# taz.de -- Gemeindevorstand über Chanukka in Bremen: „Nicht nur wir brauche… | |
> Die Jüdischen Gemeinden in Bremen und Bremerhaven feiern Lichterfest. | |
> Grigori Pantijelew erklärt, warum wir Hoffnung in dunklen Zeiten | |
> brauchen. | |
Bild: Wie auch im Jahr 2019 entzündet Rabbiner Natanel Teitelbaum (l) eine Ker… | |
taz: Chanukka, das Lichterfest, steht für Hoffnung. Wie vermitteln Sie | |
diese [1][in Kriegszeiten], Herr Pantijelew? | |
Grigori Pantijelew: Die Menschen brauchen Hoffnung, dass diese Zeit des | |
Krieges vorbei sein wird. Es ist an uns, Hoffnung zu vermitteln: an die | |
Kämpfer, an die Opfer und alle, die meinen, unbeteiligt am Rande der Straße | |
zu stehen. | |
Hoffnung worauf? | |
Der Sinn dieses Festes ist, dass das Licht die Dunkelheit besiegt. Und in | |
dieser Metapher liegt der Sinn des Lebens und die Freude darüber, dass es | |
möglich ist, ob es per Wunder oder über die menschlichen Handlungen kommt. | |
Darauf muss man hinarbeiten. | |
Warum benötigt ein solches Fest Öffentlichkeit? | |
Chanukka ist einer der wenigen jüdischen Feiertage, an dem es tatsächlich | |
um Öffentlichkeit geht. Das Fest ist explizit darauf ausgerichtet, auch für | |
Nichtjuden zugänglich zu sein. Es ist ja auffällig, dass diese Zeit von den | |
meisten Religionen als Zeit der Dunkelheit draußen benutzt wird, um das | |
Licht anzusprechen. Uns ist wichtig, diese Botschaft nach außen zu tragen, | |
weil sie allgemein menschlich ist. Wir betrachten sie als unseren Beitrag | |
zur Krisenbewältigung. Wir sehen aktuell eine sehr deutliche Krise in der | |
Gesellschaft und nicht nur wir brauchen Licht. Ich glaube, alle brauchen | |
das. | |
Das hat in Deutschland eine besondere Bedeutung … | |
Das jüdische Leben in Deutschland meint, angekommen zu sein: Wenn es aber | |
nicht öffentlich sein kann, solange es unsichtbar bleibt, steht das im | |
Widerspruch zur behaupteten Normalität. Das Leben der jüdischen Gemeinde | |
findet fast immer notgedrungen [2][hinter einem Zaun und unter | |
Polizeischutz] statt. Mit diesem Fest haben wir die Möglichkeit, das zu | |
öffnen. Wir gehen das offensiv an, indem wir uns zeigen. In Überzeugung, | |
dass es ein gutes Zeichen der Freundschaft und beiderseitiger Akzeptanz | |
ist. | |
Wie tragen Sie das Fest nach draußen? | |
Es werden in Bremerhaven und Bremen [3][große Chanukka-Leuchter | |
aufgestellt] in der Öffentlichkeit, an zentralen Orten. In Bremen hat | |
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zugesagt, zum Anzünden der ersten | |
Kerze am Sonntag zu erscheinen, sodass wir das gemeinsam machen können. | |
Direkt am Weihnachtsmarkt? | |
Nein, wir suchen ja keine Konkurrenz. Dementsprechend ist unser Fest | |
explizit nicht am Weihnachtsmarkt. Wir werden vor der Glocke sein, dem | |
Bremer Konzertsaal. Da stehen dann Teilnehmer und Interessierte. Der | |
Landesrabbiner Netanel Teitelbaum bringt eine sehr große Chanukkia mit, | |
also den Chanukka-Leuchter: Der Leuchter hat insgesamt acht Arme, und von | |
Tag zu Tag wird eine weitere angezündet – das ist es schon. Keine | |
Feierlichkeit für mehrere Stunden in dieser kalten Zeit, aber symbolisch | |
sehr deutlich für alle. | |
Anders als die Hilfe der Gemeinde für Geflüchtete … | |
Es stimmt, wir haben vom 24. Februar dieses Jahres an viel gemacht, um in | |
unserer unmittelbaren Umgebung zu helfen – natürlich zunächst vor allem den | |
jüdischen Geflüchteten. Seit April betreiben wir aber auch eine Gruppe in | |
unserer Bremer Kindertagesstätte explizit für die Kinder aus ukrainischen | |
Familien und ohne darauf zu achten, ob es jüdische oder nicht jüdische | |
Kinder sind. Diese Kinder sprechen kein Deutsch. Wir haben also auch die | |
Ukrainisch sprechenden Erzieherinnen eingestellt. Es sind inzwischen | |
mehrere Dutzende von Kindern durch diese Gruppen gegangen. Soweit wir | |
wissen, waren wir da Pioniere. | |
Also helfen Sie, die Flüchtlinge zu integrieren? | |
Unser Plan ist zu helfen. Die meisten von diesen Flüchtlingen haben gar | |
nicht vor, hier zu bleiben und sich integrieren zu lassen. Ukrainische | |
Kämpfer brauchen Zuversicht und das sichere Gefühl, dass sie auf | |
Deutschland sich verlassen können. Sie kämpfen ja auch für uns. | |
17 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[2] /Nationale-Strategie-gegen-Antisemitismus/!5895572 | |
[3] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/chanukkia-bremerhaven-100.html | |
## AUTOREN | |
Malek Tellissi | |
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