| # taz.de -- Krise in der Elfenbeinküste: Erschossen, zerhackt, vertrieben | |
| > Hunderttausende von Menschen sind in Abidjan und im Westen der | |
| > Elfenbeinküste vor der Gewalt zwischen Laurent Gbagbo und Alassane | |
| > Ouattara auf der Flucht. | |
| Bild: Seit drei Wochen herrscht Krieg in Abidjan: Demonstrantinnen fordern, das… | |
| BERLIN taz | "Gbagbo, Mörder! Gbagbo, Dieb! Raus!", riefen die Frauen, die | |
| am Internationalen Frauentag am Dienstag in Abidjan auf die Straße gingen. | |
| Sie demonstrierten für den Rücktritt des ivorischen Machthabers Laurent | |
| Gbagbo, der sich über ein Vierteljahr nach seiner Niederlage bei der | |
| Präsidentschaftswahl vom November 2010 immer noch weigert, die Macht an | |
| Wahlsieger Alassane Ouattara abzugeben. | |
| Beim letzten solchen Frauenmarsch am vergangenen Donnerstag hatten Gbagos | |
| Sicherheitskräfte sieben Frauen erschossen. Diesmal ging der Marsch, | |
| geschützt von Ouattara-Anhängern mit Maschinengewehren, friedlich ab. Aber | |
| hinterher zündeten Jugendliche einen Polizeiwagen an, Gbagbos | |
| Präsidialgarde schoss scharf. Am Schluss sammelte die örtliche Klinik vier | |
| Leichen ein. | |
| Das ist Alltag in Abobo heute, der großen Bastion Ouattaras im Norden der | |
| ivorischen Metropole Abidjan. Seit drei Wochen herrscht dort Krieg zwischen | |
| Gbagbos Streitkräften und Aufständischen. "Menschen werden lebendig | |
| verbrannt und mit Macheten zerhackt", sagt ein Menschenrechtsaktivist | |
| gegenüber der UN-Nachrichtenagentur Irin. Rinaldo Depagne vom Think-Tank | |
| "International Crisis Group" analysiert: "Es herrscht ein fürchterliches | |
| Ausmaß der Verzweiflung. Dieses Niveau der Gewalt ist für die | |
| Elfenbeinküste überhaupt nicht normal." | |
| Der Großteil der 250.000 Einwohner von Abobo ist geflohen, entweder ins | |
| Umland oder in andere Stadtviertel. Die Gewalt breitet sich inzwischen in | |
| andere Teile Abidjans aus: In Port-Bouet im Süden der Stadt gingen am | |
| Dienstag 50 Gbagbo-Milizionäre mit Macheten und Gewehren gegen einen | |
| Protestmarsch von 200 Frauen vor, im zentralen Stadtviertel Treichville | |
| schossen Sicherheitskräfte auf eine Friedenskundgebung von Christen und | |
| Muslimen und töteten vier Menschen, nachdem Jugendliche begonnen hatten, | |
| Geschäfte von Libanesen zu plündern. Diese gelten als Gbagbo-treu. | |
| ## 370 Tote seit November | |
| Über 370 Menschen sind nach UN-Angaben seit der ivorischen Wahl vom 28. | |
| November 2010 bei politischer Gewalt ums Leben gekommen, zumeist Opfer von | |
| Übergriffen der Gbagbo-treuen Sicherheitsorgane und Milizen. Das | |
| UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zählte am Dienstag 300.000 Binnenflüchtlinge | |
| innerhalb Abidjans, dazu 75.000 Menschen, die im äußersten Westen des | |
| Landes nach Liberia geflohen seien. Mindestens weitere 70.000 sind | |
| innerhalb des westivorischen Bergwaldgebietes auf der Flucht, meldete | |
| zugleich die Internationale Migrationsorganisation (IOM), nach eigenen | |
| Angaben das einzige dort präsente Hilfswerk, und kam auf insgesamt 450.000 | |
| Vertriebene. | |
| Die Zahlen steigen weiter, nicht zuletzt infolge heftiger Kämpfe zwischen | |
| Gbagbos Armee und den Rebellen der FN (Forces Nouvelles), die seit 2002 die | |
| Nordhälfte der Elfenbeinküste regieren und heute Ouattara als Präsidenten | |
| anerkennen. Die FN kündigte vorletzte Woche den Waffenstillstand mit Gbagbo | |
| auf, eroberte vor wenigen Tagen die westivorische Stadt Toulepleu und rückt | |
| weiter nach Süden vor. Im Gegenzug begehen Gbagbo-treue Milizen, darunter | |
| Söldner aus Liberia, offenbar ethnische Säuberungen. | |
| "Es gibt Berichte, dass bewaffnete Gruppen die Bevölkerung südlich der | |
| Straße Tolepleu-Bloléquin terrorisieren; sie zwingen Migranten aus Burkina | |
| Faso und andere Migranten sowie Ivorer dazu, in die Wälder nördlich von | |
| Tolepleu zu fliehen", erklärte die IOM am Dienstag. Wie IOM-Sprecherin | |
| Jemini Pandy gestern bestätigte, musste die Organisation ihre Mitarbeiter | |
| deswegen aus den Städten Duékoué und Guiglo zurückziehen. | |
| In diesem Kontext hat Wahlsieger Ouattara jetzt zum ersten Mal seit der | |
| Wahl das Hotel du Golf in Abidjan verlassen, wo er unter dem Schutz von 800 | |
| UN-Blauhelmsoldaten eine Phantomregierung unterhält. Er ist zu einer | |
| Sondersitzung des Sicherheitsrates der Afrikanischen Union (AU) in die | |
| äthiopische Hauptstadt Addis Abeba gereist. Die AU erkennt Ouattara als | |
| Präsidenten der Elfenbeinküste an und hatte im Februar mit einem Quintett | |
| aus fünf afrikanischen Präsidenten einen neuen Vermittlungsanlauf genommen. | |
| Zu dessen Abschluss lud sie "Ihre Exzellenzen" Ouattara und Gbagbo zu der | |
| Ratssitzung am heutigen Donnerstag ein. Ouattara hat zugesagt. Gbagbo lässt | |
| sich vertreten. Für beide ist es die Stunde der Wahrheit. | |
| 9 Mar 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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