Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kunst von der Küste: Inspiriert von Deichen, Wind und Meer​
> Das Landesmuseum auf Schloss Gottorf eröffnet die „Norddeutsche Galerie“.
> Die Ausstellung mit 150 Bildern von Künstler aus Schleswig-Holstein - mit
> Mut zur Lücke.
Bild: Norddeutscher geht es ja kaum: Peter Nagel, „Strandkorb“ (Ausschnitt).
Prägende Maler aus Schleswig-Holstein? Na klar doch: Emil Nolde. Wenzel
Hablick, der fast drei Jahrzehnte in Itzehoe lebte. Das Multitalent Günther
Grass. In die neue „Norddeutsche Galerie“ im Landesmuseum Schloss Gottorf
hat allerdings keiner dieser Prominenten Eingang gefunden – aus einem
einfachen Grund: „Was schon in anderen Ausstellungen hängt, muss hier nicht
auch noch hängen“, erklärt Kurator Christian Walda.
Er durfte sich beim Zusammenstellen der Werkschau mit einem Luxusproblem
herumschlagen: aus den Archiven des Landesmuseums und den angegliederten
Sammlungen wählte er diejenigen Werke aus, die prägend für eine Epoche,
typisch für einen Künstler und auch noch irgendwie norddeutsch sind. 150
Bilder und eine Handvoll Plastiken sind bei diesem Fischzug durch die
Keller ans Licht gekommen, eine ganze Reihe ist erstmals oder seit
Jahrzehnten wieder zu sehen.
Das Ergebnis ist durchaus subjektiv. So liegt ein Schwerpunkt auf Carl
Hilmers (1891– 1978), der allein viermal vertreten ist und als Beispiel für
gleich vier Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts dient, vom „Geist des
Expressionismus“ über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zur NS-Diktatur
und dem „schwierigen Neuanfang“ der 1940er-Jahre. So lässt sich an einem
einzigen Künstler zeigen, wie sich die Malerei in diesen Jahrzehnten
verändert hat: vom expressionistisch angehauchten Selbstporträt als Soldat
über vergleichsweise Gegenständliches bis zu einer surrealen Meerespflanze.
Es sei ihm darum gegangen, die aufeinanderfolgenden Künstler-Generationen
zu zeigen, erklärt Walda. Acht Abteilungen sind in dem Ausstellungsraum
entstanden, der in einem ehemaligen Stallgebäudes des Schlosses
untergebracht ist und an die „Sammlung Rolf Horn“ mit Werken der
Klassischen Moderne anschließt. Für die Norddeutsche Galerie wurden Wände
weggerissen, um Sichtachsen und Durchlässigkeit zu schaffen – so ahnt der
Besucher beim Betrachten eines Bilds schon, was danach kommt. Oder kann
sich mit einem Blick zurück die Vorläufer noch einmal vor Augen führen.
Dabei gibt es, entlang der historischen Schnittlinien des 20. Jahrhunderts,
auch in der Kunst klare Brüche. Nach den 20er-Jahren, in denen die Kunst
mit surrealen Elementen spielte, sorgt die NS-Diktatur in den 30er-Jahren
für streng realistische, oft sehr zurückgenommene Bilder, etwa ein Paar
Holzschuhe von Hedda Theen-Pontoppidan (1912–2013).
Echte Propaganda-Kunst fehlt, durchaus zum Bedauern des Kurators: „Hätte
ich gern gezeigt, gibt es aber leider nicht in den Archiven.“ Dem
vorsichtigen Neuanfang nach dem Krieg folgt die experimentierfreudige
Maler-Generation der „68er“, zu denen die Ausstellung unter anderem Horst
Janssen, Peter Nagel, Gudrun Piper und Paul Wunderlich zählt.
„Norddeutsch realistisch“ umfasst eine Bandbreite von fotorealistischen
Werken bis mit breitem Pinsel aufgetragener Tristesse. Zu dieser Gruppe
gehören Maler wie Michael Arp, Tobias Duwe, André Krigar und Nikolaus
Störtenbeker. Der hatte sich in einem offenen Brief im Vorfeld über die
Norddeutsche Galerie beschwert – zu Unrecht, findet Kirsten Baumann,
Direktorin des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte: „Er fürchtete,
dass zu wenig Zeitgenossen und zu wenig Schleswig-Holsteiner dabei sind.
Das Gegenteil ist der Fall, offenbar war das ein Missverständnis.“
Ein Raum ist den so genannten Baumkünstlern gewidmet – seit 2001 wird pro
Jahr ein Maler mit einem Preis ausgezeichnet, den Brillenkönig Günter
Fielmann stiftet. Anlass war die Anpflanzung einer Allee vor Schloss
Gottorf. Entsprechend haben viele der Bilder einen Bezug zu Bäumen oder
Alleen. Mit dabei sin d unter anderem Friedel Anderson, Hinnerk Boddendiek,
Klaus Fußmann und Armin Mueller-Stahl.
Die Schau bietet Chance auf Entdeckungen und Neuentdeckungen: Etwa die
Werke von Edgar Ende, Vater des Schriftstellers Michael Ende, dem Schöpfer
von Momo und der Unendlichen Geschichte – wer die Zusammenhänge kennt, kann
aus den Fantasiegestalten in den Bildern des Vaters den Keim der Romane des
Sohnes erkennen.
Allerdings: Die Ausstellung selbst gibt keinen Hinweis auf solche
Verbindungen. Auch was einen Künstler mit Norddeutschland verbindet,
erschließt sich nicht immer. So haben Werke gebürtiger Schleswig-Holsteiner
ebenso Platz gefunden wie Bilder Zugereister, die sich von Himmel, Weite
und Meer haben inspirieren lassen.
Auch den Begriff „Norddeutsch“ interpretiert Kurator Walda eigen –
Schleswig-Holstein und Hamburg sind dabei, Niedersachsen und Bremen nicht.
Kirsten Baumann hält diesen Fokus für richtig: „Als Landesmuseum ist es
unsere Aufgabe, hauptsächlich die Kunst des Landes zu zeigen.“
Die Norddeutsche Galerie in Schleswig ist als Dauerausstellung konzipiert,
soll und wird sich aber ständig wandeln: In den Archiven liegt genug, um
regelmäßig neue Akzente zu setzen.
Schloss Gottorf, Schlossinsel 3, Schleswig
29 Sep 2015
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Ausstellung
Schleswig-Holstein
Malerei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gegenentwürfe: Kein Bild über Kopf
Schloss Gottorf präsentiert „Realisten im Norden“. Deren idyllische Bilder
mit viel Lokalkolorit wirken wie archaische Relikte, über die die Zeit
hinweggegangen ist. Sie selbst empfinden sich als Gegenströmung zum
zeitgenössischen Kunstbetrieb
Holzschiff aus dem Meer: Vom Paddel zum Ruder
Das erste Mal würdigt eine Sonderausstellung in Schleswig das „Nydam-Boot“.
Vor genau 150 Jahren wurde das Schiff aus dem Moor gezogen.
Twombly-Ausstellung im Schloss Gottorf: Von der Schwierigkeit, die Welt im Bild…
Eine Ausstellung in Schloss Gottorf zeigt die wahrnehmungs-zersetzenden
Arbeiten von Cy Twombly. Der zuletzt in Rom lebende Künstler interessierte
sich für die Auslassungen, Überlagerungen und Leerstellen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.