# taz.de -- Fehlstart der Opposition: Schneller Wechsel an der Saar | |
> Die künftige Ministerpräsidentin Rehlinger (SPD) hat es eilig. CDU und | |
> AfD stehen indessen vor Zerreißproben. | |
Bild: Schlägt sich mit Parteiausschlussverfahren herum: Christoph Schaufert (A… | |
SAARBRÜCKEN taz | Das Saarland steht vor einem zügigen Regierungswechsel. | |
Im neuen Landtag verfügt die SPD mit 29 von 51 Abgeordneten über eine satte | |
absolute Mehrheit. Schon am 25. April will sich die erfolgreiche | |
SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger zur Ministerpräsidentin wählen lassen. | |
Ihren bisherigen Koalitionspartner CDU schickt sie dann in die Opposition. | |
Die CDU, die seit 23 Jahren ununterbrochen die MinisterpräsidentInnen | |
gestellt hat, muss sich die Oppositionsrolle mit den Rechtspopulisten von | |
der AfD teilen. Beide Parteien wirken einstweilen überfordert. | |
Wer wird für die CDU im Landtag auf Rehlingers Regierungserklärung | |
antworten? Schon diese einfache Frage bringt die Partei in Verlegenheit. | |
Klar ist lediglich, dass der abgewählte Ministerpräsident Tobias Hans nach | |
seiner Wahlniederlage den CDU-Landesvorsitz abgibt. Für die Nachfolge hat | |
Landtagspräsident Stephan Toscani seinen Hut in den Ring geworfen. Aus den | |
Führungsgremien der Partei war verlautet, in Zukunft solle Partei- und | |
Landtagsfraktionsvorsitz in einer Person gebündelt werden. Doch mit | |
Noch-Finanzminister Peter Strobel hat einer der Granden der Saar-CDU diese | |
stillschweigende Vereinbarung öffentlich in Frage gestellt. Erst ein | |
Landesparteitag am 25 Mai wird die Frage endgültig klären. | |
Wer darf also als erster in der neuen Rolle des CDU-Oppositionsführers das | |
Wort ergreifen? „Wer wann zu welchem Tagesordnungspunkt im Plenum spricht, | |
wird in einer gesonderten Fraktionssitzung nach Ostern besprochen,“ so die | |
Antwort der CDU-Landtagsfraktion auf taz-Anfrage. Bei der „kleinen“ | |
Oppositionspartei AfD scheint die Lage nur auf den ersten Blick klar. Die | |
drei Herren, die für die AfD in den neuen Landtag einziehen, waren bereits | |
vor der Wahl heillos zerstritten. Zwei von ihnen, der Abgeordnete Josef | |
Dörr, 83, und Christoph Schaufert, 52, schlagen sich mit | |
Parteiausschlussverfahren herum; der Dritte im Bunde, Carsten Becker, 32, | |
muss ebenfalls mit einem solchen Verfahren rechnen. | |
Der AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla war in der vergangenen Woche | |
persönlich an die Saar gereist, um die drei streitbaren Herren zu einem | |
Zusammenschluss zu bewegen. Nur als Fraktion hat die AfD Anspruch auf | |
Gelder und Mitwirkungsrechte in der neuen Legislaturperiode. Nach der nun | |
getroffenen Vereinbarung soll offenbar der bisherige AfD-Fraktionschef | |
Josef Dörr, 83, auch Vorsitzender des neuen Dreierbundes werden, sein | |
parteiinterner Rivale Schaufert wird Stellvertreter und Becker | |
parlamentarischer Geschäftsführer. Mit dieser Vereinbarung sichern sich die | |
Abgeordneten zusätzlich zu ihren üppigen Diäten Funktionszulagen, | |
Parteisenior Dörr steht sogar ein Dienstwagen mit Fahrer zu. | |
## Brüchiger Burgfrieden | |
Allerdings gilt der Burgfrieden als brüchig. Alle drei Fraktionskollegen | |
kämpfen nach wie vor um ihre AfD-Mitgliedsrechte. Schaufert und Becker | |
waren bei einem Coup beteiligt, der die Partei noch immer zu zerreißen | |
droht. Beide gehörten zu einem halben Dutzend Funktionären, die unmittelbar | |
vor der Wahl die offizielle AfD-Landesliste zurückgezogen hatten. „Lieber | |
kein Wiedereinzug in den Landtag, als weitere 5 Jahre Fremdschämen! Lieber | |
keine Landesliste, als eine Landesliste mit Steigbügelhaltern für Josef | |
Dörr!“ hatten die Parteirebellen um Schaufert und Becker formuliert. | |
Der AfD-Vorstand wertete das als parteischädigendes Verhalten und entzog | |
Schaufert postwendend die Mitgliedsrechte. Ausgerechnet mit Dörr schließen | |
nun seine Kritiker ein Bündnis. Als Alterspräsident wird der 83-Jährige die | |
konstituierende Sitzung des neuen Landtags eröffnen, als dem | |
Fraktionsvorsitzenden steht ihm das erste Wort zur Erwiderung auf die | |
Regierungserklärung zu. Was hat der Bundesvorsitzende Chrupalla den | |
Kontrahenten wohl angeboten, um dieses Bündnis zustande zu bringen? | |
Das fragen sich viele AfD-Mitglieder im Landesverband. In die | |
„Friedensverhandlungen“ war der vom Bundesvorstand eingesetzte, | |
saarländische „Notverstand“ ausdrücklich nicht eingebunden. Dessen | |
Vorsitzender, der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth, erklärte | |
gegenüber der taz: „Der Notvorstand, dem auch die Bundesvorstandsmitglieder | |
Carsten Hütter und Joachim Paul angehören, haben sich klar positioniert, | |
nämlich dass hinsichtlich der Parteiausschlussverfahren bei den | |
Vertragsverhandlungen keine Zugeständnisse gemacht werden dürfen“. | |
Einstimmig habe der Landesvorstand den Parteiausschluss „aller Mitglieder | |
und Funktionsträger aus der Partei“ gefordert, die die Rücknahme der | |
Landesliste befürwortet hätten, so der Volljurist Wirth. Hat sich | |
Schlichter Chrupalla über diese Beschlüsse hinweggesetzt? Auf diese | |
taz-Anfrage antwortete weder er, noch seine Pressestelle. | |
## Unterstützung von „A.M.“ | |
Drei Tage vor der Landtagswahl hatte die taz zudem enthüllt, dass sich | |
Landtagskandidat Schaufert in seinem Wahlkampf von der glühenden | |
Hitler-Verehrerin A.M. unterstützen ließ. Im Januar 2021 hatte sie auf | |
Facebook den „Führer“ an dessen Geburtstag als „Befreier Deutschlands“ | |
gefeiert. Sie war deshalb aus der AfD ausgeschlossen worden. Schaufert | |
verteidigte gleichwohl ihre Wahlkampfhilfe. „Insoweit behandle ich | |
niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er bei mir am Infostand (ohne | |
Funktion, einfach als Gast) auftaucht“, schrieb er der taz unter Berufung | |
auf die „Unschuldsvermutung“. Dass seine Helferin in dem umstrittenen | |
Chatverlauf auch noch Fotos des „Führers“, Hakenkreuze und NS-Landser | |
gepostet hatte, ließ er unkommentiert. | |
[1][Den taz-Artikel über diese skandalöse Wahlkampfhilfe] verbreitet noch | |
vor der Landtagswahl der AfD-Notvorsitzende Wirth im Internet. Sein | |
AfD-Vorstandskollege, der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter, | |
lobt den Artikel: „Gut geschrieben, hätte ich der Taz gar nicht zugetraut“, | |
und der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul ergänzt: | |
„Habe im Umlauf mit Ja gestimmt“. Er spielt damit auf den „Umlaufbeschlus… | |
an, mit dem Schaufert die Mitgliedsrechte entzogen wurden. An der Saar | |
fragen führende AfD-Mitglieder: Hat Chrupalla die Parteiverfahren erledigt? | |
Ein führender Kopf der Saar-AfD berichtet der taz am Telefon von ersten | |
Parteiaustritten und klagt über „stalinistische Verhältnisse“. Ein anderer | |
hatte bereits vor der Landtagswahl gemutmaßt: „Es geht nicht um Politik, | |
sondern um Geld und Posten!“ | |
Anmerkung der Redaktion: Im Text wurde nachträglich ein Zitat des | |
AfD-Politikers Christoph Schaufert wie folgt geändert: „Insoweit behandle | |
ich niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er bei mir am Infostand (ohne | |
Funktion, einfach als Gast) auftaucht.“ Vorher hatte es im Text geheißen: | |
„Insoweit behandle ich niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er am | |
Infostand hilft.“ | |
15 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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