# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Hertha dealt mit Tattoos | |
> Berlins Bundesligist lobt eine lebenslange Dauerkarte aus, wenn man sich | |
> einen QR-Code stechen lässt. Das bewirkt mehr als üble Assoziationen. | |
Bild: Auch der Mond kann beim Berliner Olympiastadion Assoziationen bewirken | |
Ein Berliner Bundesligist hat sich etwas Pfiffiges ausgedacht. „Wir suchen | |
einen Fan, der seine Verbundenheit mit Hertha BSC ganz offen zeigen möchte | |
…“. Nein, das ist es noch nicht, der Satz geht weiter, „… – nämlich … | |
eines Tattoos!“ Und, weil auch das noch nicht so ganz originell ist, gibt | |
Hertha das Motiv gleich vor: In den Rahmen der Berliner Stadtgrenzen wird | |
eine Hertha-Fahne gestochen, dazu noch die Türme des Olympiastadions – dann | |
soll da noch ein QR-Code prangen. „Und dieser Code führt direkt ins Glück�… | |
formuliert Hertha. „Er ist nämlich eine Eintrittskarte für alle | |
Bundesliga-Heimspiele der Berliner – die Dauerkarte deines Lebens!“ | |
Auf Rückfragen, ob personalisierte Tattoos auf Unterarmen nicht bestimmte | |
Assoziationen auslösen, reagiert man bei Hertha sehr allergisch: Alles sei | |
doch freiwillig, außerdem habe der Klub doch seine NS-Geschichte | |
aufgearbeitet, und eine Regenbogenfahne wehe doch auch vor der | |
Geschäftsstelle. | |
Selbst wenn man sich auf die These einlässt, dass das ja alles freiwillig | |
und aus Liebe zum Verein geschieht, ist es ein sehr ungleicher Tausch, der | |
da als „verrückte Werbeidee“ (Bild) oder als „kuriose Werbeaktion“ | |
(Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung) verkauft wird. Der | |
Handel, den Hertha seinen Fans anbietet, mag nämlich ein sehr kleiner sein | |
– aber doch nur aus Sicht eines Profiklubs, der mit Millionenbeträgen | |
jongliert. Aus Perspektive eines Fans jedoch, der noch ein paar Jahrzehnte | |
zu seiner Hertha gehen möchte, ist das ein ziemlich hoher Preis. Über 400 | |
Hertha-Anhänger haben sich schon gemeldet, ist zu hören, und man dürfte | |
nicht ganz falsch mit der Vermutung liegen, dass es nicht die finanziell am | |
besten ausgestatteten Fans sind. Da hapert es schon merklich mit der | |
Freiwilligkeit. | |
Die Aktion hat nämlich einen nicht ganz geringen wirtschaftlichen Anreiz. | |
Eine lebenslange Dauerkarte muss man erst mal bezahlen können. Was Hertha | |
BSC anbietet, ist ein ökonomischer Deal: Wir geben dir etwas Geldwertes, du | |
gibst dafür deine Haut und wirst unser Werbeträger. Hier wird ein Stück | |
Körper verkauft – und das unterscheidet die Hertha-Aktion sehr | |
grundsätzlich von jedem freiwilligen Tattoo, das aus Liebe zu einer Frau, | |
einem Mann, einem Kind oder, was es ja wirklich oft gibt, auch zu einem | |
Fußballverein gestochen wird. | |
## Erst der Code? Und dann noch das Olympiastadion? | |
Vor ein paar Jahren hatte der brasilianische Klub Vasco da Gama jedem Fan, | |
der sich an einem bestimmten Tag ein Vereinstattoo stechen ließ, ein | |
Mannschaftstrikot geschenkt. Im Vergleich zu einem Hemd ist eine | |
lebenslange Dauerkarte gewiss attraktiver ist, aber dafür hatte Vasco da | |
Gama seinen Anhängern doch weiter überlassen, wie letztlich das Kunstwerk | |
auf der Haut aussehen wird. | |
Bei Hertha hingegen ist die Auswahl des Motivs gerade nicht freiwillig: | |
Hertha-Fahne und -schriftzug? Okay, muss wohl. QR-Code? Mehr als | |
grenzwertig (und in Klammern sei gefragt, woher der Klub denn weiß, dass | |
diese hässlichen Grafikpflatsche in 20 oder 30 Jahren noch Verwendung | |
finden, wenn ich mit meinem schrumplig gewordenen Unterarm vor dem Topspiel | |
Berlin – Heidenheim vor irgendeiner Hertha-Arena stehe und rein will?). | |
Aber Olympiastadion? Soll man den vom Klub fürs Tattoo vorgeschriebenen | |
Blick aufs Marathontor mit den olympischen Ringen wirklich ein Leben lang | |
ertragen müssen? Ausgerechnet die Dauererinnerung an die Nazispiele 1936 | |
soll dazu beitragen, dass sich beim tätowierten QR-Code keine schlimmen | |
Assoziationen einstellen? | |
Was bleibt, ist die sehr unschöne Erkenntnis, dass sich mit dieser | |
Werbeaktion der Platz, den der Fußball in der Gesellschaft einnimmt, sich | |
verschlechtert hat. Wenn sich diese „kuriosen“ und „verrückten“ Aktion… | |
durchsetzen, muss man nicht mehr über Fanrechte reden und die Frage, wem | |
der Fußball gehört, braucht mit Supportern gar nicht mehr diskutiert | |
werden. | |
Wie gesagt: Mag sein, dass diese und ähnliche Aktionen für einen | |
Bundesligaklub alles Peanuts sind. Für Fans hingegen ist es eine große | |
Sache, und nicht mal für den glücklichen Fan, der künftig mit gestochenem | |
QR-Code durchs Leben läuft, ist das so richtig schön. | |
8 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Fußball | |
Hertha BSC Berlin | |
Tattoo | |
Deutscher Meister | |
Fußball | |
Fußball-Bundesliga | |
Hertha BSC Berlin | |
WM 2014 | |
Fußball-Bundesliga | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahre Liebe von Fußballfans: Fußball muss romantisch sein | |
Es macht unglücklich, immer Meister werden zu wollen. Stilvoll verlieren zu | |
können, ist besser. So wird man am schönsten mit seinem Verein alt. | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Elf mal Marx im Aufgebot | |
Sport diene der Reproduktion der Arbeitskraft, so hieß lange das linke | |
Dogma. So spaßbefreit betrachtet heute wohl kaum jemand mehr das Sporteln. | |
Herthas Sieg gegen Leverkusen: Gesteigerte Pappnasenstimmung | |
Dem Fußball-Erstligisten gelingt der erste Sieg in diesem Jahr: 2:0 | |
gewinnen die Berliner gegen den Champions-League-Aspiranten Leverkusen. | |
Werbeaktion von Hertha BSC: Liebe, die unter die Haut geht | |
Der Berliner Fußballverein will eine lebenslange Dauerkarte an einen Fan | |
vergeben, der sich seine Liebe zu Hertha auf den Unterarm schreiben lässt. | |
WM-Teil XIV: Fast bis unter die Haut | |
Heutzutage brauchen Fans die richtigen Accessoires, um sich beim Jubeln | |
adäquat in die Arme fallen zu können. Die Stars machen es vor. | |
Kolumne Die rätselhafte Welt des Sports: Griaß di, Dante! | |
Besinnung in der Vorweihnachtszeit? Nicht im Fußball. Hier gibt es | |
Tattoo-Stecher, Prostata-Kontrollen und lästernde Expräsidenten. O du | |
fröhliche. |