# taz.de -- Die Wahrheit: Welche Pizzapersönlichkeit bist du? | |
> Der große Wahrheit-Test: Wie man von einer vollgekotzten italienischen | |
> Teppichfliese auf den Charakter des Essers schließen kann. | |
Wer kennt das nicht? Man sitzt beim Italiener, alle stürzen sich auf ihre | |
Pizzen. Aber jeder isst sie anders. Amerikanische Wissenschaftler haben nun | |
herausgefunden, was die verschiedenen Pizzastrategien über die | |
Persönlichkeit verraten. An der Universität Napoli in Little Italy, New | |
York, forscht Professor Al Cucina vom Institut für Küchenpsychologie zur | |
Korrelation von Pizza und Selbstbild. Hier präsentiert die Wahrheit die Top | |
5 seiner Pizzatypologie: | |
## Typ 1: Die Pizza als Arbeit | |
Die Pizza ist eine Aufgabe, die möglichst effizient zu lösen ist: Die Pizza | |
ist da. Die Pizza muss weg. Diesen Arbeitsauftrag erledigt der Esser mit | |
dem Eifer eines Akkordarbeiters: Er beginnt außen und arbeitet sich nach | |
innen vor. Wie ein Plattenspieler die Nadel setzt er Messer und Gabel | |
einmalig auf der Pizza an, beginnt dann mit dem Rand und arbeitet sich | |
ringsum in stetig enger werdenden Kreisen sukzessive bis zur Mitte. Erst | |
wenn das letzte Pizzastück von der geografischen Tellermitte aufgegabelt | |
wurde, hebt der Pizzaarbeiter das Besteck, das er jetzt glänzend sauber | |
leckt, vom Teller ab. Dieser ist dann leer. Nach der Mahlzeit eines | |
Pizzaarbeiters konnten Essensreste nur auf atomarer Ebene nachgewiesen | |
werden. | |
Während der kulinarischen Verklappung duldet der Pizzaarbeiter keine | |
Störungen durch Konversation, Kellner oder gar Durst. Getrunken wird nach | |
dem Essen. Im Laborversuch zeigte sich, dass selbst im Brandfall der | |
Pizzaarbeiter erst evakuiert werden konnte, nachdem er aufgegessen hatte. | |
Pizzaarbeiter sind zuverlässig, systematisch und treu und erreichen auf der | |
Skala für Spontanität etwa den Wert von Waschbeton. Wer einen Pizzaarbeiter | |
zum Freund hat, sollte sich glücklich schätzen, denn er hat einen treuen | |
Freund, er sollte sich nur nicht beim Essen unterhalten wollen. | |
## Typ 2: Die Pizza als Problem | |
Die Pizza ist eine kognitiv zu lösende logische Aufgabe. Der | |
Pizzamathematiker arbeitet sich in komplizierten Schnittmustern durch den | |
Teigfladen, wobei die genaue gustatorische Geometrie ein | |
Forschungsdesiderat ist. Bekannt ist nur, dass 70 Prozent der Rechtshänder | |
bei fünf Uhr ansetzen und entgegen dem Uhrzeigersinn vorgehen. Linkshänder | |
essen andersherum. Weniger begabte Pizzamathematiker zerlegen vorab, was | |
sie vor basale Logikprobleme stellt: Sechstel oder Achtel? | |
Gern delegiert der Pizzamathematiker diese Kalkulation und verlangt die | |
Pizza geschnitten, um sich bei Tisch über die ungleiche Größe der Segmente | |
zu beschweren. Es schließen sich Rechenschritte an, in welchem Winkel man | |
ein Segment wie schnell zum Mund führt, bevor die Fluidität des Käses | |
vorzeitig abgeht. Diese Berechnungen gehen meist fehl, weshalb der | |
Pizzamathematiker die Pizza gern zusammenklappt wie das Butterbrot, das er | |
in Wahrheit lieber gegessen hätte. | |
Auch beim Pizzamathematiker ist der Teller am Ende leer, wenngleich ihm mit | |
Sicherheit Käse am Kinn klebt und er nicht sagen könnte, was für eine Pizza | |
er eigentlich gegessen hat. Vielleicht war es auch Flammkuchen. | |
Pizzamathematiker sind inselbegabt, höflich und langweilig. Wer einen | |
Pizzamathematiker zum Freund hat, ist mit ziemlicher Sicherheit selber | |
einer. Zu Geburtstagen schenkt man sich Geodreiecke und Pizzaschneider. | |
## Typ 3: Die Pizza als Flavour Event | |
Die Pizza wird gemäß eines komplexen Erwartungs-Belohnungs-Systems | |
verspeist. Der Pizzagourmet beginnt mit jenem Teil der Pizza, der den | |
maximalen gustatorischen Gewinn verspricht: Er schneidet ein Loch in die | |
Mitte der Pizza und trennt ihr mit chirurgischer Präzision das kulinarische | |
Herz aus heißem Käse und hauchdünnem Teig heraus. Damit wäre der | |
eigentliche Genussakt vollzogen, der Rest ist Hunger. Dieser treibt den | |
Pizzagourmet aber nicht bis zum Äußersten. Denn die Ränder der Pizza | |
verschmäht er. Der Teller eines Pizzagourmets ist nach dem Ende der | |
Mahlzeit niemals leer. Auf dem Porzellan verbleibt ein hässliches Gebirge | |
aus Randstücken. Kinder in Afrika würden davon vollends satt. | |
Pizzagourmets sind kreativ, chaotisch und kommunikative Genussmenschen, die | |
auch anderen Rauschmitteln (Nikotin, THC, mundgeblasenem Craft Beer) nicht | |
abgeneigt sind. | |
Wer einen Pizzagourmet zum Freund hat, sollte sich glücklich schätzen, denn | |
mit ihm kennt man immer jemanden, der weiß, wo man günstig Gras kaufen | |
kann. Man sollte aber lieber auswärts essen gehen, denn daheim macht der | |
Abwasch nach einer Mahlzeit mit ihm absolut keinen Spaß, und man sollte | |
dann am Folgetag niemals gutes Wetter erwarten. | |
## Typ 4: Die Pizza als Beute | |
Es ist die archaischste Art, Pizza zu essen. Die Pizza ist Beute, das Essen | |
die Jagd. Obschon sie wehrlos vor ihm liegt, muss der Pizzajäger sie noch | |
einmal persönlich erlegen. Der Pizzajäger sticht zu, zerhackt die Pizza, | |
bevor er sie mit den Händen zerreißt und mit selbigen zum Mund führt. Der | |
Pizzajäger spricht beim Essen und mit seinem Essen: „Ich krieg dich, dir | |
zeig ich’s. Das hättst du nicht erwartet, du Olive, du!“ | |
Nicht selten ist der Pizzajäger Vegetarier, der auf diese Weise archaische | |
Jagdtriebe am fleischlosen Objekt ausleben kann. Der Käse ist das Blut der | |
Pizza. Letztere ist erst dann gut, wenn ihr Blut (Käsefäden) am Kinn | |
herunterläuft (dran klebt). | |
Pizzajäger sind in der Regel friedliebende, sensible und harmlose | |
Zeitgenossen. Nur am Teller zeigt sich ihr animalisches Ich aus Jäger- und | |
Sammlerzeiten. Wer einen Pizzajäger zum Freund hat, sollte sich glücklich | |
schätzen, aber regelmäßig mit ihm Italienisch essen gehen, da er dort alle | |
Aggressionen am toten Objekt auslebt. Man sollte ihn nur nie, niemals, nie | |
fragen, ob man was abhaben kann. | |
## Typ 5: Die Pizza als Nahrung | |
Er ist der Langweiler an jedem Pizzatisch. Die Pizza wird serviert, und er | |
isst sie auf. Unprätentiöser kann man Teigwaren nicht zu sich nehmen. Der | |
Pizzapragmatiker agiert nach den Prämissen: „Die Pizza ist da, ich hab | |
Hunger. Dann ess ich sie halt.“ | |
Geschmackserlebnisse sind willkommen, werden aber, anders als beim | |
Pizzagourmet, nicht über den Hunger gestellt. Der Rand wird voll akzeptiert | |
und im Sinne einer Willkommenskultur gleichberechtigt mitgegessen. Auch bei | |
der Wahl des Handwerkszeugs arbeitet der Pizzapragmatiker nach klaren | |
Kosten-Nutzen-Erwägungen, getreu dem Prinzip: „Na, bevor die Pizza kalt | |
wird, während ich sie mit Messer und Gabel bearbeite, teile ich sie lieber | |
fix in Achtel und ess sie mit der sauberen Hand.“ | |
Pizzapragmatiker sind unauffällig, gerechtigkeitsliebend und vernünftig. | |
Sie wissen, was Achtel sind, ohne Mathematiker zu sein. Sie sind meistens | |
als Erste fertig und können trotzdem Konversation betreiben. Wer einen | |
Pizzapragmatiker zum Freund hat, sollte sich glücklich schätzen, denn er | |
kennt damit einen normalen Menschen. | |
19 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Volker Surmann | |
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