# taz.de -- Chef der Bayernpartei über Separatismus: „Zufällig hat Bayern d… | |
> Florian Weber, Chef der Bayernpartei, erklärt, warum Deutschland auf | |
> eines seiner Bundesländer verzichten muss – aber Franken bei Bayern | |
> bleiben sollte. | |
Bild: Ob die Weiß-Blauen eine gewaltsame Sezession planen, ist nicht bekannt | |
taz: Herr Weber, in Katalonien haben die Unabhängigkeitsbestrebungen stark | |
an Fahrt aufgenommen. Haben wir bald einen neuen Staat in Europa? | |
Florian Weber: Davon gehe ich aus. Die Frage ist, wie bald. Wir würden uns | |
sehr freuen, wenn die Abspaltung bis 2018 gelänge. Auch aus ganz | |
eigennützigen Motiven, denn das würde uns Rückenwind für die Landtagswahl | |
geben. | |
Und nach Katalonien kommt Schottland und dann – Bayern? | |
Das wäre schön. Ich muss natürlich gestehen, dass die bayerische | |
Unabhängigkeit noch in etwas fernerer Zukunft liegt. Es gab vor ein paar | |
Jahren eine Umfrage der Hanns-Seidel-Stiftung. Damals waren etwas über 20 | |
Prozent der Bayern für eine Unabhängigkeit und etwa genauso viele | |
unentschlossen. Wir müssen also noch etwas Überzeugungsarbeit leisten. | |
In München erlebt die Bayernpartei gerade einen Höhenflug aufgrund des | |
Übertritts von vier Stadträten aus anderen Parteien. Mit 0,9 Prozent der | |
Stimmen verfügt Ihre Partei nun über mehr als 6 Prozent der Mandate. Wie | |
erklären Sie sich diesen Zulauf? | |
Natürlich gab es handfeste Gründe, nämlich Ärger in den anderen Fraktionen. | |
Aber man merkt auch, dass die Menschen immer mehr verstehen, dass wir eine | |
seriöse Partei sind. Das Thema der Eigenständigkeit war früher fast ein | |
Tabuthema. Inzwischen wird dieser Gedanke als ernsthafte Option | |
wahrgenommen. | |
Wenn Sie einem Außerirdischen erklären müssten, was die Bayernpartei ist: | |
Was würden Sie ihm erzählen? | |
Die Bayernpartei ist eine sehr vielfältige Partei. Wir sind | |
liberal-konservativ, haben aber ein breites Spektrum, das sich hinter einem | |
großen gemeinsamen Ziel wiederfindet, einem eigenständigen Bayerns | |
innerhalb eines europäischen Staatenbundes. Andererseits lehnen wir ganz | |
dezidiert die Zentralisierung Europas ab. Es muss ganz bestimmte Aufgaben | |
wahrnehmen – aber eben auch nur diese: Friedenssicherung, Außenpolitik, | |
ganz grobe Wirtschaftsnormen. | |
Die Süddeutsche Zeitung hat sie kürzlich als „eine Art weißblaue AfD“ | |
bezeichnet. Tut das weh? | |
Schon. Die AfD ist eine deutschnationale Partei, und Deutschtümelei lehnen | |
wir entschieden ab. Wir setzen dem auch keine Bayerntümelei entgegen, | |
sondern einen modernen und weltoffenen Patriotismus. Wir halten uns an die | |
urbayerische Devise „Leben und leben lassen“. Wir wollen das Einheimische | |
stärken, ohne das Fremde zu verteufeln. | |
Einer Ihrer Vorgänger, Jakob Fischbacher, hat ja einmal postuliert: „Wenn | |
ein Bauernsohn eine norddeutsche Blondine heiratet, so ist dies in meinen | |
Augen eine Blutschande. Die Preußen, dieses Zeugs, und die Flüchtlinge | |
müssen hinausgeworfen werden.“ | |
Da muss man zunächst mal sagen, dass das bayerische Wort „Bluatschand“ | |
nichts mit dem deutschen „Blutschande“ zu tun hat. Es heißt schlicht so | |
viel wie „Sauerei“… | |
Auch dann klingt das Zitat für mich eher rassistisch als weltoffen. | |
Aber Sie müssen natürlich auch die Zeit sehen, in der das Zitat gefallen | |
ist. Das war 1947. | |
Fischbacher bewahren Sie noch heute ein ehrenvolles Andenken. | |
Ich kann jemanden doch nicht nach einer einzigen Äußerung beurteilen. Aber | |
es gibt manches aus den frühen Jahren unserer Partei, auf das ich mich | |
heute nicht mehr berufen würde. Wir haben selbstverständlich keinerlei | |
Vorbehalte gegen Ehen zwischen Bayern und Nichtbayern und würden auch | |
niemanden „hinauswerfen“. Sie können die CSU oder die SPD von heute auch | |
nicht daran festmachen, was ihre Spitzenpolitiker 1947 gesagt haben. | |
Warum wollen Sie eigentlich die Bundesrepublik verlassen? Deutschland ist | |
doch ein Land, in dem sich ’s ganz gut leben lässt … | |
Ja, es geht uns nicht schlecht. Aber wir haben eine Fülle von Problemen. | |
Die Politik der Bundesrepublik hat sich immer weiter vom Bürger entfernt. | |
Wir müssen Entscheidungen nach unten verschieben, um mehr Demokratie zu | |
erreichen. Wir wollen Grundsatzentscheidungen per Volksentscheid treffen | |
können. Das geht derzeit auf Landesebene, in der Bundesrepublik geht das | |
nicht. | |
Für diese Forderungen könnten Sie auch innerhalb der Bundesrepublik | |
kämpfen. | |
Ja, aber man muss doch die politischen Realitäten anerkennen. Das bekommen | |
Sie niemals durchgesetzt. | |
Den Satz werden Sie selbst auch oft zu hören bekommen. Denken Sie wirklich, | |
eine bayerische Eigenständigkeit ist wahrscheinlicher? | |
Absolut. Außerdem gibt es noch finanz- und wirtschaftspolitische Argumente. | |
Bayern hat früher selbst vom Länderfinanzausgleich profitiert. Inzwischen | |
haben wir aber bereits das 17-fache der Summe zurückgezahlt. Wir wollen | |
nicht unsolidarisch sein. Aber man ist gerade dabei, die Milchkuh, die man | |
melken will, zu schlachten. | |
Und wie soll der von Ihnen gewünschte „Bavexit“ ganz praktisch aussehen? | |
Die zentrale Voraussetzung ist ein Volksentscheid. Nach unserer Vorstellung | |
würde Bayern danach auf der Grundlage des KSZE-Beschlusses von Helsinki | |
seine Unabhängigkeit erklären. Dann müssten wir in Verhandlungen mit | |
Deutschland treten. Uns schwebt vor: Wir würden auf Bayerns Besitz am Bund | |
verzichten, dafür verzichtet der Bund auf seinen Besitz in Bayern. Außerdem | |
würde Bayern einen Teil der Bundesschuld im Verhältnis der Einwohnerzahl | |
übernehmen. | |
Sie haben aber nicht die Absicht, einen Grenzzaun zu errichten.Nein. Ich | |
denke, wir sollten – ähnlich wie die Schweiz – dem Schengen-System | |
beitreten. | |
Bayern ist ja im Innern zentralistischer als die Bundesrepublik. Hätten Sie | |
nicht Verständnis, wenn die Franken sagen, wir verabschieden uns von dem | |
Wasserkopf München und schließen uns als Bundesland Franken der | |
Bundesrepublik an? | |
Ich gebe Ihnen recht, dass Bayern zu zentralistisch organisiert ist. | |
Deshalb müssen wir auch die Bezirke stärken. Ich glaube, dass dann auch den | |
Franken sehr schnell klar würde, dass sie von Bayerns Eigenständigkeit nur | |
profitieren. Ich möchte nicht, dass Bayern sich verkleinert. Aber wenn das | |
der Wunsch der Bevölkerung sein sollte, müsste ich das hinnehmen. | |
Was machen Sie, wenn sich in Ihrem unabhängigen Bayern dann auch Oberbayern | |
unabhängig macht, weil es argumentiert, dass es nicht strukturschwächere | |
Regionen wie die Oberpfalz mit durchfüttern möchte? | |
Aus rein finanziellen Gründen würde sich das nicht rechnen. Es gibt da | |
schöne volkswirtschaftliche Arbeiten über die Idealgröße von Staaten. Wo | |
ist der Nutzen einer Verwaltung gewährleistet? Wo wird die Verwaltung | |
überbordend? Zufällig ist es so, dass Bayern genau die Idealgröße hat. | |
Berlin haben Sie im Europawahlkampf 2009 mit Plakaten zugepflastert, auf | |
denen stand: „Wollt ihr nicht auch die Bayern loswerden?“ Manchmal fällt es | |
schwer zu erkennen, ob Ihre Politik nicht eher satirisch gemeint ist. | |
Das war natürlich der Versuch, durch eine gewisse provokante Ironie | |
überhaupt Aufmerksamkeit für das Thema zu erreichen. Und bei den letzten | |
Landtagswahlen haben wir unser Ergebnis auf über 2 Prozent verdoppeln | |
können. Wenn wir 2018 noch mal ein bisschen mehr als verdoppeln, sind wir | |
im Landtag. Und dann wären wir natürlich auch sehr viel präsenter mit | |
unseren Themen. | |
16 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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