# taz.de -- Jack Londons 100. Todestag: Kämpfe um ein bisschen Leben | |
> Jack Londons Stil ist klar und einfach – aber ganz gewiss nicht | |
> oberflächlich. Der Abenteurer wäre sogar fast Präsidentschaftskandiat | |
> geworden. | |
Bild: In der Verfilmung von „Der Seewolf“ spielten Raimund Harmstorf (r.) u… | |
Versteckt im Rahmen eines Güterwagens durch den Westen. Auf Goldsuche am | |
Klondike. Als Austernpirat in der San Francisco Bay. Wer Jack London liest, | |
taucht ab ins Abenteuer. Weil seine Bücher so leicht und eingängig zu lesen | |
sind, werden sie bisweilen als Werke minderer Güte bewertet, geeignet | |
bestenfalls für pubertierende Jungs mit Hang zur großen, weiten Welt. | |
Das ist mehr als ungerecht. Jack Londons Stil ist klar und einfach, aber | |
London ist ganz gewiss nicht oberflächlich. Er hat den Landstreichern, den | |
Deklassierten, Knastbrüdern, Säufern und Ausgebeuteten in Amerika ein | |
Denkmal gesetzt. Wer seine autobiografische Geschichte über das furchtbare | |
Leben im Gefängnis – abgedruckt in „Abenteurer des Schienenstrangs“ – | |
liest, für den ist „Klassenjustiz“ nicht länger nur ein abgeschmackter | |
Kampfbegriff. | |
Jack London, der am Dienstag vor einhundert Jahren verstorben ist, hat sich | |
seine Geschichten nicht am Schreibtisch ausgedacht. Er hat sie selbst | |
erlebt. Der Autodidakt, aufgewachsen als John Griffith Chaney in einer | |
bettelarmen Familie in San Francisco, hat in Berkeley ohne Abschluss | |
studiert, er hat in Kneipen und einer Konservenfabrik gejobbt, war | |
Schiffseigner, Landstreicher, Hilfspolizist, Goldsucher, Landwirt, | |
Weltreisender – und Sozialist. | |
Es ist nicht so, dass die Solidarität unter den Abgehängten im Mittelpunkt | |
seiner Werke stünde – ganz im Gegenteil beschreibt London die erbitterten | |
Kämpfe um ein bisschen Leben. Als Mitglied der Sozialistischen Partei aber | |
focht er mit seinen Texten für die Unterdrückten, und das so erfolgreich, | |
dass ihn die Partei zum Präsidentschaftskandidaten machen wollte. Das aber | |
war London zu viel. Er entwischte lieber nach Tahiti. | |
Anfangs wollte niemand seine Storys drucken, am Ende war London ein | |
gefeierter Erfolgsautor, rastlos und getrieben, der mehr als 1.000 Wörter | |
am Tag zu Papier brachte. | |
„Ich will lieber, dass mein Funke in einer hellen Flamme ausbrennt, als | |
dass er in Fäulnis erstickt“, schrieb Jack London. So hat er gelebt – mit | |
60 Zigaretten täglich, Whiskey schon zum Frühstück, Abenteuer nicht nur im | |
Kopf. Und so ist er im Alter von nur 40 Jahren gestorben. | |
21 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
Reisen | |
Alaska | |
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