# taz.de -- Bundeskanzlerin bei Feier zum 3. Oktober: Merkels vielleicht letzte… | |
> Zur Feier des Tages der Deutschen Einheit hielt die Bundeskanzlerin in | |
> Halle eine persönlich gehaltene, überraschend emotionale Rede. | |
Bild: Irgendwann muss sie weg: Angela Merkel bei der Hallenser Rede | |
HALLE/SAALE taz | Die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
hat in diesem Jahr schon viele letzte Male erlebt: die letzte | |
Regierungsbefragung, die letzte Regierungserklärung, der letzte EU-Gipfel, | |
die letzte Reise in die USA als Kanzlerin, die letzte | |
Sommerpressekonferenz, der letzte Auftritt im Bundestag. Am gestrigen | |
Sonntag stand ein ganz besonderes letztes Mal an. Angela Merkel hat ihre | |
letzte Rede zum Tag der Deutschen Einheit gehalten, beim zentralen Festakt | |
in der Georg-Friedrich-Händel-Halle in Halle an der Saale in | |
Sachsen-Anhalt. Ein bedeutender Moment für Merkel, die selbst in der DDR | |
groß geworden ist und miterlebt hat, wie ihr eigenes Land unterging. | |
Für diesen Moment hat Angela Merkel eine sehr persönliche, aber auch | |
sorgenvolle Rede vorbereitet. Zunächst würdigte sie den Einsatz jener | |
DDR-Bürger*innen, die gegen die SED-Diktatur aufbegehrten und bei der | |
friedlichen Revolution 1989/1990 demonstrierten. Wer sich damals für | |
demokratische Rechte einsetzte, sagte Merkel 2021 in Halle, konnte sich | |
nicht sicher sein, dass es sich lohnen würde. „Das ist wahrhaftiger Mut.“ | |
Die Wiedervereinigung sei nicht einfach über uns hereingebrochen, nein, sie | |
musste errungen werden. | |
Mit dieser demokratischen Errungenschaft gingen die Deutschen heute, 31 | |
Jahre nach der Wiedervereinigung, leider „etwas zu leichtfertig um“, so die | |
Kanzlerin. Dann wies sie auf Angriffe gegen die Pressefreiheit und gegen | |
Menschen hin, die sich für das Gemeinwohl einsetzen: | |
Rettungssanitäter*innen, Feuerwehrleute, Kommunalpolitiker*innen. „Die | |
verbale Verrohung und Radikalisierung, die da zu erleben sind, dürfen nicht | |
nur von denen beantwortet werden, die ihr zum Opfer fallen“, sagte sie. | |
Stattdessen müssten solche Angriffe von allen Bürger*innen | |
zurückgewiesen werden. „Denn allzu schnell münden verbale Attacken in | |
Gewalt.“ | |
Dann nannte Merkel die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter | |
Lübcke, die Anschläge von Halle, dem diesjährigen Ort der Einheitsfeier, | |
und dem hessischen Hanau sowie die Ermordung des 20 Jahre alten | |
Tankstellenkassierers in Idar-Oberstein, der von einem Mann erschossen | |
wurde, nachdem er ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Merkel | |
betonte, dass die Demokratie „jeden Tag“ aufs Neue beschützt werden müsse. | |
Es stehe nicht weniger als der gesellschaftliche Zusammenhalt auf dem | |
Prüfstand. | |
## Biografischer Ballast | |
Mit sehr persönlichen Beispielen wies die Bundeskanzlerin wiederholt auch | |
auf anhaltende Missverständnisse in der gegenseitigen Wahrnehmung von Ost | |
und West hin. Noch heute müssten sich etwa Ostdeutsche ihrer Generation für | |
ein Leben in der DDR als biografischer „Ballast“ rechtfertigen. Die | |
Gestaltung der Einheit des Landes sei kein abgeschlossener Prozess. Die | |
Zukunft müsse gemeinsam geformt werden. Dafür sei Respekt vor den | |
jeweiligen Erfahrungen und Biografien, aber auch vor der Demokratie nötig. | |
Zuvor hatte der amtierende Bundesratspräsident und sachsen-anhaltische | |
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) daran erinnert, dass die friedliche | |
Revolution von 1989 ein radikaler Systemwandel ohne Blutvergießen gewesen | |
sei. „Die friedliche Revolution taugt durchaus zum Gründungsmythos des | |
vereinigten Deutschlands“, sagte er. Vor der Feierstunde wurde ein | |
ökumenischer Gottesdienst gefeiert. (mit dpa) | |
3 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Rieke Wiemann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Tag der Deutschen Einheit | |
Halle | |
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Deutsche Einheit | |
FDP | |
Knapp überm Boulevard | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bildband über die scheidende Kanzlerin: Schon 1998 mit Raute | |
Erst fand Angela Merkel die Idee Quatsch. Die Fotografin Herlinde Koelbl | |
begleitete sie dennoch durch ihre Karriere. Ein Bildband zeigt nun das | |
Ergebnis. | |
Merkels letzte Einheits-Rede: Verheerende Ostbilanz | |
Die Kanzlerin bekam beim Einheitsfestakt viel Applaus – zu Unrecht: Für die | |
Belange des Ostens hat sie sich nie besonders eingesetzt. | |
Selfie von Grünen und FDP: Sich gemeinsam geil finden | |
Jede politische Ära hat die Bilder, die sie verdient. Heute liefert sie | |
Selfies, in denen sich der narzisstische Kern der Parteienpolitik erneuert. | |
Abschied von Angela Merkel: Widerspruchsgeist erlernen | |
Die damals 37-jährige Angela Merkel gab 1991 dem Journalisten Günter Gaus | |
ein Interview. Sie trat damals schon anders auf als alle anderen Politiker. |