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# taz.de -- Diskurs gone wrong: War Hitler etwa kein Rassist?
> Rassismus gegen Weiße gibt es nicht, heißt es immer wieder. Das ist
> geschichtsvergessen – und eine Beleidigung für Millionen
> Migrant*innen.
Bild: Frank-Walter Steinmeier spricht zum 80. Jahrestag der Massenmorde von Bab…
[1][Kurz nachdem Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine der Opfer des
Massakers von Babyn Jar gedacht hat,] diskutiert man hierzulande wieder
darüber, ob es Rassismus gegen Weiße gibt. 80 Jahre nach dem Überfall der
Nazis auf die Sowjetunion – wir erinnern uns: ein rassenideologischer
Vernichtungskrieg mit dem Ziel, „Lebensraum“ zu schaffen –, nach mindeste…
24 Millionen sowjetischen Opfern, sagen Deutsche, die stolz darauf sind,
ein paar Fetzen des sogenannten rassismuskritischen Diskurses mitgekriegt
zu haben: Rassismus gegen Weiße? Hat es nie gegeben! Gratuliere zu dieser
sagenhaft dummen Einsicht.
Rassismus gegen Weiße mag sich von dem gegen Schwarze unterscheiden, sehr
sogar, aber es gab und gibt ihn. So kompliziert ist es leider. Und alle,
die sich jetzt freuen, „Rassismus!“ rufen zu dürfen, wenn jemand sie
Kartoffel nennt – einfach psssssssst.
Das Problem ist: Man ist zu faul, passende Begriffe zu finden und übernimmt
welche aus den USA. Aber Menschen in Kategorien zu stecken, geht eh
meistens schief, und wenn die dann noch aus einem anderen Kontext stammen,
bringt das nichts als Verwirrung. Bestes Beispiel: Die Kategorie „weiß“.
Mal ist eine Hautfarbe gemeint, mal eine Position im gesellschaftlichen
Machtgefüge. Am Ende kommt etwas raus wie: Europäische Juden sind weiß,
aber wenn sie eine Kippa tragen, sind sie es nicht. Wer soll damit was
anfangen? Warum benutzen wir nicht Worte, die nicht auf Farben verweisen,
um Klarheit zu schaffen? Weil es am Ende doch oft um Farben geht. Und um
Augenformen und Haare.
## Eine Studie mit Rassenkategorien
[2][Die Uni Rostock brachte zusammen mit der MaLisa-Stiftung Anfang des
Monats eine Studie heraus.] Es ging unter anderem darum, wie gut „Menschen
mit Migrationshintergrund und Schwarze Menschen/People of Colour“ in den
Medien repräsentiert sind. Um das auszuwerten, legten die
Wissenschaftler*innen eine Schautafel an, mit, man kann es nicht
anders nennen, Rassenkategorien. „Südostasiatisch/Ostasiatisch (erkennbar
an der Form der Augen)“ steht da zum Beispiel, Bilder entsprechender
Asiat*innen sind auch dabei. Dann machten die Wissenschaftler*innen
den Fernseher an und schrieben denen, die sie sahen, munter ethnische
Zugehörigkeiten zu. Die Kategorie „weiß“ vernachlässigten sie, weil: Eine
Schwedin, nur so als Beispiel, erfahre in Deutschland keinen Rassismus.
Eine Schwedin?
In Deutschland leben mindestens 3 Millionen Menschen mit einem
postsowjetischen Migrationshintergrund. Das ist die größte
Migrant*innen-Gruppe. Die meisten Jüdinnen und Juden, die hier leben,
sind aus diesem Raum eingewandert. Für die Uni Rostock aber spielte das
keine Rolle. Weil: Phänotyp weiß. Rassismuserfahrung = 0. Repräsentierung:
egal. Dabei gibt es übrigens allein in Russland mehr als 100 Ethnien.
Leute wie ich, Weiße mit Migrationshintergrund, werden gern dazugezählt,
wenn es darum geht, die Masse zu betonen. [3][26 Prozent der Gesellschaft
haben einen Migrationshintergrund!] Mehr wissen will man aber nicht, weil
dann das Schwarz-Weiß-Konstrukt zerfällt und alles unnötig kompliziert
wird. Am Ende müsste man noch mit Leuten sprechen, die in Fleischfabriken
arbeiten.
Für Deutsche gehört es zum guten Ton, gegen Rassismus zu sein
(Vergangenheit und so). Die Gruppe, die in dieser Vergangenheit das größte
Opfer deutscher Rassisten war, blenden viele dabei aus.
16 Oct 2021
## LINKS
[1] /Gedenken-an-die-Toten-von-Babyn-Jar/!5803898
[2] https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/SICHTBARKEIT_UND_VIELFALT_Pro…
[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migratio…
## AUTOREN
Viktoria Morasch
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