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# taz.de -- Finale der US Open: Tolles Durcheinander
> Favorit Nadal kann Außenseiter Medwedew nur mit Mühe bezwingen. Zuvor
> wurde der Russe ausgebuht – doch am Ende jubelt das Publikum auch für
> ihn.
Bild: Er macht den Stern: Rafael Nadal
NEW YORK taz | Da saß er nun also nach seinem vierten Titelgewinn bei den
US Open, dem 19. bei einem Grand-Slam-Turnier, auf seiner Bank im größten
Tennisstadion der Welt, sah sich selbst und seine Siege in einem kleinen
Film auf der elektronischen Anzeigetafel, und es war um ihn geschehen.
Nomalerweise versucht Rafael Nadal in solchen Momenten, seine Emotionen zu
kontrollieren, aber das ging einfach nicht. [1][Nicht nach diesem Spiel],
in dem er alles an Stärke und Willenskraft verbraucht hatte, bis ans
Äußerste getrieben vom Debütanten auf der anderen Seite. Er weinte ein
wenig, und die Zeit blieb ganz kurz stehen.
Wieder, wie vor ein paar Wochen in Wimbledon, erlebte die Welt des Tennis
ein Männerfinale über die volle Distanz von fünf Sätzen, und wie vor zwei
Monaten bei Novak Djokovic und Roger Federer steigerte sich die Sache mit
zunehmender Dauer so sehr, dass sie manchmal kaum mehr auszuhalten war. Und
das war auch – vielleicht sogar vor allem – das Verdienst des wunderbaren
russischen Debütanten, der eine Lieblingsthese des Konkurrenten mit allen
Konsequenzen beantwortete.
Nadal sagt immer, in solchen Spielen gehe es ihm um die Frage: Wie sehr
kannst du leiden? Was hältst du aus? Was ihn selbst betrifft, da gibt es
lange keine Zweifel mehr, aber dass Daniil Medwedew in dieser Liga
mithalten kann, gehörte zu den Erkenntnissen dieses ganz großen Abends.
## So schnell ging es dann doch nicht
Nach einem ausgeglichenen ersten Satz, den sich Nadal schnappte, passierte
das, womit alle gerechnet hatten – es gibt genügend Statistiken zu diesem
Thema –, er klemmte sich den Vorsprung unter den Arm und rannte mit ihm
davon. Anfang des dritten Satzes verlor Medwedew wieder ein Aufschlagspiel,
alle dachten, das Spiel werde nicht mehr lange dauern, und der Gedanke kam
ihm auch. „Okay“, dachte er, „in 20 Minuten muss ich eine Rede bei der
Siegerehrung halten, was sag ich da?“
In Wirklichkeit hatte er bis zur Rede noch ungefähr zweieinhalb Stunden
Zeit. Mit ein paar untypischen Fehlern öffnete ihm Nadal die Tür zum Spiel
wieder, er nahm das Angebot dankend an, und damit verließ das Spiel das
normale Gleis. Auf einmal skandierten die Leute Med-we-dew, Med-we-dew; es
waren vermutlich auch etliche dabei, die ihn zehn Tage zuvor ausgepfiffen
und ausgebuht hatten, [2][weil er ihnen den Mittelfinger gezeigt] und sich
hinterher mit sarkastischen Kommentaren bedankt hatte.
Sie spürten, dass noch was gehen könnte, Medwedew hörte sie rufen und
spürte es auch. Und der ganze Rest wurde ein glorioses, atemberaubendes
Durcheinander. In dem Nadal manchmal so nervös wirkte, als sei er der
Debütant, und in dem Daniil Medwedew ein Statement abgab, das da lautet:
Leute, wenn ihr auf den Sieg eines jüngeren Spielers bei einem
Grand-Slam-Turnier wartet, dann könnte es bald so weit sein. „Die Art, wie
er gekämpft und gespielt hat, war die eines Champions“, lobte Nadal
hinterher. „Ich bin überzeugt, dass er viele weitere Chancen haben wird.“
Mit ungerührtem Gesichtsausdruck, riskanten Bällen und mit scheinbar
unerschöpflicher Energie trieb Medwedew den Favoriten in den fünften Satz,
und allein das gehört ins Raritätenkabinett; nur viermal in mehr als 300
Spielen bei einem Grand-Slam-Turnier hatte sich Nadal nach einer
2:0-Führung in einen fünften Satz jagen lassen, und ein einziges Mal hatte
er verloren, vor vier Jahren in New York gegen den Italiener Fabio Fognini.
Diesmal, im drittlängsten Spiel der Geschichte der US Open, gewann er (7:5,
6:3, 5:7, 4:6, 6:4), unterstützt und getragen von den Zuschauern, die einen
aus Sympathie gewebten Teppich für ihn ausrollten, auf dem er am Ende nach
dem dritten Matchball und nach vier Stunden und 50 Minuten zu Boden ging.
## Nicht viele wie Nadal
Den meisten Zuschauern ging es wie Daniil Medwedew, der dem Sieger herzlich
gratulierte, sich dann für die Unterstützung des Publikums bedankte,
diesmal allerdings lächelnd anstatt mit sarkastischem Unterton, und später
sagte, an diesen Abend werde er sich noch erinnern, wenn er 70 sei.
Der Spanier wird derweil die 19. Trophäe in der Glasvitrine seiner
Tennisschule in Manacor/Mallorca unterbringen. Mit 19 liegt er nur noch
einen hinter Roger Federer, und manches deutet darauf hin, dass er seinen
Lieblingsrivalen einholen kann.
Natürlich weiß er, dass ihn die Diskussion, ob er Federer vielleicht sogar
überholen kann, von nun an in größerer Lautstärke begleiten wird. Am Abend
seines Sieges nach einem der besten Endspiele, die die US Open jemals
sahen, erklärte er noch mal für alle zum Mitschreiben, wie er die Sache
sieht. „Ich sag immer dasselbe: Natürlich wäre ich gern der eine, der am
Ende einen Titel mehr hat, aber ich werde nicht glücklicher oder weniger
glücklich sein, wenn das passiert oder nicht. Was mich glücklich macht, ist
die Befriedigung, mein Bestes gegeben zu haben.“ Es gibt, so viel steht
fest, in der Welt des Sports nicht viele wie ihn.
9 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=S63gJTsLiXc
[2] https://www.news18.com/news/sports/from-showing-middle-finger-to-trolling-c…
## AUTOREN
Doris Henkel
## TAGS
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