# taz.de -- Kurdisches Filmfestival Berlin: Mehr als Yılmaz Güney | |
> Für viele kurdische Frauen ist Emanzipation nicht vom bewaffneten Kampf | |
> zu trennen. Weshalb das so ist zeigen kurdische Filmemacher*innen. | |
Bild: „Folge meiner Stimme“ von Hüseyin Karabey | |
Für Rojen, eine der zwei Protagonistinnen von „Gülistan, Land of Roses“, | |
ist das Machtverhältnis zwischen Mann und Frau klar definierbar: Keine | |
verheiratete Frau ist glücklich, weil sie ein für Sklaverei bestimmtes | |
Leben führt. | |
Deshalb kämpfen die Frauenguerillas nicht nur gegen den sogenannten | |
„Islamischen Staat“ (IS), sondern auch gegen die patriarchalen Strukturen | |
in ihrer eigenen Gesellschaft. Der Krieg gegen die Inkarnation des | |
Patriarchats namens IS werden in dem Dokumentarfilm von Regisseurin Zaynê | |
Akyol durch spannungsvolle Momente an den Fronten greifbar gemacht. | |
Während sich die Befreiung der Frauen in Europa hauptsächlich auf einen | |
Kampf um strukturelle Veränderungen konzentriert, greifen die | |
PKK-Kämpferinnen zur Waffe, um gegen die Versklavung der Frauen durch den | |
IS vorzugehen. | |
„Für Sozdar ist die Frau die fundamentale moralische Kraft, daher hat das | |
kapitalistische System, die Verkörperung der Unsittlichkeit, keinen Grund | |
sich auf sie zu verlassen.“ Daher soll es zuerst auf sie zielen: „Schlage | |
die Frau, um die Leute zu schlagen und sie zu zerstören.“ Die Regisseurin | |
begleitet eine Einheit der Frauenguerillas, und führt intensive Gespräche | |
mit ihren Protagonistinnen über Begrifflichkeiten wie Freiheit und Tod, die | |
ihre Alltagsrealität und überraschende Zuversicht in dieser äußerst | |
gefährlichen Lebenssituation bebildern. | |
## Von Emanzipation bis Putsch | |
Spielfilme, Dokumentationen, Podiumsdiskussionen, ein Workshop und eine | |
Abschlussparty: Das Kurdische Filmfestival im Babylon-Mitte soll eine | |
Begegnungsstätte für das Berliner Publikum und die kurdischen | |
Filmemacher*innen sein. Das Ziel des Festivals sei ein Programm | |
zusammenzustellen, das die Diversität der kurdischen Gesellschaft und die | |
aktuelle politische Situation der Kurd*innen widerspiegelt. | |
Im Rahmenprogramm sollen die Missstände, welche die Filmemacher*innen in | |
ihren Filmen thematisieren, intensiv diskutiert und nachvollziehbar gemacht | |
werden. | |
Die zentralen Motive der ausgewählten Filme sind die kurdischen | |
Guerilla-Bewegungen, Emanzipation der kurdischen Frauen und die politische | |
Situation in der Türkei – etwa der Militärputsch von 1980 und seine | |
weitreichenden Folgen. Insgesamt ergibt sich das Bild eines Volkes auf der | |
Suche nach der Freiheit, und im ständigen Widerstand gegen Willkür und | |
Repressionen. | |
## Vankatzenzüchter und Armenier*innen | |
Der Spielfilm „Folge Meiner Stimme“ von Hüseyin Karabey etwa erzählt von | |
der kleinen Jiyan, die in einem abgelegenen kurdischen Bergdorf lebt und | |
sich um ihren Vater sorgt, der als vermeintlicher Freischärler von | |
türkischen Polizeikräften festgenommen wurde. Er soll seine Waffe abgeben. | |
Daraufhin muss Jiyans Großmutter Berfe sich auf die Suche nach der Waffe | |
machen, die der Vater nie besessen hat. | |
„Am liebsten sollten wir die Katzen fragen, wem sie sich zugehörig fühlen,�… | |
so der „Lehrer“ aus dem Dokumentarfilm „Die Anderen“ von der Regisseurin | |
Ayşe Polat. Der Film dreht sich um die Van-Katze, eine Besonderheit der | |
Stadt Van in der kurdischen Region der Türkei, dessen Zugehörigkeit, | |
genauso wie die der Stadt, umstritten bleibt: Gehört sie Türk*innen, | |
Kurd*innen oder Armenier*innen? | |
In der bis zum armenischen Genozid 1915 stark von Armenier*innen | |
bevölkerten Stadt sind die über hundert Jahre alten Spannungen heute noch | |
zu spüren. Dabei existieren Armenier*innen in dieser Stadt nur noch in den | |
tief betrübenden Erzählungen. Während Polats Film außergewöhnliche | |
Berufsgruppen wie Vankatzenzüchter und Schatzjäger begleitet, werden den | |
Zuschauer*innen historische Ereignisse näher gebracht, die von Gewalt und | |
Polarisierung geprägt sind. | |
## Fehlende Plattform | |
Das kurdische Filmfestival in Berlin wurde 2002 ins Leben gerufen mit der | |
Idee, kurdische Kultur und Filmschaffende in den Fokus zu rücken. | |
„Die kurdische Filmkultur ist im Vergleich zur iranischen noch sehr jung | |
und unbekannt. Zwar kennt man Yılmaz Güney, aber es fehlte eine Plattform | |
für die vielen kurdischen Künstler*innen, um ihre Filme einem politisch | |
interessierten sowie Arthouse affinen Publikum vorzustellen. Die Kurdische | |
Gemeinde spricht von einem Zuwachs von etwa 150.000 schutzsuchender | |
Kurd*innen in Deutschland seit 2013. Das macht diese Edition besonders | |
wichtig,“ so Janna Heine, Pressesprecherin des Veranstalters Mîtosfilm. | |
Zurzeit leben circa 50.000 Kurd*innen in Berlin. | |
Bei der Podiumsdiskussion „Von Yılmaz Güney bis heute – die Suche nach | |
kurdischer Identität auf der Leinwand“ werden am Samstag Hüseyin Tabak | |
(Regisseur), Ali Güler (Filmjournalist) und Eyüp Burç (Journalist und | |
TV-Redakteur) referieren. Am selben Tag wird die deutsch-kurdische | |
Filmemacherin Ayşe Polat ihren Workshop zum Thema „Das Dokumentarische im | |
Spielfilm, das Szenische im Dokumentarfilm“ leiten. | |
Um das Filmschaffen im Krieg dreht sich die zweite Podiumsdiskussion am | |
18.6., wo unter anderen Ayoob Ramadan, Kulturminister Behdinan von der | |
irakischen autonomen Region Kurdistan, referieren wird. | |
Kurdisches Filmfestival Berlin: 15. bis 21. 6. im Kino Babylon Mitte. | |
[1][www.kurdischesfilmfestival.de] | |
15 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://kurdischesfilmfestival.de/ | |
## AUTOREN | |
Sibel Schick | |
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