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# taz.de -- Computerspielemuseum in Berlin: Ein riesiger blinkender Pixelhaufen
> Computerspiele sind Kunst, ihre Figuren sind Popikonen. Ein neues
> Berliner Museum huldigt ihnen. Mit dabei: der "Polyplay", der einzige
> Spielautomat der DDR.
Bild: Pacman für die DDR: "Hase und Wolf" auf dem Polyplay.
BERLIN taz | Gebannt krümmt sich ein Herr im Sakko über den
orange-lilafarbenen Spielautomaten. Und ruckelt heftig am Steuerhebel. Er
muss mit seiner Laserkanone die Außerirdischen abschießen. Oder vielmehr
die groben Pixelknäuel auf dem kleinen Schwarzweißbildschirm, in denen man
mit viel Fantasie Außerirdische erkennen könnte. "Space Invaders" heißt das
Spiel – ein Klassiker aus den späten Siebzigern.
Ein paar Meter weiter versucht eine Journalistin im Takt plärrender Musik
auf Bodensensoren herumzuhüpfen. "Das ist 'DanceDanceRevolution' aus dem
Jahr 1999", japst sie in die Kamera. Es ist Presserundgang im am Donnerstag
eröffneten [1][Computerspielemuseum] in Berlin. Einem Ort, an dem sich
erwachsene Menschen an ihre Jugend erinnern können. An den ersten
Commodore, den Gameboy, den ersten eigenen Egoshooter, an die Zeit, als die
Spielfiguren auf dem Computerbildschirm noch Kanten hatten und Joysticks
noch dicke Knüppel waren.
Es gibt Generationen von Konsolen, Rückblicke auf die größten
Spieleklassiker, kritische Kunstwerke. All das ist aufeinandergestapelt in
bunten Kuben. Überall knattert es, Bildschirme laden flickernd zum Spielen
ein – geht man ein paar Schritte zurück, sieht all das aus wie riesiger
blinkender Pixelhaufen.
"Es ist eine sehr volle Ausstellung geworden", sagt Museumsdirektor Andreas
Lange und guckt ein wenig betreten. Wenn ein Liebhaber wie er eine
Ausstellung konzipiert, muss es schwer sein, sich zu beschränken. Über 300
Exponate hat er auf nur 500 Quadratmetern im ehemaligen "Café Warschau" an
der Berliner Karl-Marx-Allee gebündelt. Im Archiv besitzt er aber noch
viel, viel mehr.
Seit 13 Jahren sammelt er. Das Studium der Religionswissenschaften hat er
abgebrochen, arbeitete kurz als Gutachter für die Alterseinstufung von
Computerspielen, sein erster Anlauf für ein Computerspielemuseum scheiterte
vor zehn Jahren. Wie sehr Lange dieser zweite Versuch am Herzen liegt, kann
man an seinem Gesicht ablesen: der Ausdruck gleicht der Begeisterung eines
kleinen Jungen, der gerade seine erste Spielkonsole bekommen hat.
Als Hochkultur wahrgenommen wird in Deutschland meist das, worum man ein
Museum baut. Vor zehn Jahren war die Welt noch nicht dazu bereit, in
Computerspielen mehr als pubertären Zeitvertreib zu sehen. Heute sind die
Spiele Kunst und Pop zugleich: Kaum noch jemand scheut sich, sie in einem
Atemzug mit Kinofilmen zu nennen – so komplex sind die Welten und
Geschichten der Spiele geworden, so kunstvoll ihre Optik und Animation, so
kommerziell erfolgreich sind sie. Und so fest sind ihre Helden heute in der
Popkultur verankert, von der Amazone Lara Croft bis zum Nintendo-Hüpfzwerg
Super Mario.
Andreas Lange stoppt bei der Ausstellungsführung vor einem Urviech – dem
Nimrod. Dem ersten elektronischen Rechner auf deutschem Boden, der
hauptsächlich aus einem Dreieck leuchtender Glühbirnchen besteht. Bei einer
Industrieschau 1951 besiegte dieses Getüm Wunderwirtschaftsminister Ludwig
Erhard in einem simplen Strategiespielchen. Dreimal hintereinander.
In der hintersten Ecke des Museums steht eine unscheinbare Sperrholzkiste.
"Polyplay" steht darauf – der erste und einzige Spielautomat der DDR. Lange
demonstriert eines seiner acht Spiele: "Hase und Wolf" – benannt nach der
sowjetischen Antwort auf "Tom und Jerry". Der Spieler steuert einen Kopf
mit langen Ohren auf der Flucht vor Köpfen mit Zähnen durch ein Labyrinth.
Nur wenn er eine Möhre gefressen hat, kann der Hase kurz auf Wolfsjagd
gehen und so Extrapunkte sammeln. Eine Ostvariante des US-Spieleklassikers
"Pacman".
Hard- und Software konnte man in der DDR nicht einfach aus den USA
importieren, sondern musste sie nachbauen oder selbst entwickeln, sagt
Lange. Computerspielende Jugend sei darum gern gesehen gewesen – weil sie
sich mit Technik vertraut machte. Anders als im Westen, wo Daddeln als
Freizeitbeschäftigung auf wenig Elternliebe stieß und streng
altersbeschränkt wurde. Lange grinst und sagt: "Ein interessanter Kommentar
im Systemvergleich."
21 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.computerspielemuseum.de/index.php?lg=de
## AUTOREN
Meike Laaff
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