| # taz.de -- Kreuzberger Rapper im Interview: „Ich sage nur, was ich scheiße … | |
| > PTK verrät seinen bürgerlichen Namen nicht. Aber fast alles andere. Ein | |
| > Gespräch übers Anecken, über politischen Rap und über Kreuzberger | |
| > Hipster-Bars. | |
| Bild: PTK am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. | |
| taz: PTK, deinen echten Namen veröffentlichst du nicht, aber verrätst du | |
| uns dein Alter? | |
| PTK: 29 (lacht). Du hättest mich jünger geschätzt, oder? | |
| Ehrlich gesagt, ja. | |
| Ich weiß, ich werde immer für jünger gehalten, auch früher schon. Die Leute | |
| haben eigentlich immer erst mal ein falsches Bild von mir: Man denkt, ich | |
| sei jünger, man denkt, ich sei Ausländer, man denkt, ich sei dümmer. Was | |
| auch immer dumm genau heißt. Jedenfalls denken erst mal alle: Was will der | |
| mir erzählen? | |
| Du bist also in den 1990ern aufgewachsen, hier in Kreuzberg. Was war das | |
| für eine Kindheit? | |
| Wir sind ständig umgezogen, weil wir immer wieder aus unseren Wohnungen | |
| rausmussten. Als Kind kommt dir erst mal alles normal vor, du kennst es ja | |
| nicht anders. Das hat ein bisschen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass es | |
| bei uns anders ist als in anderen Familien, das ganze Finanzielle eben. | |
| Meine Eltern waren beide sehr lange arbeitslos, und sie haben sich früh | |
| getrennt. Später, als ich älter wurde, habe ich mich dann viel mit meiner | |
| Mutter gestritten, ich glaube, das hatte auch was damit zu tun. Als ich | |
| siebzehn war, ist meine Familie aus Berlin weggezogen, seitdem ist unser | |
| Verhältnis wieder besser. | |
| In deinen Texten klingt es, als würdest du dich manchmal nach der Kindheit | |
| zurücksehnen. | |
| Ja, es gibt schon Sachen daran, die ich vermisse. Früher war ein Tag so | |
| übertrieben lang, Sommerferien war so eine überkrass lange Zeit. Ich hab | |
| mal gerappt: „Glaub mir, ich wollte nie in die Welt der Erwachsenen. / Die | |
| simpelsten Dinge sind dort unendlich anstrengend.“ Ich weiß selber gar | |
| nicht, was ich damit alles gemeint habe, aber eben zum Beispiel so was: Ich | |
| kriege schon Kopfschmerzen, wenn ich meinen Briefkasten aufmache. | |
| Wann hast du angefangen, dich mit Rap zu beschäftigen? | |
| Mit 10, 11 Jahren habe ich angefangen Rap zu hören. Mit 15, 16 habe ich das | |
| erste Mal selbst gerappt, aus Spaß mit Freunden. Die Entscheidung, dass Rap | |
| das ist, was ich machen will, kam erst später. Aber eigentlich gab es nie | |
| eine Alternative: Ich wusste nie, was ich machen will, nicht so wie Freunde | |
| von mir, die Arzt werden wollten oder so. | |
| Fanden deine Freunde denn gut, was du machst? | |
| Von meinen engen Freunden war ich der Einzige, der damit angefangen hat, | |
| das hat die nicht weiter gejuckt. Früher hat Deutschrap doch keinen | |
| interessiert. Ich hatte ja quasi nur ausländische Freunde, die haben alle | |
| Tupac gehört, Deutschrap war voll peinlich. Das hat sich voll geändert, | |
| dass das cool geworden ist in den letzten Jahren. | |
| Wann war für dich klar, dass Musik machen nicht nur ein Nebenbei-Hobby ist? | |
| 2009 habe ich Herzog [Berliner Rapper – Anm. d. Red.] kennengelernt, der | |
| damals gerade ein Label gründete. Das war wichtig. Ich hätte das alleine | |
| nicht geschafft, diesen Berg zu bewältigen, der zum Aufnehmen nötig gewesen | |
| wäre. Er hatte das Studio, Geld, Bock. Das war eine glückliche Fügung, und | |
| seitdem ist das für mich ein Vollzeitjob. | |
| Seit 2014 kannst du von deiner Musik einigermaßen leben, dein gerade | |
| erschienenes Album landete auf Platz 20 der deutschen Charts. Du giltst als | |
| der Rapper mit den politischen Themen – kannst du mit diesem Label leben? | |
| Ich finde es schade, dass es so ein komplettes Schubladendenken gibt. Ich | |
| finde, das ist nur eine Säule von mir. Politischer Rapper, das schreckt | |
| erst mal viele ab. Die denken dann erst mal, ich bin einer von denen, die | |
| Zeitungsartikel rappen, so mit Zeigefinger, aber das bin ich ja gar nicht. | |
| Umgekehrt haben Leute, die mich hören, weil ich ein politischer Rapper bin, | |
| dann auch so eine Erwartungshaltung, dass ich Lösungen anbiete oder dass | |
| ich mich an einen bestimmten Kodex halte, die ich dann auch nicht erfülle. | |
| Deine Texte hören sich oft ziemlich düster und pessimistisch an – dabei | |
| wirkst du eigentlich wie jemand, der die Dinge angehen will. | |
| Ich brauche Schmerz und Schlechtes, um kreativ zu sein. Über die guten | |
| Dinge brauchen wir nicht reden, wenn wir wollen, dass es besser wird. Ich | |
| verstehe nicht, warum es Leute interessiert, wie krass gut es jemandem | |
| geht. Wenn der darüber erzählt, wie viel Autos er hat, wie viel Frauen, wie | |
| viel Essen auf dem Tisch. Wo ist denn da bitte der Sinn? | |
| Denkst du, mit deiner Musik etwas ändern zu können? | |
| Ich denke nicht, dass ich die Welt ändere mit meiner Musik. Aber ich kann | |
| meine Welt ändern und die von den Leuten, die meine Musik hören. Das kriege | |
| ich auch als Feedback, dass Leute sagen, dass sie durch meine Texte zum | |
| ersten Mal was anders sehen.Das ist dir wichtig? | |
| Ja, voll. Sonst müsste ich Musik nicht machen. Aber klar, meine | |
| Möglichkeiten sind begrenzt. Die Situation in Kreuzberg zum Beispiel: Ich | |
| weiß, da werde ich nichts ändern. Solange es Geld gibt und einen Markt und | |
| Menschen Geld verdienen wollen mit ihren Wohnungen, und zwar mehr, als sie | |
| brauchen, wird sich daran nichts ändern. Was ich aber machen kann, ist | |
| Aufmerksamkeit schaffen, dass es nicht cool ist und dass die Leute Teil von | |
| dem Prozess sind. | |
| Dass es nicht cool ist, Berlin zu besuchen oder hierher zu ziehen? So hört | |
| es sich in deinen Texten manchmal an. Du singst zwar auch über Spekulanten | |
| und Investoren, aber du nennst den Song „Anti-Turista“. | |
| Anti-Turista war erst mal nur ’ne coole Wortschöpfung. Aber klar, jetzt | |
| gibt es viele Leute die sagen: Don’t hate the players, hate the game. Aber | |
| da gehe ich eben nicht mit. Ich sage halt: Auf jeden Fall hate the game, | |
| aber warum spielt ihr es denn mit? Das ist ja eine aktive Entscheidung, | |
| dass Leute sagen: Ich gehe dahin. Die meisten Leute ziehen einfach | |
| irgendwohin, ohne sich zu informieren, was da vorher war, und verstehen | |
| nicht, dass sie an einem Prozess beteiligt sind, der auf Kosten anderer | |
| Menschen läuft. Natürlich gibt es Politiker, Spekulanten, Vermieter, aber | |
| das kann alles gar nicht funktionieren, wenn es nicht die Nachfrage gäbe. | |
| Das heißt, es darf niemand mehr in Kreuzberg Urlaub machen? | |
| Das heißt erst mal nur: Du kannst nicht herkommen, ohne am Prozess | |
| beteiligt zu sein. Das heißt nicht, dass du nicht herkommen darfst, auf | |
| keinen Fall. Ich finde es ja geil, dass Berlin diese Stadt ist, die ganz | |
| viele Menschen anzieht. Ich finde es aber scheinheilig, dass es negativ | |
| bewertet wird, wenn Menschen aus einer Not herkommen, siehe | |
| Flüchtlingsthematik, aber niemand über die Leute redet, die mit Geld | |
| herkommen. Das ist für mich die Parallelgesellschaft: amerikanische | |
| Hipsterbars, in denen man auf Englisch bestellen muss, spanische Viertel. | |
| Wirklich? | |
| Klar. Wenn ich in ein arabisches Restaurant gehe, wo alles auf Arabisch | |
| ist, weiß ich trotzdem genau, was ich bestellen will, weil ich damit | |
| aufgewachsen bin. Wenn ich in einen spanischen Wurstladen gehe, habe ich | |
| keine Ahnung was die von mir wollen. Klar ist die Sonnenallee ’ne | |
| Parallelgesellschaft, aber daneben hast du doch das gleiche in Grün. Bei | |
| den einen muss es halt halal sein, bei den anderen vegan. Aber beim Thema | |
| Integration geht es immer nur um die Gastarbeiter und ihre Familien. | |
| Was wäre denn eine Lösung? | |
| Ich will niemandem sagen, was richtig und was falsch ist. Ich sage nur, was | |
| ich scheiße finde. Solange es diesen Markt gibt, habe ich keine Lösung | |
| dafür. Aber ich denke schon: Es gibt so viele Gegenden, die es nötig hätten | |
| belebt zu werden, warum kann sich das nicht mehr verteilen, warum wollen | |
| alle in diesen drei, vier Kiezen in Kreuzberg und Neukölln wohnen? | |
| Vielleicht, weil es schön ist, hier zu wohnen? | |
| Ganz ehrlich: Wenn ich aus irgend’nem Kaff kommen würde, ich wäre der | |
| Erste, der herkommen will. Aber trotzdem, die Leute sollen ein Bewusstsein | |
| entwickeln. Das geht ja auch: Ich hab schon Zugezogene auf Demos gegen | |
| Gentrifizierung kennengelernt, das waren richtig coole Menschen. | |
| Also macht es doch einen Unterschied, wie man sich verhält, wenn man | |
| herkommt? | |
| Am Ende des Tages ist das einfach eins von vielen Problemen, die etwas mit | |
| Geld zu tun haben und mit Ungerechtigkeit. Die Ungerechtigkeit ist, dass | |
| Leute, die hier gewohnt haben und hier weiter wohnen wollten, das nicht | |
| mehr können. Und ich kenne viele von diesen Leuten, sehr viele. Meine | |
| Familie ist auch nicht aus Spaß weggezogen, da geht es schon mal los. Wir | |
| wurden Block für Block aus der Wohnung geschmissen, weil da | |
| Eigentumswohnungen draus gemacht werden sollten. Du hast dann das | |
| Erstkaufsrecht – wenn du so viel Geld hättest, hättest du bestimmt nicht in | |
| der Scheißwohnung gewohnt. | |
| „Ich will das Kreuzberg meiner Eltern aus den 80ern zurück“, singst du in | |
| „Anti-Turista 2“. Im Kreuzberg der 1980er ging es vielen Menschen dreckig �… | |
| ist das wirklich die Vision? | |
| Erst mal heißt das ja nicht, dass es diesen Menschen heute besser geht – | |
| die sind einfach nur nicht mehr in Kreuzberg. Aber ich meine das auch gar | |
| nicht so wörtlich, sondern einfach diesen Kreuzberger Spirit, dass Häuser | |
| besetzt wurden, dass man sich genommen hat, was man brauchte. | |
| Hast du das noch so erlebt? | |
| Nein. Aber auch das Kreuzberg meiner Kindheit war etwas Besonderes: Jeder | |
| kam aus einem anderen Land, aber es waren trotzdem alle ähnlich, weil alle | |
| wenig Geld hatten. Das war die Welt, die ich als Kind mitbekommen und für | |
| total normal gehalten habe. Das habe ich erst durch Fußball gelernt, durch | |
| die Auswärtsspiele, dass es woanders in Berlin auch anders aussieht. | |
| Wegen deiner Texte wirst du auch in linksradikalen Kreisen gefeiert. War | |
| das eine bewusste Entscheidung, dieses Publikum anzusprechen? | |
| Nee, eigentlich nicht. Es gibt ja auch ganz viele unpolitische Leute, die | |
| sich damit nicht auskennen, aber trotzdem eine ähnliche Meinung haben wie | |
| ich. Bei mir war es ja auch so: Ich habe ja nicht linke Sachen gelesen und | |
| dann meine Texte geschrieben, sondern ich habe mich mit Sachen beschäftigt, | |
| die um mich herum passieren, und meine Schlüsse daraus gezogen, und das | |
| sind dann eben offensichtlich linke Schlüsse. Erst mal habe ich nicht über | |
| Gentrifizierung gerappt, sondern über mein Kreuzberg, und dann haben mir | |
| Leute gesagt, dass das Gentrifizierung ist. | |
| Aber du kannst schon was anfangen mit dieser Szene? | |
| Von Anfang an habe ich mit diesen Themen viele neue Leute gewonnen, aber in | |
| diesen Kreisen auch viele abgeschreckt. Weil ich eben nicht aus dieser Welt | |
| komme, wo ich mich an Wortwahl bis sonst was halte. Es gibt auch viele, die | |
| mich heimlich feiern, weil sie das in ihren Kreisen eigentlich nicht | |
| dürfen. | |
| „Ich seh zwei schwule Bonzenjungs in Designerhemden, / Laufen am Kotti rum | |
| und sie halten Händchen, / Vorbei an Leuten, die haben kein’ Cent für | |
| Essen“, beginnt der vor drei Jahren veröffentlichte Song Anti-Turista. Du | |
| hast viel Kritik für die Schwulenfeindlichkeit dieses Textes bekommen. | |
| Bereust du die Zeilen? | |
| Es gibt Leute, die mir bis heute einen Strick aus diesen Lines drehen | |
| möchten. Die haben mich seitdem eh gefressen, egal was ich mache. Deswegen | |
| bin ich an diesem Punkt stur und gebe keine Statements dazu. Wenn ich das | |
| jemals machen würde, würde ich dieser Flamme Luft geben. Das mache ich | |
| nicht, das ist mir zu dumm. Wäre ich wirklich schwulenfeindlich, würden | |
| viele Standpunkte in meiner Musik gar keinen Sinn machen. | |
| Spielst du das Lied denn noch? | |
| Das ist einer meiner bekanntesten Songs, die Menge will den oft hören. | |
| Selbst wenn ich ihn mal gar nicht im Programm dabeihabe. Manchmal rappe ich | |
| die ersten Zeilen dann nicht mit, je nach Publikum. | |
| Noch mal zur Gentrifizierung. „Und will dein Vermieter morgen deine Butze | |
| räumen, / Stehn heute noch vor seiner ein paar vermummte Leute“, singst du | |
| in „Das Haus wird besetzt“. Sind diese Art von linksradikalen Aktionen die | |
| Lösung? | |
| Da musst du nicht linksradikal für sein. Als ich Stress mit meinem | |
| Vermieter hatte, haben meine Freunde gesagt, Dicker, lass den besuchen. Das | |
| ist nie passiert, aber die Idee war da, das hat was mit der Mentalität zu | |
| tun. Aber klar: Du kannst mit Aktionen was bewirken. Selbst wenn der ganze | |
| Scheiß durch Gesetze gerechtfertigt ist, kannst du zumindest Aufmerksamkeit | |
| schaffen. Linksradikal musst du dafür nicht sein, bei der Räumung der | |
| Ohlauer haben sich einfach irgendwelche Schüler in die Blockaden gesetzt. | |
| Das Label linksradikal hilft nicht weiter? | |
| Gerade aktuell durch G20 sind ja so Wörter wie linksradikal bei vielen | |
| Leuten auf negative Art gebrandet. Man redet jetzt lieber über die | |
| Ausschreitungen, dass sich die linke Szene von Gewalt distanzieren soll, | |
| statt über die, die sich da treffen, die Bomben werfen, Erdoğan, Trump, | |
| dass die sich von Gewalt distanzieren sollen. Aber es ist ja verständlich, | |
| denn am Ende beruft sich jeder auf seine Erfahrungswerte, und das ist für | |
| viele Leute eben nur, was sie in der Zeitung lesen. | |
| Wie kommst du denn selbst zu deinen Themen? | |
| Ich muss mich immer ablenken, weil ich zu viel über Sachen nachdenke. Und | |
| wenn ich zu viel über Sachen nachdenke, macht am Ende alles keinen Sinn. | |
| Das klingt mega-depressiv, aber so ist es halt. Und wenn ich mich mit den | |
| Dingen beschäftige, die um mich herum passieren, dann muss ich aussprechen, | |
| was ich darüber denke. Das war schon in der Schule so: Ich war nie der | |
| stärkste, aber ich war immer der mit der großen Fresse. Ich habe immer | |
| Stress gemacht, aber ich habe mich immer sofort mit vielen angefreundet. | |
| 21 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
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