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# taz.de -- Krise in der Elfenbeinküste: Gbagbos Regime bricht zusammen
> Die Streitkräfte des Wahlsiegers Alassane Ouattara haben innerhalb
> weniger Tage fast das gesamte Gbagbo-Territorium erobert. Sie stehen vor
> dem Einmarsch in Abidjan.
Bild: Der UN-Sicherheitsrat unterstützt die Friedensmission zum "Schutz der Zi…
BERLIN taz | Es ist eine kampflose Eroberung, eine Prozession. Fast die
gesamte Elfenbeinküste wird mittlerweile von den "Republikanischen
Streitkräften" (FRCI) kontrolliert, die dem gewählten Präsidenten Alassane
Ouattara unterstehen. Hauptbestandteil der FRCI sind die Rebellen, die seit
2002 bereits die Nordhälfte des Landes beherrschten. Sie setzten am
vergangenen Wochenende zum Großangriff an, um Ouattara vier Monate nach
seinem Wahlsieg endlich an die Macht zu verhelfen und den bislang am Amt
klebenden Laurent Gbagbo zum Rücktritt zu zwingen.
Eine Stadt nach der anderen fiel in ihre Hände wie reife Früchte, friedlich
von den lokalen Behörden übergeben, mit den Gbagbo-Streitkräften auf der
Flucht. Am Donnerstag mittag befanden sich die ersten FRCI-Einheiten nur
noch 110 Kilometer nördlich von Abidjan. Wenn sie dann in ihren Pick-Ups
und Panzerfahrzeugen einfach die Autobahn nehmen, sind sie in kürzester
Zeit in der Millionenstadt, die längst in Ouattara- und Gbagbo-treue
Stadtviertel zerfallen ist.
Aus Kreisen der UN-Mission in der Elfenbeinküste hieß es am Donnerstag, man
habe die FRCI gebeten, von einem Einmarsch in Abidjan zunächst abzusehen,
um vorher Gbagbos Zukunft zu klären und einen friedlichen Übergang
gewährleisten zu können. Die allgegenwärtige Angst, dass sonst am Ende
eines friedlichen Blitzkrieges doch noch eine blutige Schlacht um Abidjan
stehen könnte, sorgte für eine überkochende Gerüchteküche.
Es reicht Hubschrauberlärm über dem Stadtteil Cocody, wo Gbagbo residiert,
damit Gerüchte kursieren, der abgewählte Nochpräsident habe heimlich die
Flucht ergriffen wie vor sechs Wochen der Ägypter Hosni Mubarak in Kairo.
Am Nachmittag gab das südafrikanische Außenministerium bekannt, Gbagbos
Generalstabschef Philippe Mangou habe sich abgesetzt und Zuflucht in der
Residenz des südafrikanischen Botschafters in Abidjan gesucht.
## Die Hälfte des Landes kampflos geräumt
Dies würde erklären, wieso Gbagbos Armee in wenigen Tagen nahezu die Hälfte
des Landes kampflos geräumt hat, nachdem das Gbagbo-Lager in den Wochen und
Monaten davor ständig zum Krieg geblasen hatte.
Nachdem am Dienstag erstmals mehrere größere Städte im Südteil der
Elfenbeinküste an die FRCI gefallen waren, rückten die Exrebellen am
Mittwoch nachmittag in Yamoussoukro ein, politische Hauptstadt der
Elfenbeinküste und Geburtsort des ersten ivorischen Präsidenten Felix
Houphouet-Boigny, der den Ort in den 1980er Jahren zur Prachtmetropole
ausgebaut und dort die größte katholische Kirche Afrikas errichtet hatte.
Am Abend folgte San Pedro, der große Kakaoexporthafen im äußersten
Südwesten. Wenig später fiel sogar Gagnoa, Geburtsort und Bastion Gbagbos
im Kernland seiner Bété-Ethnie.
Der Verlust der wichtigsten verbliebenen politischen und ökonomischen
Zentren der ivorischen Staatsmacht außerhalb Abidjans, ohne dass
nennenswert Schüsse fielen, war ein klares Signal, dass sich niemand mehr
ernsthaft Ouattara und seiner Armee entgegenstellen würde. Außer vielleicht
ein paar aufgehetzten "patriotischen" Milizionären in Abidjan, die aber am
Donnerstag vergeblich auf den Einsatzbefehl ihres Chefs warteten,
Jugendminister Charles Blé Goudé.
## Rede von Gbagbo fand nicht statt
Gbagbo hatte für Mittwoch abend eine Fernsehansprache angekündigt, die dann
allerdings nicht stattfand. Es wurde spekuliert, er habe seinen Rücktritt
erklären wollen, sei aber von radikalen Anhängern davon abgehalten worden.
Donnerstag früh zirkulierten Aufrufe an die von Blé Goudé geführten
radikalen Jugendmilizen der "Jungen Patrioten", sich vor der
Präsidentenresidenz in Cocody zu versammeln. Um Gbagbo zu schützen oder um
ihn zu stürzen? Darauf gab es keine Antwort, und kein hochrangiger
Politiker äußerte sich öffentlich. Blé Goudé soll um Asyl in Angola gebeten
haben, meldeten ivorische Webseiten. Die "First Lady" Simone Gbagbo,
ebenfalls als Scharfmacherin berüchtigt, soll sich in der südafrikanischen
Botschaft befinden.
Im Stadtteil Deux Plateaux, so heißt es in einem Internet-Chat, werden
bereits in Erwartung des Machtwechsels Häuser bekannter Gbagbo-Parteigänger
geplündert. "Wo?" schreibt ein Chatter zurück: "Ich brauche auch was!"
31 Mar 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Elfenbeinküste
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