# taz.de -- Labelpleite in Berlin: Louisville macht dicht | |
> Peaches, Jeans Team, Kissogram, Puppetmastaz: Das Berliner Indielabel | |
> Louisville hatte sie alle. Mit seiner Pleite stirbt ein weiterer Teil des | |
> noch nicht gentrifizierten Berlin-Mitte der 90er. | |
Bild: Schade. | |
"Die Menschen haben sich entschlossen, keine Schallplatten mehr zu kaufen, | |
und wir haben uns entschlossen, keine Schallplatten mehr zu machen", | |
zitiert Patrick Wagner einen ehemaligen Künstler seines Labels. Nun ist | |
Wagners Plattenfirma selbst Geschichte. Am Montag gab Louisville Records | |
seinen bankrottbedingten Abschied aus der Branche bekannt. | |
Die Firma existierte seit 2004. Es war der Versuch, in Berlin ein | |
familiäres Plattenlabel mit zwei Hand voll Künstlern aus Deutschland, | |
Österreich und der Schweiz aufzuziehen, um langfristig mit diesen zu | |
arbeiten. Genau dieser Weg scheint in den momentan mit | |
Überschallgeschwindigkeit verlaufenden Zyklen unmöglich. Obwohl der | |
Plattenmulti Universal als Geldgeber Louisville zweimal einen | |
Vertriebsvorschuss gewährte, rentierte sich die Aufbauarbeit nicht. In den | |
Nullerjahren war die Kalkulation, mit ausschließlich unbekannten Künstlern | |
kommerzielle Erfolge zu erzielen, riskant. "Jedes Album musste in sich | |
funktionieren", sagte Wagner der taz. Wagner hatte eigene Erfahrungen als | |
Musiker in der thinking mans Metalband Surrogat gemacht. Zu den | |
bekanntesten Namen auf seinem Label zählten die HipHop-Marionetten Band | |
Puppetmastaz, die Berliner Electropopper Jeans Team und der österreichische | |
Singer-Songwriter Florian Horwarth. Wagner wählte zusammen mit seiner Frau | |
Yvonne die Musik aus, begleitete die Künstler ins Studio, arbeitete | |
minutiös auf den Moment der Plattenveröffentlichung hin. "Diese Expertise | |
ist nicht mehr gefragt. Und trotzdem: Es macht für mich einen Unterschied, | |
ein Album zu gestalten, um damit zu touren, oder einen Song für lau ins | |
Netz zu stellen und zu warten, dass man entdeckt wird." | |
Topseller von Louisville verkauften um die 20.000 Einheiten, meistens blieb | |
es bei 2.000 bis 5.000 Stück. "Achtungserfolge", wie Wagner selbstkritisch | |
anmerkt. | |
Mit Patrick Wagner verliert die Berliner Labellandschaft eine integre | |
Figur, die dem Nachwuchs zahllose Chancen gegeben hat. Während das Berliner | |
Clubleben und seine elektronische Musik im In- und Ausland für Aufsehen | |
sorgen, werden Rocklabel wie Louisville eher stiefmütterlich behandelt. | |
Dabei steht Wagner für ein inzwischen ausgestorbenes "Alt"-Berlin: das noch | |
nicht gentrifizierte Mitte der Neunzigerjahre. Dort entdeckte er etwa die | |
kanadischen Musiker Peaches und Gonzalez und leistete für deren | |
internationale Erfolge Wühlarbeit, genau wie für den Bekanntheitsgrad | |
deutscher Bands von Brüllen bis Kante. "Heute spielt Musik in Mitte keine | |
Rolle mehr", sagt Wagner. | |
Für seine großspurigen Behauptungen gefürchtet und für seine ansteckende | |
Euphorie geliebt, wirkt der 42-Jährige in diesen Tagen ungewohnt | |
zurückhaltend, ja geradezu zerknirscht. "Eine Surfschule in Portugal", sei | |
sein nächstes, nicht ganz ernst gemeintes Projekt. Der von | |
anarchosyndikalistischen Wanderarbeitern inspirierte Refrain von "Das | |
Zelt", dem Hit von Jeans Team aus ihrem 2006er Album "Kopf Auf", hat sich | |
für ihn bewahrheitet. "Kein Gott/Kein Staat/Keine Arbeit/Kein Geld". | |
JULIAN WEBER | |
5 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
Julian Weber | |
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