| # taz.de -- Debütalbum von Girl in Red: Sie wird es schon schaffen | |
| > Die queere norwegische Popkünstlerin Girl in Red hat ihr Debüt | |
| > veröffentlich. „If I could make it quiet“ ist durchaus mainstreamfähig. | |
| Bild: Als Musikerin nennt sich Marie Ulven Girl in Red | |
| „I don’t wanna be your friend / I wanna kiss your lips / I wanna kiss you | |
| until I lose my breath / Oh, Hannah / Tell me something nice / Like flowers | |
| and blue skies.“ Die sehnsuchtsvollen Zeilen des Songs „I Wanna Be Your | |
| Girlfriend“ pulsieren zu zaghaften Drums und verträumten Gitarrenspiel. Sie | |
| stammen aus der Feder der norwegischen Singer-Songwriterin Marie Ulven | |
| alias Girl in Red. | |
| Ihre Ode an eine gleichgeschlechtliche Liebe von 2018 gilt als ihr erster | |
| Hit, er hat bislang mehr als 160 Millionen Streams auf Spotify. Was wie | |
| eine offene Liebeserklärung klingt, ist am Ende jedoch ein Zwiegespräch mit | |
| sich selbst. Denn als die Sängerin aufhört, ihr Gegenüber anzuhimmeln, und | |
| beschreibt, wie sie dieses tatsächlich berührt, stellt sie fest: „It’s all | |
| just a dream.“ Der schnelle Wechsel zwischen Dialog und Monolog findet sich | |
| als stilprägendes Merkmal auch auf den elf neuen Songs ihres Debütalbums | |
| „If I Could Make It Go Quiet“ wieder. | |
| Die 22-Jährige, aufgewachsen in einer Kleinstadt südlich von Oslo, begann | |
| mit 14 Jahren Texte zu schreiben. Ohne fremde Hilfe brachte sie sich | |
| Gitarre- und Klavierspielen bei und machte sich mit einer | |
| Produktionssoftware vertraut. Vor sechs Jahren veröffentlichte sie erstmals | |
| DIY-Stücke aus dem heimischen Schlafzimmer auf Soundcloud, damals noch auf | |
| Norwegisch und unter anderem Namen. Ihre seltenen Publikationen liefen | |
| zunächst unter dem Radar. Das änderte sich im Jahr 2018 ganz plötzlich, als | |
| neben ihrem ersten Hit auch die Singles „We Fell In Love In October“ und | |
| „Summer Depression“ herauskamen. | |
| Im Jahr 2019 schließlich folgte die erste internationale Tour und Girl in | |
| Red tat sich mit dem Indielabeldienst AWAL (Artist without a Label) | |
| zusammen. Einen ersten Internet-Hype erlebte Ulven Mitte 2020 [1][auf | |
| TikTok]. Dort begannen junge Frauen – meist aus der Generation Z – die | |
| Frage „hörst du girl in red?“ zu nutzen, um ihre sexuelle Orientierung | |
| herauszufinden. | |
| Offen für neue Wege | |
| In ihrem Erstlingswerk spielt dies zumindest auf der Textebene keine | |
| Rolle. Doch wenn ihr Album mit „Serotonin“ startet, zeigt die Kollaboration | |
| mit dem US-Produzenten Finneas (dem Bruder von Billie Eilish), dass sie | |
| bereit ist, neue Wege zu probieren. So beginnt die Musik mit eingängiger | |
| Melodie und poppiger Leichtigkeit. Sobald die Bässe lauter werden und sie | |
| erstmals rappt, klingt Girl in Red progressiver denn je. | |
| Die klangliche Ausgelassenheit von „Serotonin“ konterkariert die Künstlerin | |
| auf der Textebene. Mit unverblümter Offenheit spricht sie über ihre | |
| Depressionen: „I get intrusive thoughts like cutting my hands off / Like | |
| jumping in front of a bus / Like how do I make this stop / When it feels | |
| like my therapist hates me?“ Sich als Belastung zu fühlen, wiegt letztlich | |
| so schwer, dass sich die Worte irgendwann auflösen in | |
| „Da-da-a-brrah-la-da-da“. | |
| Das längere Format des Albums nutzt die Künstlerin, um ihre zentralen | |
| Themen, psychische Erkrankungen und queere Liebe, aus mehreren Blickwinkeln | |
| zu beleuchten. Was bei „Serotonin“ zerstörerisch und laut klingt, bekommt | |
| mit „Body And Mind“ einen ruhigeren Gegenpart, wenn sie von Akzeptanz für | |
| die eigene Unvollkommenheit singt, begleitet von lang gezogenen Tönen des | |
| Klaviers. [2][Ihr Vorbild Taylor Swift] ist in den Folksounds des wohl | |
| einsamsten Songs „Rue“ zu entdecken. | |
| Wie schnell sich bei Girl In Red Perspektivwechsel vollziehen, wird | |
| deutlich, wenn es um Liebe geht. Die nicht zufällig aufeinanderfolgenden | |
| Tracks „Hornylovesickmess“, „Midnight Love“ und „You Stupid Bitch“ … | |
| allesamt von einer Romanze, bei der sich allerdings kein Glück einstellt. | |
| Statt Begriffe wie „Gewinner“ und „Verlierer“ bei einseitigem Begehren … | |
| nutzen, zeigt sie dabei jedoch Gefühle, die sich nicht einordnen lassen. | |
| Einmal ist sie diejenige, die nur ihre Lust stillen will, dann vergeht sie | |
| vor Herzschmerz mit den Worten „when your silver is my gold“ und | |
| schließlich fordert sie frech, endlich wahrgenommen zu werden. | |
| Girl in Red traut sich auf ihrem Debüt Indiepop mit trappigeren Beats zu | |
| paaren. Das klingt gut, aber nicht wirklich neu. Was sich allerdings ins | |
| Gedächtnis brennt, sind ihre schonungslosen Textzeilen, die sich gegen | |
| Schamgefühle richten. Das Verlangen nach Sex ohne Verpflichtung soll so | |
| benannt werden. „Serotonin“, die Leitsingle des Albums, geht nach vorn, mit | |
| selbstzerstörerischen Gedanken, aber auch Reflexionen, die weiterführen: | |
| „Oh, been breaking daily / But only me can save me / So I’m capitulating, | |
| crying like a fucking baby … I don’t wanna be sick …“ Ihre | |
| Zuhörer*innen verabschiedet sie schließlich mit einem Instrumental – | |
| der Einladung zu einem eigenen inneren Monolog. | |
| 25 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Yuki Schubert | |
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