| # taz.de -- Doku zu „Nonconsensual Porn“: Menschenfeindlich und skrupellos | |
| > Eine neue Netflix-Miniserie erzählt die Geschichte der | |
| > „Rache-Porno“-Plattform „Is anyone up!?“. Ihre Stärke ist dabei der … | |
| > auf die Betroffenen. | |
| Bild: Hunter Moore, Gründer der Plattform „Is anyone up!?“ | |
| „Thank you for being evil“ bekamen anonyme Nutzer der US-amerikanischen | |
| Internet-Plattform „Is anyone up!?“ angezeigt, wenn sie etwas auf der Seite | |
| hochluden. Und böse war die Plattform wirklich, mit ihrem Ziel, Menschen zu | |
| demütigen, indem man intime Aufnahmen von ihnen dort veröffentlichte. Der | |
| Betreiber heißt Hunter Moore, selbsternannter „König des | |
| [1][Rache-Pornos]“. | |
| Aus naheliegenden Gründen galt Moore deshalb als „der meistgehasste Mann im | |
| Internet“, was den Titel gibt für eine neue Doku-Reihe auf Netflix. | |
| Ausgangspunkt und roter Faden des Dreiteilers ist das unerbittliche | |
| Unterfangen einer Mutter, Hunter Moore und seine Website zur Rechenschaft | |
| zu ziehen. Denn es landeten intime Bilder von Charlotte Laws’ Tochter Kayla | |
| auf der Seite. | |
| Charlotte Laws, die Heldin der Geschichte, klemmt sich sofort dahinter, die | |
| Bilder ihrer Tochter löschen zu lassen. Der erfolglose Versuch entwickelt | |
| sich zu einem zweijährigen Kampf – nicht nur für den Niedergang der | |
| Plattform und ihres Betreibers, sondern vor allem für Gerechtigkeit | |
| gegenüber den Betroffenen. Dass von ihnen gleich mehrere ausführlich zu | |
| Wort kommen, ist eine Stärke der Doku. Trotzdem kommt sie natürlich nicht | |
| völlig ohne Netflix-typische Dramatisierung à la Infotainment aus. | |
| ## Kampf gegen Windmühlen | |
| Im Laufe der Miniserie verfolgen wir, wie Laws stapelweise Akten sammelt | |
| über Hunter Moore. Wie sie sich, nachdem sie bei Polizei, | |
| Internet-Providern und Anwälten auf Granit stößt, mit dem FBI und einer | |
| Journalistin in Verbindung setzt und es schafft, die Menschen aufzurütteln. | |
| Sogar das Hacker-Netzwerk Anonymous kommt ins Spiel. Es ist ein | |
| gefährlicher Kampf, der in Morddrohungen gegen Charlotte Laws vonseiten der | |
| Moore-Gefolgschaft gipfelt. Und es ist ein Kampf gegen Windmühlen in einem | |
| Rechtssystem, in dem es kaum eine juristische Handhabe gegen Betreiber von | |
| Porno-Plattformen gibt. | |
| Der Fall der Webseite „Is anyone up!?“ liegt über ein Jahrzehnt zurück und | |
| zeigt, wie lange das Phänomen des [2][„Non-Consensual Porn“] schon | |
| existiert. Die Seite gilt als die erste, in der in einem solchen Ausmaß | |
| gezielt und systematisch intime Aufnahmen von Menschen ohne deren | |
| Einverständnis öffentlich verbreitet wurden – bis zu 100 Uploads am Tag. | |
| Die Seite kreierte einen regelrechten Hype, Hunter Moore wurde zum Idol | |
| einer Online-Blase und um ihn bildete sich eine treue Gefolgschaft | |
| misogyner Männer wie auch Frauen. Der „Unique Selling Point“ der Seite: die | |
| Social Media Accounts und privaten Daten der abgebildeten Personen mit | |
| ihren intimen Aufnahmen zu verknüpfen, was Rückschlüsse auf ihre wahre | |
| Identität zuließ. Eine Betroffene, die in der Doku von ihren Erfahrungen | |
| erzählt, erfährt von einem Kumpel, dass Nacktbilder von ihr auf der Seite | |
| sind. Da sie mit ihrem Facebook-Account verlinkt sind, wissen bald auch ihr | |
| Bruder und der ganze Bekanntenkreis Bescheid. Sie chattet Hunter Moore an, | |
| fleht ihn an, die Bilder zu löschen. Seine Antwort: „LOL.“ | |
| Moores Menschenfeindlichkeit und Skrupellosigkeit zeigt sich auch in den | |
| Tweets des sogenannten „Master of Manipulation“. Er schreibt etwa: „Wenn | |
| sich jemand umbringt, weil er auf ‚Is anyone up!?‘ auftaucht, wisst ihr, | |
| wieviel Geld ich daran verdienen würde?“ | |
| ## Unkritische Aufmerksamkeit | |
| Was die Doku erschreckend zeigt, ist das System, auf dessen Grundlage eine | |
| Plattform wie „Is anyone up!?“ zumindest zeitweise funktionieren konnte: | |
| Auch abgesehen von seinen ihn vergötternden Anhänger:innen erhielt | |
| Hunter Moore durchaus gesellschaftliche Rückendeckung, bekam zu lange auch | |
| von der Presse viel unkritische Aufmerksamkeit. Die Erniedrigung der | |
| Betroffenen schien anfangs außer Charlotte Laws niemanden zu interessieren, | |
| den Star Hunter Moore dagegen fand man faszinierend. All das erinnert an | |
| den [3][#MeToo-Fall R. Kelly]. Auch den Sänger und mittlerweile verurteilte | |
| Sexualstraftäter schützte sein Rang in der Musikindustrie viel zu lange. | |
| Die Seite „Is anyone up!?“ gibt es heute zum Glück nicht mehr, Hunter Moore | |
| wurde 2014 doch noch vom FBI wegen unbefugten Zugriffs auf geschützte | |
| Computer und schweren Identitätsdiebstahls verhaftet. Die Problematik, um | |
| die es geht, ist aber nach wie vor aktuell und weit verbreitet. Allein | |
| deshalb ist „Der meistgehasste Mann im Internet“ sehenswert. | |
| 7 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Forderung-der-Justizministerinnen/!5779784 | |
| [2] /Festnahme-wegen-Rache-Porno-Site/!5052922 | |
| [3] /Dokumentation-Surviving-R-Kelly/!5563866 | |
| ## AUTOREN | |
| Clara Engelien | |
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