| # taz.de -- Ecuador vor der Stichwahl: Links, rechts oder ungültig | |
| > Der linksprogressive Andrés Arauz oder der rechtsliberale Guillermo | |
| > Lasso: Die Stichwahl in Ecuador am Sonntag ist eine | |
| > Richtungsentscheidung. | |
| Bild: Der linksprogressive Andrés Arauz im Wahlkampf-Endspurt am Mittwoch in G… | |
| Buenos Aires taz | Am Sonntag fällt in [1][Ecuador] die Entscheidung. 12,8 | |
| Millionen Wahlberechtigte stimmen darüber ab, wer ihr zukünftiger Präsident | |
| sein soll. In der Stichwahl stehen der linksprogressive [2][Andrés Arauz] | |
| und der rechtsliberale [3][Guillermo Lasso]. | |
| Bei den Umfragen herrscht Uneinigkeit über den Wahlausgang, aber Einigkeit | |
| darüber, dass viele eine ungültige Stimme abgeben werden. Zusammen mit den | |
| Unentschlossenen pendelt ihr Prozentanteil um die 20-Prozent-Marke. In | |
| Ecuador herrscht Wahlpflicht. | |
| Dabei könnten die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten kaum größer | |
| sein. Hier der 36 Jahre junge Arauz, der einen starken Staat und einen | |
| Generationswechsel an dessen Spitze verspricht. Dort der 65 Jahre alte | |
| Lasso, der ehemalige CEO der größten Privatbank des Landes, der für einen | |
| neoliberalen Kurs und einen schlanken Staat eintritt. | |
| Arauz wird vom früheren Präsidenten Rafael Correa unterstützt, in dessen | |
| Amtszeit er Wissenschaftsminister war und später einen Direktorposten bei | |
| der Zentralbank besetzte. Lasso warnt dagegen vor der Rückkehr Correas an | |
| die Macht in Gestalt von Andrés Arauz. Beide Kandidaten setzen im Wahlkampf | |
| auf die Polarisierung, allerdings jeder auf eine andere: Arauz präsentiert | |
| sich als Anti-Neoliberaler, Lasso als Anti-Correaist. | |
| ## Weder für Arauz noch für Lasso | |
| Am früheren Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) spaltet sich noch immer | |
| die Gesellschaft. Schätzungen zufolge genießt der in Belgien lebende | |
| Politiker bei rund 30 Prozent der Bevölkerung noch immer einen starken | |
| Rückhalt, wird aber von der Bevölkerungsmehrheit abgelehnt, zum Teil | |
| vehement. | |
| Correas Anhängerschaft erinnert sich vor allem an die guten ersten Jahre | |
| seiner Präsidentschaft. Seine Gegner*innen wollen zwar auf keinen Fall | |
| wieder unter die Knute seines autoritären Führungsstils, aber die meisten | |
| von ihnen auch kein neoliberales Politikprogramm. | |
| Das beschreibt recht eindrücklich das Dilemma der 5,7 Millionen | |
| Wahlberechtigten, die bei der ersten Runde weder für Arauz noch für Lasso | |
| gestimmt hatten und sich am Sonntag entscheiden müssen. Arauz hatte im | |
| ersten Wahlgang 32,72 Prozent der Stimmen erhalten, Lasso schaffte mit | |
| einen Stimmenanteil von 19,74 Prozent äußerst knapp den Sprung in die | |
| Stichwahl. Lasso, will er denn gewinnen, muss mehr zulegen als Arauz. | |
| Nicht in die Stichwahl geschafft hatte es [4][Yaku Pérez]. Dem Kandidaten | |
| der indigenen Bewegungspartei Pachakutik fehlten 41.115 Stimmen, um an | |
| Lasso vorbeizuziehen. Unter dem Vorwurf des Wahlbetrugs hatte Pérez die | |
| Neuauszählung eines Großteils der Stimmen gefordert. Das wurde vom | |
| Nationalen Wahlgericht abgelehnt. | |
| ## Indigene Organisation sind gespalten | |
| Aus Protest rufen Pérez und Pachakutik zu einer ungültigen Stimmabgabe auf. | |
| Mit dem „voto nulo ideológico“ soll beiden das Misstrauen ausgesprochen | |
| werden. „Keiner der beiden Kandidaten repräsentiert uns …, deshalb werden | |
| wir ungültig stimmen“, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf von Pachakutik | |
| und der Conaie, dem wichtigsten Dachverband indigener Organisationen | |
| Ecuadors. | |
| Doch die erklärte Einigkeit täuscht über die Risse unter den indigenen | |
| Organisationen hinweg. Der Conaie-Vorsitzende Jaime Vargas selbst hatte | |
| vergangenes Wochenende Andrés Arauz öffentlich seine Unterstützung | |
| zugesagt. | |
| „Andrés, lüg nicht schon wieder.“ Es ist der Satz, den Lasso im einzigen | |
| Fernsehduell der beiden mehrfach wiederholte und der so richtig Fahrt | |
| aufnahm, als bekannt wurde, dass Arauz nur zwei Jahre bei der Zentralbank | |
| von Ecuador gearbeitet hatte, aber zwölf Jahre – wenn auch mit einer | |
| Dienstbefreiung – auf deren Gehaltsliste stand. Musikalisch unterlegt | |
| avancierte der sich im spanischen Original reimende Spruch zum [5][Ohrwurm | |
| des Wahlkampfs]. Der spielte sich zunehmend in den sozialen Netzwerken ab, | |
| und dort ging es fast ausschließlich um Emotionen und kaum noch um Inhalte. | |
| Aber wer glaubte, der jugendliche Arauz könnte auf Tiktok, Facebook und Co | |
| besser punkten, rieb sich bei den flotten Kurzvidoes eines agilen Lassos | |
| erstaunt die Augen. | |
| Präsident wird, wer mehr als 50 Prozent der gültigen Stimmen erhält. Und um | |
| diese kämpfen Arauz und Lasso mit immer neuen Versprechungen nach allen | |
| Seiten, sei es bei Umwelt, Bildung oder Gesundheit, vor allem in Sachen | |
| Corona. Anfang April waren erst rund 185.000 Ecuadorianer*innen mit | |
| einer ersten Dosis geimpft. | |
| Und während sich beide Kandidaten bei den Impfzusagen im Falle ihres | |
| Wahlsieges zu übertrumpfen versuchten, verhängte Präsident Lenín Moreno | |
| wegen der steigenden Infiziertenzahl über die acht wichtigsten Provinzen | |
| des Landes den Ausnahmezustand. Gewählt wird trotzdem. | |
| 10 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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