# taz.de -- Grüne KandidatInnen: Bücking wird nicht Bausenator | |
> Die Grünen-Liste für die Bürgerschaftswahl birgt auf den vorderen Plätzen | |
> keine Überraschungen. Der Ex-Viertel-Bürgermeister und die Jugend stehen | |
> eher hinten an. | |
Bild: Unangefochten auf Platz 1: Die grüne Spitzenkandidatin Karoline Linnert. | |
BREMEN taz | Bei den Männern gab’s einen kleinen Eklat und einen tapferen | |
Verlierer. Und bei den Frauen – dieses Klischee bediente, obschon völlig | |
durchgegendert, die grüne Wahlversammlung zur Listenaufstellung am | |
Sonnabend dann doch – flossen die Tränen: Als Zahra Mohammadzadeh in der | |
Stichwahl um Platz 13 endlich die Nase vorn gehabt hatte, da übermannten | |
die Emotionen die Biologin. Gefragt, ob sie die Wahl annehme, schluchzte | |
sie ein Ja, das jeder Braut in Weiß zu Ehren gereicht hätte. | |
Es war der bis zu diesem Zeitpunkt wahrnehmbarste Gefühlsausbruch. Denn | |
ausgesprochen sachlich waren die Kampfkandidaturen ausgetragen worden: | |
Immerhin gut neun Prozent der Mitglieder wollten einen der Listenplätze | |
ergattern und fast ein Drittel der Bremer Grünen war gekommen, um | |
mitzuentscheiden. Ab Runde fünf waren jeweils mindestens drei BewerberInnen | |
gegeneinander angetreten, nachdem überraschungsfrei die SenatorInnen und | |
der Fraktionsvorsitzende in ihren Führungsrollen bestätigt worden waren: | |
88,4 Prozent plus ein Blumenstrauß für Spitzenkandidatin Karoline Linnert, | |
88,5 für Matthias Güldner, achtbare 74,5 für den in der Wahrnehmung mancher | |
Kommentatoren ungeliebten Umweltsenator Joachim Lohse – das sind für die | |
streitlustige Grünen-Partei gute Werte. | |
Und für die kämpferische, an die SPD gerichtete Ansage: „Ich will | |
Sozialsenatorin bleiben“, bekam Anja Stahmann tosenden Beifall und 92,9 | |
Prozent der Stimmen. Dass das Ressort grün bleibe, sei „wichtig, weil wir | |
das Zusammenspiel zwischen freien und staatlichen Trägern einfach besser | |
gestemmt kriegen“. In Sachen Kita-Ausbau, Gesundheitsversorgung Papierloser | |
und Unterbringung von Flüchtlingen habe man bundesweit beachtete Erfolge | |
vorzuweisen. | |
Tatsächlich gleichen solche Wahlversammlungen die Selbstwahrnehmung der | |
BewerberInnen mit der Einschätzung durch die Basis ab. Klaffen die zu weit | |
auseinander, kann das arge Wunden schlagen. So wohl bei Silvia Schön, der | |
Bürgerschaftsvizepräsidentin, die lange erfolglos durchhielt und nur auf | |
Platz 15 steht. Aber auch bei dem wesentlich prominenteren Robert Bücking. | |
Als Ortsamtsleiter des Bezirks Mitte/Östliche Vorstadt hatte der gerade | |
nach 20 Jahren seinen Ausstand begangen. Angesichts seiner Kandidatur hatte | |
der Weser-Kurier in Bücking schon den künftigen Bausenator erkennen wollen. | |
Doch diese Spekulation hat sich am Sonnabend als Gewäsch erwiesen. | |
Eingestiegen war Bücking bei der Konkurrenz um Platz sechs. Da kamen Ralph | |
Saxe und Fraktions-Vize Björn Fecker mit Ergebnissen von deutlich über 40 | |
Prozent in die Stichwahl, die dann Fecker für sich entschied. „Ich hatte | |
mit soliden 20 Prozent für mich gerechnet“, räumte Bücking geknickt ein. | |
Sein Balken war nur auf 12,8 geklettert. Später sanken seine Ergebnisse | |
teils in den einstelligen Bereich. Bücking erhielt seine Kandidatur | |
aufrecht: „Ich koste das jetzt bis zur Neige aus.“ Die Neige hieß für ihn | |
Platz 18 – von dem er infolge des neuen Wahlrechts mittels Personenstimmen | |
dennoch ins Parlament einziehen dürfte. Schwerer hat es da die Grüne | |
Jugend: Sie kommt mit Marie Hoppe (28) erst ab Platz 17 vor. | |
Für einen Beinahe-Eklat sorgte die Bewerbung Frank Michael Rauchs. Der | |
Umweltwissenschaftler arbeitet beim Senator und hatte in seiner Bewerbung | |
seine historische Rolle betont: Er habe „1978 in Niedersachsen einen der | |
ersten grünen Kreisverbände mit aufgebaut“. | |
Die Flecken auf seiner politischen Vita förderte eine Frage des | |
Landesschatzmeisters zutage: Zögerlich – und nach taz-Recherchen sehr | |
lückenhaft – erklärte Rauch, früher Mitglied der rechtsdrehenden ökologis… | |
demokratischen Partei (ödp) gewesen zu sein. Das ist ein schwacher | |
Ausdruck: Das Handbuch „Deutscher Rechtsextremismus“ führt ihn 1996 als den | |
ödp-Organisationsbeauftragten für Bremen auf. Außerdem sei er als | |
Jugendlicher im „Weltbund zum Schutze des Lebens“ (WSL) aktiv gewesen, | |
räumte er auf Vorhalt ein: „Das war mit 15 Jahren“, also 1968. Dass er nie | |
ausgetreten ist, hat er ganz vergessen zu sagen. | |
Der WSL ist eine um 1960 entstandene Organisation, die ihre Vorstellung von | |
Umweltschutz auf völkischer Basis entwickelt hat. Ihr Gründungspräsident | |
war Medizinalrat Walter Gmelin, Ende der 1930er-Jahre Leiter einer | |
Psychiatrie und vor allem für ihre Euthanasieabteilung zuständig. Die | |
deutsche Sektion wurde 1985 aus dem Weltbund ausgeschlossen – wegen ihres | |
Rechtsradikalismus. Doch auch die internationale „World Union for | |
Protection of Life“ beruft sich weiterhin auf dasselbe Gründungsdokument | |
wie diese – einen Erguss des Blut und Boden-Dichters Günther Schwab, | |
SA-Mann und NSdAP-Mitglied seit 1930. Rauch, der die in Bremen gehostete | |
Website des internationalen WSL inhaltlich verantwortet, moderiert auch | |
dessen Forum im Social-Media Netzwerk Xing. Am Ende scheiterte Rauchs | |
Listen-Bewerbung – es reichte nicht mal zu Platz 45. Alles andere hätte | |
doch schief gestanden zu einer Partei, die deutlich ihr linkes Selbstbild | |
pflegte und die Distanz zur Bremer CDU betonte, die nach Feckers | |
Wahrnehmung „über äußerst unappetitliche rechte Ränder“ verfügt. | |
30 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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Karoline Linnert | |
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