# taz.de -- Kommentar Denkmal für Armenier: Die Türkei ist weiter als Erdogan | |
> Trotz Protesten aus Armenien und der Türkei lässt Erdogan ein | |
> Versöhnungsdenkmal abreißen. Doch die Gesellschaft ist weiter. Jedes Jahr | |
> gibt es mehr gemeinsame Initiativen. | |
Es sind widersprüchliche Signale, die aus der Türkei zum 96. Jahrestag des | |
Völkermords an der armenischen Minderheit im Osmanischen Reich kommen. Dem | |
Desinteresse und der Ignoranz der Herrschenden steht eine wachsende | |
Empathie für die Opfer und deren Nachkommen in der türkischen Gesellschaft | |
gegenüber. | |
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren stand die türkische Regierung in | |
diesem Jahr international kaum unter Druck. Angesichts der Umstürze und | |
Aufbrüche in der arabischen Welt sind Europa und die USA mit anderen Dingen | |
beschäftigt und im Übrigen auch gerade jetzt nicht daran interessiert, sich | |
mit der Türkei anzulegen - die türkische Diplomatie wird noch gebraucht. | |
Sosehr Ministerpräsident Erdogan und sein Außenminister Davutoglu sich im | |
Nahen Osten um Frieden bemühen, sosehr sind ihre früheren Versuche, einen | |
Ausgleich mit den armenischen Nachbarn zu finden, in der Versenkung | |
verschwunden. | |
Erdogan ist jetzt sogar zu offener Provokation übergegangen: Weil ihm und | |
seinen potenziellen Wählern bei der im Juni bevorstehenden Parlamentswahl | |
ein großes Versöhnungsdenkmal, das der türkische Künstler Mehmet Aksoy nahe | |
der armenischen Grenze vor vier Jahren errichten ließ, nicht gefällt, lässt | |
er die Skulptur allen Protesten aus Armenien und der liberalen Türkei zum | |
Trotz jetzt abreißen. | |
Eine barbarische Aktion, die allen seinen früheren Beteuerungen, die alten | |
Wunden zwischen Armenien und der Türkei schließen zu wollen, Hohn spricht. | |
Doch glücklicherweise ist die Aussöhnung zwischen den beiden Nachbarländern | |
längst nicht mehr nur eine Sache der Regierungen. Es gibt jedes Jahr mehr | |
zivilgesellschaftliche Initiativen, und die Trauerkundgebungen anlässlich | |
des Jahrestages, die am Sonntag nicht mehr nur in Istanbul, sondern schon | |
in fünf weiteren türkischen Städten stattfanden, machen deutlich, dass sich | |
die Gesellschaft nicht mehr auf die Leugnung des Genozids festlegen lässt. | |
25 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erdogan erbost über Genozid-Gesetz: "Massaker an der Meinungsfreiheit" | |
Der französische Senat ist nicht zurückgewichen: Die Leugnung des | |
Völkermordes an den Armeniern ist künftig strafbar. Der türkische Premier | |
Erdogan spricht von Rassismus. | |
Französisches Genozid-Gesetz: Protest aus der Türkei | |
In der französischen Nationalversammlung steht am Donnerstag das | |
Genozid-Gesetz auf der Tagesordnung. Künftig soll es strafbar sein, die | |
offiziell anerkannten Genozide zu leugnen. | |
Sex-Skandal in der Türkei: Rechte stolpern über brisante Videos | |
Vier Abgeordnete der nationalistischen MHP müssen wegen verfänglicher | |
Sex-Videos kurz vor den Wahlen zurücktreten. Davon könnte die | |
Regierungspartei AKP profitieren. | |
Völkermordgedenken in der Türkei: Nelken für die Genozid-Opfer | |
Anlässlich des Jahrestages des Völkermordes an den Armeniern erinnern in | |
türkischen Städten hunderte Menschen an die Toten. Die Regierung leugnet | |
das Verbrechen nach wie vor. |