# taz.de -- Kommentar Rechtspopulisten-Treffen: Gegen den vermeintlichen Feind | |
> In Koblenz setzen Rechtspopulisten den Auftakt für das europäische | |
> Wahljahr. Es ist ihnen mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch | |
> nehmen. | |
Bild: Die Frisur von Geert Wilders (links) ist Privatsache. Einige seiner polit… | |
Eine Szene in der Morgendämmerung an der Polizeiabsperrung vor der | |
Rhein-Mosel-Halle in Koblenz: Zwei ältere Besucherinnen warten auf Einlass | |
[1][zum „Europe of Nations and Freedom“-Treffen der europäischen | |
Rechtspopulisten]. Beiläufig streift ihr Gespräch das Thema der | |
ausgeladenen Journalisten. Nach wenigen Sekunden ist das einstimmige Urteil | |
gefällt: „Alle gleichgeschaltet.“ So weit, so erwartbar. | |
In der Halle dann herrschte eine andere Morgendämmerung, die ihrerseits | |
genauso erwartbar war: die einer nationalstaatlichen Revolution – welche, | |
glaubt man den Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus, kurz | |
bevorsteht. Schwere rhetorische Geschütze wurden aufgefahren: Von Tyrannei, | |
Befreiung und Selbstbestimmung war die Rede. Standardelemente aus dem | |
Propaganda-Baukasten, mit denen Marine Le Pen und Geert Wilders jonglieren, | |
seit sie vor mehr als drei Jahren den Grundstein legten für den großen | |
patriotischen Schulterschluss. | |
In diesen drei Jahren ist viel geschehen – so viel, dass man gut beraten | |
ist, das Getöse von Koblenz sehr ernst zu nehmen. Die Neigung vieler, sich | |
über den intellektuellen Tiefflug der Veranstaltung, die inhaltliche | |
Vorhersehbarkeit und die dick aufgetragene Inszenierung lustig zu machen, | |
hat hingegen keinerlei diskursiven Nutzen. | |
Die Frisur von Geert Wilders ist eine Nichtigkeit und darüber hinaus | |
Privatsache. Dass Wilders, den die Umfragen zum Favoriten auf den | |
niederländischen Wahlsieg machen, ankündigte, im Land „klar Schiff machen“ | |
zu wollen, verdient dagegen alle Aufmerksamkeit. | |
## Euphorie und rabiate Angriffslust | |
Auch wie der FPÖ-Mann Harald Vilimsky verbal auf Gegendemonstranten | |
eindrosch, offenbart ein erschreckendes Niveau. Gleichzeitig berichtete er | |
triumphierend, sein Chef Heinz-Christian Strache weile in Washington, um | |
Kontakte mit der Trump-Administration aufzunehmen. Natürlich ist diese | |
Dynamik bekannt: die AfD-Erfolge auf Landesebene, das Brexit-Referendum, | |
die Wahl Trumps. Es ist offensichtlich, dass es ein inhaltliches Element | |
gibt, das diese Ereignisse verbindet. Zu Recht blicken progressive Kräfte | |
gerade mit Besorgnis auf das halbfertige Drehbuch des Jahres 2017, das | |
Urnengänge in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland vorsieht. | |
In Koblenz erlebten die Anwesenden, welche Euphorie und rabiate | |
Angriffslust es im Anhang von AfD und FN, PVV und FPÖ auslöst, den Wind der | |
Geschichte in den Segeln zu wissen. Dem Zittern liberaler Kräfte steht | |
Siegesgewissheit der Rechten gegenüber, die Marine Le Pen so ausdrückte: | |
„Jeder von uns, der seine Ziele erreicht, gibt den anderen Hoffnung.“ | |
Nur ein Beispiel, das diese Wechselwirkung belegt: Kurz bevor die | |
Niederländer [2][im Frühjahr 2016 das Assoziationsabkommen zwischen EU und | |
Ukraine ablehnten], besuchte Nigel Farage eine Veranstaltung der Gegner | |
dieses Vertrags, um ihnen Mut zuzusprechen. Unverhohlen äußerte Farage | |
damals die Erwartung, ein Sieg der niederländischen EU-Gegner würde den | |
Brexit-Befürwortern Auftrieb geben. Das Ergebnis ist bekannt. | |
Es dürfte im Übrigen nicht zuletzt dieser Dynamik geschuldet sein, dass die | |
Parteien, die „Europe of Nation and Freedoms“ bilden, sich nicht etwa in | |
gegenseitigen Konflikten verzetteln, sondern ihre Ambitionen gegen einen | |
vermeintlichen gemeinsamen Feind zu bündeln vermögen. | |
Die Botschaft aus Koblenz ist deutlich: Es ist den Petrys, Wilders und Le | |
Pens mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen – mittels | |
gründlicher Analyse. Was auch bedeutet, in ihrer Rhetorik von „erwachenden | |
europäischen Völkern“ nicht gleich einen neuen Faschismus am Horizont zu | |
sehen, wohl aber eine erschreckende Unempfindlichkeit gegenüber solchen | |
Bildern. | |
22 Jan 2017 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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