Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Football-Star Colin Kaepernick: Ein Kniefall mit Folgen
> Die Netflixserie „Colin in Black & White“ beschäftigt sich mit den
> Rassismuserfahrungen und -erlebnissen im Leben des Sportlers und
> Aktivisten.
Bild: Colin Kaepernick wurde 2016 zum polarisierendsten Sportler seiner Generat…
Wenn es Football-Spieler in Deutschland, wo American Football seit jeher
eher eine Nischenangelegenheit ist, zu echter Bekanntheit schaffen, dann
hat das selten mit sportlichen Leistungen zu tun. Meist sind sie mit
Supermodels oder Popstars liiert, einige machen in Hollywood Karriere. Auch
[1][Colin Kaepernick] wurde nicht durch seine Leistungen als Quarterback
berühmt. Und doch war es etwas, das er auf dem Spielfeld tat, das seinen
Namen um die Welt gehen ließ.
Kaepernick wurde 2016, nach fünf Jahren in der Profiliga NFL, zum
polarisierendsten Sportler seiner Generation: bei der vor jedem Spiel im
Stadion [2][vorgetragenen Nationalhymne stand er nicht mehr auf] und sang
mit, sondern kniete auf dem Feld, um seinen Protest gegen Rassismus und
Polizeigewalt in den USA zu bekunden. Zahlreiche Fans, Prominente und auch
Kollegen bekundeten ihre Solidarität, andere Footballanhänger warfen ihm
vor, dass Politik im Sport nichts zu suchen habe, verbrannten Trikots mit
seinem Namen und skandierten während der Spiele rassistische Schmähungen.
Seit Anfang 2017 wartet er darauf, von einem neuen Verein unter Vertrag
genommen zu werden, auf dem Platz stand er in den vergangenen Spielzeiten
nicht mehr. Der dieser Tage 34 Jahre alt werdende Kaerpernick hat seither
also viel Zeit – und noch viel mehr zu sagen.
In der Serie „Colin in Black & White“, für die er sich mit der
Filmemacherin Ava DuVernay („Selma“) zusammengetan hat und die seit einigen
Tagen bei Netflix zu sehen ist, nutzt Kaepernick nun beides und hat den
idealen Weg gefunden, sowohl auf seine Karriere zurückzublicken als auch
die Ereignisse der letzten Jahre zu verarbeiten. Für die sechs rund
30-minütigen Episoden haben die beiden ein Format gefunden, das so
ungewöhnlich wie effektiv ist.
## Afroamerikanische Geschichte und politische Realitäten
Jede Folge beinhaltet Biopic-Szenen, also autobiografische, nur minimal
fiktionalisierte Einblicke in die Jugend des heranwachsenden Colin
(gespielt von Jaden Michael), der als Sohn eines Schwarzen Vaters und einer
weißen Mutter bereits als Baby von einem weißen Ehepaar (Mary-Louise Parker
und Nick Offerman) adoptiert und in einer kalifornischen Kleinstadt groß
wurde. Wir sehen nicht nur, wie in dem Sportass, das auch im Baseball hätte
Karriere machen können, der Ehrgeiz erwacht, NFL-Profi zu werden, sondern
auch sein Manövrieren in einer fast ausschließlich weißen, eher
konservativen Welt. Das Ganze wiederum wird aus heutiger Sicht kommentiert
vom echten Kaerpernick, der nicht nur verdeutlicht, wie er zu dem
Aktivisten wurde, der er heute ist, sondern nebenbei auch noch eine
Einordnung des Geschehens in afroamerikanische Kulturgeschichte und
politische Realitäten liefert.
Sonderlich subtil geht es dabei gleich ab der ersten Minute nicht zu, in
der das Vermessen und Abschätzen Schwarzer Football-Spieler vor ihren
Vertragsunterzeichnungen gleichgesetzt wird mit dem Sklavenhandel des 18.
und 19. Jahrhunderts. Doch es geht Kaepernick und DuVernay, die auch schon
mit der Miniserie „When They See Us“ oder dem Dokumentarfilm „13th“ ein…
aufklärerischen Impetus unter Beweis stellte, auch nicht darum, irgendwie
um den heißen Brei herumzureden. Im Gegenteil: „Colin in Black & White“
will nicht nur unterhalten, sondern klare Fakten benennen und Bezüge
herstellen zwischen den subjektiven Erfahrungen des Protagonisten und der
von rund 50 Millionen US-Amerikanern geteilten „Black Experience“.
Das durchaus gewagte Experiment geht auf. Der junge Jaden Michael überzeugt
in den kurzweiligen Spielszenen auf ganzer Linie, in denen neben bitterem
Realismus auch subtiler Humor seinen Platz hat, etwa wenn es um das stets
unterwürzte Essen seiner Mutter geht. Und Kaepernick selbst ist ein
ungemein charismatischer Erzähler, von dessen Klarheit und Reflektiertheit
sich nicht nur so mache politische Kommentator*innen eine Scheibe
abschneiden könnten. Wer sich mit Themen wie institutionalisiertem
Rassismus, Mikroaggressionen oder „white privilege“ schon mal beschäftigt
hat, mag hier nicht permanent Neues erfahren. Doch so verständlich wurden
sie selten vermittelt. Und das macht „Colin in Black & White“ nicht zuletzt
zum idealen Stoff für alle, ob alt und (vor allem!) jung, die in dieser
Hinsicht noch etwas dazulernen wollen oder sollten.
1 Nov 2021
## LINKS
[1] /US-Footballspieler-Colin-Kaepernick/!5332666
[2] /Quarterback-Colin-Kaepernick/!5638657
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Netflix
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
USA
Colin Kaepernick
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Super Bowl in den USA: Weiße Dominanz
Einmal in der NFL zu spielen, das ist der Traum vieler Schwarzer Jungs.
Clubchefs und Trainer sind hingegen fast ausschließlich Weiße.
Sexuelle Übergriffe im Frauenfußball: Weitere Untersuchung angeordnet
Vorwürfe von sexuellen Übergriffen sollen ignoriert worden sein,
Spielerinnen wurden nicht geschützt. Eine weitere US-Fußballerin hat sich
geäußert.
Politische Athleten bei Olympia: Fragen des Erlaubten
Das IOC gibt politischen Protesten mehr Raum, delegiert aber die
Verantwortung an die Sportverbände. Das sorgt für Unsicherheit unter den
Sportlern.
Spieler-Protest bei der EM: Politisches Knien
Der Kniefall als Protestzeichen gegen Rassismus ist eher eine
Randerscheinung bei dem Turnier, auch wenn die Uefa den Aktionismus
gutheißt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.