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# taz.de -- Gelbwesten-Proteste in Frankreich: Sie fordern eine bessere Demokra…
> Nach acht Wochen der teils gewaltsamen Proteste werden konkrete
> politische Ziele der Demonstrationen erkennbar. Die Regierung will nun
> zuhören.
Bild: Wollen mehr Mitspracherecht: Die Protestierenden der „Gelbwesten“-Bew…
Paris taz | Noch zeichnet sich in Frankreich für die Staatsführung kein
Ende des Konflikts mit den Gilets jaunes ab. Auch am achten Wochenende
sind wieder Zehntausende von Menschen mit oder ohne gelbe Warnwesten
[1][auf die Straße gegangen]. Die Protestbewegung hat sich in eine
Oppositionsbewegung verwandelt, deren Zielsetzungen längst über finanzielle
Forderungen wie Steuersenkungen oder eine Erhöhung des Mindestlohns
hinausgehen.
Zwar beteiligen sich [2][weniger Leute an den Demonstrationen],
Straßensperren und anderen Aktionen, doch der Charakter des Protests hat
sich geändert. Trotz der gelegentlich sehr gewaltsamen Krawalle in mehreren
Städten hat eine Mehrheit der französischen Bevölkerung Sympathien für die
Gilets jaunes. Laut der letzten Umfrage wünschen 55 Prozent, dass die
Bewegung fortgesetzt werde.
Alles Bitten und Drohen der Regierung hat daran nichts geändert. Was sie
bisher [3][als Zugeständnisse angeboten hat], wird von einem überwiegenden
Teil der seit dem 17. November in Gelb Demonstrierenden als geradezu
provokativer Versuch betrachtet, sie abzuspeisen. Denn die von
Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigte Steigerung der Kaufkraft für
die niedrigsten Einkommen hat sich im Wesentlichen als eine Art Zulage
entpuppt, welche die Berechtigten bei der Fürsorge beantragen sollen.
Wenig Erfolg hatte auch die verschärfte staatliche Repression. Noch vor
Weihnachten waren laut Angaben des Innenministeriums mehr als 4.500
Personen bei Aktionen der Gilets jaunes festgenommen worden. Mehrere
Hundert – darunter [4][der Wortführer Éric Drouet] – sollen sich vor der
Justiz verantworten.
## Zweimonatige landesweite Debatte
In zahlreichen Ortschaften in der Provinz liegt in den Rathäusern ein
Beschwerdebuch auf, in dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Forderungen
vorbringen können. Das Vorgehen erinnert nicht von ungefähr an die „Cahiers
de doléance“ (Klageschriften) vor der Französischen Revolution von 1789.
Auf dieser Grundlage soll auf Initiative der Regierung ab Mitte des Monats
eine zweimonatige landesweite Debatte auf lokaler Ebene stattfinden.
Nach den Vorstellungen der Regierung sollen diese Diskussionen auf vier
Schwerpunktthemen beschränkt werden: Steuern, Energiewende, Rolle der
Bürger in der Demokratie und die Organisation des Staats. Rund die Hälfte
der derzeit Befragten glauben, dass die Staatsführung die dabei geäußerte
Volksmeinung berücksichtigen werde.
Den Gelbwesten genügt eine informelle Mitsprache nicht, sie wollen eine
echte Selbstbestimmung „durch das Volk für das Volk“. Im Zentrum der
Debatten wird ihre wichtigste Forderung nach einem Referendums- und
Initiativrecht für die Bürger (RIC) stehen. Dieses neue Volksrecht soll es
erlauben, mit einer bestimmten Zahl von Unterschriften eine Debatte samt
Abstimmung über bereits vom Parlament verabschiedete oder neu
vorgeschlagene Gesetzestexte zu verlangen.
Befürworter nennen als Vorbild die Schweiz, wo seit 1848 eine solche
„direkte Demokratie“ existiert und dort keineswegs die institutionelle
Macht destabilisiert, sondern im Gegenteil zur Konsensbildung beigetragen
hat. Doch was bei den Eidgenossen funktioniert, sei zu riskant in
Frankreich, meinen die Gegner des Vorschlags. Sie befürchten, dass auf
diesem Weg zum Beispiel die Wiedereinführung der Todesstrafe oder die
Abschaffung der legalisierten Ehe für alle möglich sei.
Die Forderung nach Mitbestimmung geht noch weiter: Einige möchten, dass per
Referendum sogar gewählte Volksvertreter oder Mitglieder der Exekutive, am
liebsten auch der Staatschef persönlich, abgesetzt werden können. Ein
solches revolutionär anmutendes Ansinnen sprengt den institutionellen
Rahmen und macht darum nicht nur der Staatsführung Angst.
Regierungssprecher Benjamin Griveaux warnte vor „Agitatoren“, deren
einziges Ziel es sei, die Regierung zu stürzen. Noch fehlt diesen
„Umstürzlern“ dazu eine Strategie und eine minimale Organisation. Die
nationale Demokratiedebatte oder die Kampagne für die EU-Wahlen könnte
ihnen aber einen neuen Anlass liefern, mit weitergehenden und eigentlich
unerfüllbaren Forderungen erneut an der Staatsmacht zu rütteln.
7 Jan 2019
## LINKS
[1] /Gelbwesten-Proteste-in-Frankreich/!5562918
[2] /Gelbwesten-in-Frankreich/!5562908
[3] /Kommentar-Macron-zu-Gelbwesten/!5558183
[4] /Wortfuehrer-der-Gelbwesten-in-Paris/!5560148
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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