# taz.de -- Kommission zum Afghanistan-Einsatz: Joschka Fischer zeigt kaum Reue | |
> Der Bundestag befragt Ex-Minister*innen zum Afghanistan-Debakel. Der | |
> Ex-Außenminister verteidigt die Entscheidung für die | |
> Bundeswehr-Beteiligung. | |
Bild: Bundeswehr-Pioniere suchen 2012 im Panzerwagen „Dingo“ in Afghanistan… | |
BERLIN taz | „Es musste sein.“ Rund zwei Jahre nach dem katastrophalen | |
Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan hat Ex-Außenminister | |
Joschka Fischer (Grüne) die damalige Entscheidung für den Einsatz der | |
Bundeswehr – beschlossen am 22. Dezember 2001 – erneut verteidigt. Vor der | |
Enquete-Kommission des Bundestags sagte Fischer am Montag, er halte den | |
Einsatz „nicht für einen Fehler“. Er gestand aber ein, [1][die Situation in | |
Afghanistan heute] sei „schrecklich“ und prognostizierte: „Afghanistan wi… | |
noch lange ein Ort der Unsicherheit bleiben.“ | |
Ähnlich kritisch gaben sich am Montag die ebenfalls geladenen | |
Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Ex-Entwicklungsministerin | |
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Ex-BND-Chef Gerhard Schindler. | |
Der internationale Einsatz in Afghanistan gilt weithin [2][als | |
gescheitert]. Begonnen hatte ihn eine internationale Koalition unter | |
Führung der Nato nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Nachdem sich | |
die Sicherheitslage über Jahre hinweg verschlechtert hatte, überrollten die | |
islamistischen Taliban im Sommer 2021 die verbliebenen Gebiete unter | |
Kontrolle der offiziellen afghanischen Regierung. Die letzten US-Truppen | |
mussten [3][überstürzt evakuiert werden]. Die 2022 eingesetzte | |
Enquete-Kommission des Bundestags hat nun den Auftrag, aus dem Einsatz | |
„Lehren für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ zu ziehen. | |
Am Montag zeigte sich dabei aber vor allem eine große Ratlosigkeit. Befragt | |
nach den Gründen für das Scheitern der Mission, waren sich Fischer, de | |
Maizière, Wieczorek-Zeul und Schindler da einig, wenn es um die Fehler der | |
anderen ging. Die Entscheidung der USA etwa, 2003 den Irak anzugreifen. | |
Dies habe dazu geführt, dass die USA ihre kampfstärksten Truppen aus | |
Afghanistan abgezogen habe. „Afghanistan war das erste Opfer des | |
Irakkriegs“, so Fischer. | |
## Überforderte Soldaten | |
Ebenfalls einig waren sich die vier, wenn es um die Rolle Pakistans als | |
wichtiges Rückzugsgebiet für die Taliban ging, was die USA zu lange | |
ignoriert hätten. Als Präsident Barack Obama 2011 versucht habe, Druck auf | |
Pakistan auszuüben, sei es zu spät gewesen. Alle vier klagten außerdem über | |
Korruption in den afghanischen Behörden. | |
Unübersichtlicher und widersprüchlicher wurde es am Montag, als es um die | |
Fehler der jeweiligen Bundesregierungen ging. Da kritisierte Fischer die | |
damalige „mangelnde militärische Stärke“ der Bundeswehr, an der „auch d… | |
Grünen“ während Rot-Grün unter Kanzler Schröder ihren Anteil hatten. Seine | |
Ex-Kollegin Wieczorek-Zeul bekundete dagegen, auch mehr militärische | |
Schlagkraft hätte am letztendlichen Scheitern der Mission nichts geändert. | |
Eine stichhaltige und umfassende Analyse lieferte am ehesten noch de | |
Maizière, der als Kanzleramtschef zwischen 2005 und 2009 intensiv mit dem | |
Afghanistaneinsatz befasst war. Man habe die militärische Kraft der Taliban | |
unterschätzt. Gleichzeitig habe die deutsche Gesellschaft die harte | |
Realität in Afghanistan nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ergebnis sei die | |
Überforderung der Bundeswehr gewesen, die unmöglich leisten konnte, was von | |
ihr verlangt wurde. „Streitkräfte können den Aufbau eines Staates nicht | |
selbst durchführen“. | |
Am Ende versuchten die vorgeladenen Ex-Minister*innen dem Einsatz, bei dem | |
59 Bundeswehrsoldaten starben, etwas Positives abzugewinnen. „Deutschland | |
hat sich als Sicherheitsmacht Respekt verschafft“, sagte etwa de Maizière. | |
Die Bundeswehr habe „gezeigt, dass sie kämpfen kann“. Und | |
Ex-Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul fand: „Es war nicht alles | |
umsonst.“ | |
3 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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