |
Borussia-Spieler. Auch in seinem dritten Meuffels-Krimi, der an diesem | |
Sonntag läuft, konnte Petzold es nicht lassen: Die Therapeutin, die sich um | |
die Tochter einer ermordeten Frau kümmert, heißt: Stindl. So wie, na, auch | |
einer aus Gladbach. | |
Matthias Brandt dagegen ist Fan von Werder Bremen. Und weil dieser | |
„Polizeiruf 110“ mit dem Titel „Tatorte“ auch der letzte „Polizeiruf�… | |
Brandt sein wird, hat sich Petzold noch ein kleines Abschiedsgeschenk | |
einfallen lassen: Meuffels von Maryam Zaree gespielte Kollegin heißt: Nadja | |
Micoud. | |
Micoud! Wie Johan Micoud von Werder Bremen. Der eleganteste Spieler, der | |
jemals am Bremer Osterdeich gegen einen Ball getreten hat. | |
Brandts Figur Hanns von Meuffels ist ebenjenem Johan Micoud, dem einstigen | |
Spielmacher, der mittlerweile Winzer ist, gar nicht so unähnlich. Micoud | |
war plötzlich da, führte das zuvor irrlichternde Bremen zurück an die | |
Spitze, 2004 gar zum Double aus Pokal und Meisterschaft, zauberte und ging | |
dann einfach wieder. Wie der Protagonist in einer Kurzgeschichte. | |
## Mann ohne „Farbe“ | |
Im Jahr 2011 war auch dieser von Meuffels einfach da. Er kam aus dem Norden | |
nach München, so viel bekamen die Zuschauer*innen mitgeteilt. Ansonsten gab | |
es nicht viel. Meuffels war so frei auf dem Spielfeld wie einst Micoud. Er | |
hatte keinen Stab von Leuten um sich, die es zu zeigen und bedienen galt, | |
nicht immer dasselbe Auto, noch nicht mal das immer gleiche Büro. Es war | |
einfach nur Meuffels. Autoren und Regisseure und Brandt selbst konnten sich | |
kreativ austoben wie ein Zehner auf dem Fußballplatz. „Die Idee war, eine | |
Figur sich entwickeln zu lassen, durch die Situationen, die sie erlebt, und | |
nicht durch Vorgaben“, sagt Brandt. | |
So was ist eigentlich nicht mehr vorgesehen in der deutschen | |
Fernsehkrimilandschaft. Vor allem nicht am Sonntagabend in der ARD. Wenn | |
dort ein neues ErmittlerInnenteam eingeführt wird, muss es Nischen | |
besetzen, jeder „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ bedient – wie es so sc… | |
heißt – eine gewisse „Farbe“. Hier der Hauptkommissar mit schwerstem | |
seelischem Trauma, dort die junge Kommissarin mit Migrationshintergrund und | |
viel Wut, da der junge naive Kollege und so weiter. | |
So ist am Sonntag ab 20.15 Uhr für jede und jeden was dabei. Attribut, | |
Attribut, Attribut. Und alles muss in der ersten Folge angerissen und | |
danach konserviert werden. Brandt vergleicht die Schauspielerinnen und | |
Schauspieler mit Jongleuren im Zirkus, die ihre Teller auf den Stäben in | |
Dauerrotation halten müssen. „Die müssen hin und her rennen und diese | |
Attribute, die sich andere Leute für sie ausgedacht haben, bedienen. Die | |
kommen gar nicht zu einer Entwicklung.“ | |
Deswegen muss jeder Dialog ein kleiner Vortrag sein, vollgepackt mit | |
Informationen. „Man hat oft das Gefühl, dass man Funktionen sieht, aber | |
keine überraschenden menschlichen Wesen“, sagt Brandt. Alle ZuschauerInnen | |
sollen schließlich sofort kapieren, dass der Hauptkommissar jetzt gerade | |
wieder schwer trägt am Verlust seiner Familie. Oder dass die | |
Hauptkommissarin mit dem Verlassen-worden-Sein nicht klarkommt. Also: Bier. | |
Tresen. Vielleicht ein Schnaps. | |
## Die an Meuffels Seite | |
„Man sieht sehr oft, wofür jemand da ist in einer Geschichte“, sagt Brandt. | |
Meuffels stand für nichts außer sich selbst. Genauso wie wir alle halt. | |
Denn wofür sind wir da? „Wir wissen das auch sonst nicht im Leben“, sagt | |
Brandt. „Wir müssen uns damit abfinden.“ | |
Aber während Meuffels keinen Attributrucksack mit sich herumschleppen | |
musste, hatten andere schon genau dieses Gefühl: Denn auch der Münchener | |
„Polizeiruf 110“ startete als Duo. Die ersten fünf Folgen war | |
Polizeimeisterin Anna Burnhauser (Anna Maria Sturm) an Meuffels Seite – | |
dann stieg Sturm aus. Ihr sei klar geworden, dass sie dort nur für die | |
„bayerische Farbe“ zuständig gewesen sei, sagte sie 2013 der taz. Und sie | |
war eben nur: die an Meuffels Seite. | |
An diesem Sonntag trifft er Burnhauser zufällig im Park wieder. „Ich hab | |
erst gedacht, Sie wären hier vorbeigegangen, weil Sie mich nicht erkannt | |
haben“, sagt er. „Ehrlich gesagt bin ich vorbeigegangen, weil ich Sie | |
erkannt habe“, sagt sie. | |
„So schlimm, ja?“ | |
„Na ja, schön war es nicht bei Ihnen.“ | |
## Mysteriös und unnahbar | |
Nach Sturms Weggang wurde der „Polizeiruf 110“ zu Hanns-von-Meuffels- und | |
damit auch zu Matthias-Brandt-Festspielen. Das klingt negativ, nach | |
Einzelkämpfer, nach Alphatier und jemandem, der anderen den Platz im | |
Rampenlicht nicht gönnt. Individuelle Stärke hat immer etwas Anrüchiges. | |
Aber Brandt kann solche Figuren ausfüllen. Er hat die Präsenz, er hat die | |
Tiefe – und er ist trotz seiner vielen Filme immer noch mysteriös und | |
unnahbar genug, um nicht das eine Klischee bedienen zu müssen. Was wissen | |
Sie über den privaten Matthias Brandt? Er spielt nicht auch noch außerhalb | |
des Krimis seine berühmte Rolle weiter – wie so manch anderer Kommissar. | |
Zwinker, zwinker, Jan Josef Liefers. Dazu kommt: Obwohl er markant | |
aussieht, ungefähr so wie das Herrchen von Garfield, kann man auf Brandt | |
immer noch alles projizieren: böse, lieb, charmant, rau, witzig, spießig. | |
Und so kam an Meuffels Seite zwar eine neue Frau, Constanze Herrmann | |
(Barbara Auer), aber nur in drei der folgenden zehn „Polizeirufe“. Nur in | |
denen, die Autor Petzold verantwortet hat. Die Show gehörte weiter | |
Meuffels. Er war der Johan Micoud. Barbara Auer war als Herrmann eher wie | |
die Bremer Mittelfeldarbeiter Frank Baumann oder Fabian Ernst. Gut, dass | |
sie da waren, aber am Ende spielte eben doch Micoud den entscheidenden | |
Pass. | |
Und wie die Bremer Kurzgeschichte Micoud war auch bei Meuffels vieles | |
assoziativ, es wurde nicht viel erklärt: Wo kommt der her? Was ist sein | |
Geheimnis? Egal. So ist das nun mal im Leben. Da liest man ja auch nicht | |
jedem Kollegen erst mal die eigene Biografie vor. | |
Meuffels war da, er machte seine Arbeit, versuchte sein Privatleben so gut | |
es geht auf die Reihe zu kriegen, und an diesem Sonntag um 21.45 Uhr ist es | |
dann einfach vorbei. Nicht mit Meuffels. Der tritt einfach nur genauso | |
plötzlich, wie er ins Bild kam, wieder aus dem Bild – „und macht dann | |
woanders weiter, wo das deutsche Fernsehen nicht dabei ist“, sagt Brandt. | |
Als Winzer etwa. | |
## „Das ist doch Scheiße“ | |
Es war auch nicht Brandt, der nicht mehr konnte. Sagt er. Die Figur Hanns | |
von Meuffels konnte nicht mehr. Das sieht man auch in seinem letzten Fall. | |
Meuffels zerbröselt vor den Augen des Zuschauers. Er will Constanze | |
Herrmann zurück, er will diesen Fall lösen, in dem auf dem Parkplatz eines | |
Autokinos einer Frau zuerst ins Bein geschossen wird, dann schleppt sie | |
sich zurück zu ihrem Auto, schnallt panisch ihre sieben Jahre alte Tochter | |
ab, schreit sie an, sie solle wegrennen, der Täter schießt der Kleinen | |
hinterher, doch sie entkommt, die Mutter wird hingerichtet. Fünf Schüsse. | |
Zwei davon in den Kopf. | |
Und Meuffels will seiner Kollegin Micoud eigentlich zeigen, dass er ihre | |
Arbeit schätzt, aber dann spricht sie immer in Fragen. „Kunstpausen?“, | |
blafft Meuffels sie an, „das ist doch Scheiße. Das ist wie im Fernsehen. Wo | |
haben Sie das denn gelernt?“ Oder sie nimmt ihn mit dem Handy auf, während | |
er auf dem Parkplatz die Tat nachspielt: „Was machen Sie denn da? Filmen | |
Sie mich etwa? Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Wie eine dämliche | |
Gafferin stehen Sie da rum!“ | |
Meuffels wirkt einsam. Und doch lässt er niemanden an sich ran. Nicht bei | |
der Arbeit. Und die eine, die er an sich ranlassen würde, die will nicht. | |
Es ist zum Verzweifeln. | |
Und dann geht er ab. | |
Und wie immer in den Meuffels-„Polizeirufen“ bleibt vieles unbeantwortet: | |
zum Beispiel, warum das Betreiberehepaar des Swingerclubs, in dem Meuffels | |
und Micoud ermitteln, eigentlich Kapellmann heißt? Kapellmann! Wie Jupp | |
Kapellmann, der seine besten Jahre beim 1. FC Köln und beim FC Bayern hatte | |
– den großen Rivalen der Borussia aus Mönchengladbach? | |
16 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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