| # taz.de -- Ein Jahr Waffenruhe in Libanon: Mindestens 127 tote Zivilist*innen | |
| > In Libanon herrscht seit dem 27. November 2024 Waffenruhe zwischen | |
| > Hisbollah und Israel. Trotzdem greift Israel weiter an. Weitere | |
| > Eskalation ist möglich. | |
| Bild: Die israelische Armee bombadiert Hisbollah-Stellungen in dem südlibanesi… | |
| Genau ein Jahr herrscht Waffenruhe zwischen Libanon und Israel – allerdings | |
| nur auf dem Papier. Israels Armee bombardiert täglich im Libanon. Seit dem | |
| [1][27. November 2024] wurden mindestens 127 Zivilist*innen getötet, | |
| dokumentiert das UN-Menschenrechtsbüro, das libanesische | |
| Gesundheitsministerium zählt 331 Tote und 945 Verletzte. | |
| Die UN-Beobachtungsmission UNIFIL registrierte über 7.300 | |
| Luftraumverletzungen und mehr als 2.400 Aktivitäten israelischer Soldaten | |
| im Südlibanon. Zerstört wurden Wohnungen, Straßen, Fabriken und Gerät zum | |
| Wiederaufbau. Israel baut derzeit jenseits der eigentlichen Grenze eine | |
| Betonmauer im Südlibanon – über 4.000 Quadratmeter Land werden | |
| unzugänglich. Dies verletzt laut UN-Menschenrechtsbüro das Rückkehrrecht | |
| von rund 65.000 Menschen, die vor den Angriffen geflohen waren und nun | |
| nicht zurück in ihre Dörfer kommen. | |
| Mit der Verkündigung der ebenfalls brüchigen Waffenruhe [2][in Gaza] am 10. | |
| Oktober hat Israel seine Angriffe auf den Libanon intensiviert und droht | |
| mit einem neuen, heftigeren Krieg. | |
| Ein Signal der Eskalation war die Tötung des Hisbollah-Militärchefs Haytham | |
| Ali Tabatabai am vergangenen Sonntag. Bei einem Luftangriff in Beirut | |
| wurden fünf Menschen getötet und 28 verletzt. Zu den tödlichsten | |
| Bombardierungen während der Waffenruhe zählten die Angriffe auf das | |
| palästinensische Geflüchtetenlager Ain Hilweh [3][wenige Tage zuvor], bei | |
| denen mindestens 13 Zivilist*innen – darunter elf Kinder – starben. | |
| ## UN berichtet von Kriegsverbrechen | |
| UN-Sprecher Thameen Al-Kheetan sprach von möglichen Völkerrechtsverstößen, | |
| der UN-Sonderberichterstatter für willkürliche Hinrichtungen, Morris | |
| Tidball-Binz, von „Kriegsverbrechen“ und einem „beunruhigenden Muster | |
| tödlicher Angriffe“. | |
| Die Hisbollah hat seit dem 27. November keine Raketen auf Israel | |
| abgefeuert. Zwei Raketen richteten sich auf einen Aussichtsturm auf den von | |
| Israel besetzten umstrittenen Schebaa-Farmen. Die Miliz ist militärisch | |
| geschwächt: Zwischen Juli und Oktober 2024 wurde ein Großteil ihrer Führung | |
| getötet, darunter Generalsekretär Hassan Nasrallah. Sein Nachfolger Naim | |
| Qassem gilt als schwach, Kommandostrukturen sind beschädigt. | |
| Der Waffenruhe-Deal sieht auch die Entwaffnung der Hisbollah vor. Die Miliz | |
| hat das teilweise akzeptiert, sie will sich hinter den Litani-Fluss im | |
| Süden zurückziehen, aber nördlich davon ihre Waffen behalten. Libanons | |
| Regierung arbeitet an ihrem Teil des Deals. Regierungschef Nawaf Salam | |
| betont, die Entwaffnung sei „auf Kurs“. Das Kabinett hat beschlossen, bis | |
| Jahresende alle Waffen im Süden zu konfiszieren. Die Armee weitet ihre | |
| Präsenz aus, hat Hisbollah-Stellungen im Süden abgebaut. Doch die Armee ist | |
| der Hisbollah militärisch klar unterlegen, ihre Macht ist begrenzt. | |
| Israel und den USA geht es nicht schnell genug. Sie fordern ebenfalls eine | |
| Entwaffnung im Norden. Aus Ärger über die Verzögerung sagte US-Präsident | |
| Trump jüngst ein Treffen mit dem libanesischen Armeechef ab. Den Vorschlag, | |
| die Miliz in die Armee zu integrieren, lehnen die USA und Israel ab. | |
| Präsident Joseph Aoun versuchte zu beschwichtigen, Libanon sei „bereit für | |
| den Friedensprozess“ und wolle sogar über eine endgültige Landgrenze | |
| verhandeln. | |
| ## US-Präsident Trump könnte helfen | |
| Israels Regierung bleibt derweil konfrontativ. Laut israelischen Medien | |
| habe die Hisbollah wieder aufgerüstet. Verteidigungsminister Israel Katz | |
| drohte am Mittwoch, es werde „keine Ruhe in Beirut und keine Ordnung und | |
| Stabilität im Libanon geben.“ Hisbollah-Chef Naim Kassem drohte zurück. | |
| Beide Seiten nutzen dies als Signale an ihre Kämpfer. Israels Soldaten sind | |
| erschöpft, Hisbollah-Kämpfer demoralisiert. Beide brauchen das Feindbild | |
| zur Rechtfertigung ihrer Bewaffnung und der Angriffe. | |
| Israel sitzt jedoch am längeren Hebel: Jets und Drohnen überqueren den | |
| Libanon, die Armee hält sechs Gebiete besetzt, Israel baut auf | |
| Unterstützung aus den Vereinigten Staaten. Durch Druck der USA im | |
| UN-Sicherheitsrat wird das UNIFIL-Mandat in einem Jahr beendet. Mit Blick | |
| auf die bevorstehenden Wahlen in Israel könnte eine weitere Eskalation von | |
| Premier Benjamin Netanjahu politisch motiviert sein. US-Präsident Trump | |
| könnte dem Einhalt gebieten. | |
| Ob die Hisbollah weiter stillhält, bleibt offen. Weitere Angriffe auf ihre | |
| Führung oder auf den Iran könnten eine rote Linie sein. Die Miliz besitzt | |
| zwar ballistische Raketen, kann sie aber nur einmal so einsetzen, dass sie | |
| Israels Abwehr überfordern würden. Danach ist Ende. Die Wiederbewaffnung | |
| über Syrien ist seit dem Sturz Assads kaum möglich. | |
| 27 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Neumann | |
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