| # taz.de -- Erzählungen von A. L. Kennedy: Kondome mit Schokoladengeschmack | |
| > Komik und Zartheit: In ihren neuen Geschichten versetzt die britische | |
| > Autorin sich gern in die männliche Perspektive. | |
| Bild: Die Schriftstellerin A. L. Kennedy anlässlich der Präsentation ihres Ro… | |
| Es gibt bei A. L. Kennedy zahlreiche Gründe, skeptisch auf die Liebe zu | |
| blicken: weil die Dauer einer Beziehung die ursprünglichen Gefühle | |
| füreinander zu gängelnden Gewohnheiten verkommen lässt; weil zu lieben für | |
| viele heißt zu besitzen; weil sich in die Sexualität oft Macht und auch | |
| Gewalt drängen. | |
| Auch in den zwölf neuen Erzählungen der 49-jährigen schottischen Autorin | |
| ist das so. Aber so wenig wie in ihren großartigen Romanen blickt Kennedy | |
| zynisch darauf, die Idee von Liebe ist für sie keinesfalls erledigt. So | |
| sehr ihre Figuren mit sich und ihrem Gegenüber hadern, so intensiv und | |
| beglückend erleben manche von ihnen Momente der Nähe, deren Verheißungen | |
| und Gefährdungen. | |
| „Liege ich falsch mit dem Gedanken – wenn ich den Mann berühre, den ich | |
| liebe, egal, wie ich ihn berühre, dann geht es nur darum, dass ich ihn | |
| berühre und dass es Liebe ist […] und dort zart zu sein, wo er zart ist, | |
| denn das wäre nur recht und am besten und am schönsten und meiner Seele am | |
| liebsten, und Lippen an zarten Orten können zart sein.“ | |
| Dies geht der Ich-Erzählerin in der Geschichte „Baby Blue“ durch den Kopf | |
| angesichts all der vermeintlichen Optimierungswerkzeuge, die man ihr in | |
| einem Sexsupermarkt im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft machen will: | |
| „Sie hatten Kondome mit Schokoladengeschmack. Sie mögen Penisse, Sie mögen | |
| Schokolade, warum also nicht beides? […] Ich finde Oralsex sollte nicht in | |
| erster Linie ein kulinarisches Erlebnis sein.“ | |
| Dieses Nebeneinander von Komik und Zartheit ist ganz unverkennbar die | |
| Autorin A. L. Kennedy. Die Komik zertrampelt weder die Zartheit, noch hebt | |
| sie das Traurige oder Dunkle auf, das auch dieser Erzählung innewohnt. Erst | |
| spät erfährt man, dass die Erzählerin sehr krank ist, sie ihren Geliebten | |
| verlassen hat – vermutlich, um ihn zu schützen, der durch die Liebe | |
| schutzlos geworden ist. | |
| ## Das Weinen eines Mannes | |
| In fast allen Erzählungen steigt die Autorin in eine zunächst nicht klar zu | |
| bestimmende gegenwärtige Situation ein: Wer spricht und zu wem, worum es | |
| eigentlich geht, erschließt sich erst mit Verzögerung. Es gibt abrupte | |
| Rückblenden, Brüche im Bewusstseinsgang, Dialoge, die aus Halbsätzen, | |
| Andeutungen bestehen, und kursiv gesetzte Passagen, die das ganz subjektive | |
| Empfinden der Figuren verdeutlichen – erzählerische Mittel, die die | |
| Zerrissenheiten der Kennedy’schen ProtagonistInnen widerspiegeln, sie | |
| komplex und uneindeutig erscheinen lassen. | |
| So wie die Figur in „Unerhört“, die sich erklären will, wem genau, bleibt | |
| unklar. Einer vergangenen Liebe vielleicht, der gegenüber er – einiges | |
| verweist auf einen Mann – viele Anreden ausprobiert, ungewöhnliche und | |
| fragile Bilder einer stark über die Körper empfundenen Verbundenheit findet | |
| und schließlich doch sprachlos bleibt, vom Zweifel zermürbt. Eine paradoxe | |
| und poetische Geschichte. | |
| In fünf der Erzählungen versetzt sich Kennedy in die Perspektive von | |
| Männern, in zweien in die von Jungen. Ihre männlichen Figuren sind auch und | |
| gerade dann nicht souverän, wenn sie ihr Leben mit den Insignien gängiger | |
| Männlichkeit ausgestattet haben. In „So kleine Teile“ verliert sich ein | |
| Mann schließlich in einem bitterlichen Weinen, einer unbestimmten Trauer, | |
| die mit dem Jungen zu tun hat, der er „nur die übliche Zeit“ sein durfte. | |
| „Dann wurde er, wie empfohlen, mit den anderen kindischen Sachen | |
| weggeräumt.“ Und damit eine ganz Bandbreite an Empfindungen. In „Rennen | |
| Fangen Rennen“ und „Getroffen“ erzählt Kennedy auch davon, wie diese Jun… | |
| „verschwinden“. In einer nach wie vor von Geschlechterstereotypen | |
| dominierten Gesellschaft und Liebeslogik eine nicht zu unterschätzende | |
| Frage. | |
| 12 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Carola Ebeling | |
| ## TAGS | |
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