# taz.de -- Blasphemie in Dänemark: Gotteslästerung wird Meinungsfreiheit | |
> Das Parlament schafft die seit 1683 bestehende Strafverfolgung wegen | |
> Blasphemie ab. Anlass dafür war die Verbrennung eines Korans. | |
Bild: Über Gott lästern ist nicht mehr strafbar (Archivbild 2012) | |
STOCKHOLM taz | Der 42-jährige Däne, der sich in sozialen Medien „John | |
Salvesen“ nennt, hatte auf Aufmerksamkeit gehofft. Aber damit gerechnet, | |
dass er einmal historisch werden würde, das hatte er nicht. Weihnachten | |
2015 veröffentlichte er auf einer antiislamischen Facebookseite einen | |
Videoclip, der ihn beim Verbrennen eines Korans zeigt: „Weil ich das Buch | |
für eine Hass-Anleitung halte, es mir gehörte und ich mit meinem Eigentum | |
machen kann, was ich will“, schrieb er zur Begründung. | |
Die Polizei ermittelte wegen Verstoßes gegen das Blasphemie-Verbot. Dieser | |
Straftatbestand wurde in Dänemark 1683 eingeführt und als Gotteslästerung | |
mit dem Tode bedroht. 1971 wurde deshalb das letzte mal Anklage erhoben | |
gegen zwei TV-Programmverantwortliche. Sie hatten ein Lied ausgestrahlt, in | |
dem Gott unterstellt wird, sexuelle Aktivitäten zu missbilligen, weil er | |
selbst nie „Feuer an seiner Zigarre“ gehabt habe. Das Gericht bewertete den | |
Beitrag aber als straffreien „polemischen Beitrag zum Thema religiöser | |
Erziehung“. | |
Seither herrschte Ruhe, bis „John Salvesen“ im Februar jetzt die | |
Anklageschrift bekam. Wie schon in den 1970er Jahren führten auch nun die | |
Ermittlungen zum Nachdenken darüber, wie zeitgemäß ein Blasphemie-Verbot | |
nach 334 Jahren noch sein kann. | |
Am Freitag wird eine Mehrheit des dänischen Parlaments den mit einer | |
Haftstrafe von bis zu vier Monaten bewährten Paragrafen 140 ersatzlos | |
streichen. Dies ist das Ergebnis einer Debatte, in deren Verlauf sich die | |
ursprünglichen Mehrheiten komplett umkehrten. Konnte die linke | |
„Einheitsliste“ mit einem Vorstoß zur Abschaffung der Strafbarkeit für | |
Blasphemie zunächst nur auf die Linksliberalen zählen, schlossen sich nach | |
und nach alle anderen Parteien an. Am Dienstag war auch noch die | |
rechtsliberale Regierungspartei Venstre umgekippt. | |
Den Paragrafen beibehalten will ausgerechnet nur die Partei, die vor 45 | |
Jahren einmal die Initiative zu seiner Abschaffung angeführt hatte: die | |
Sozialdemokratie. „Wir sehen nicht, dass Koran- oder Bibelverbrennen Teil | |
der Meinungsfreiheit sein muss“, sagt deren justizpolitische Sprecherin | |
Trine Bramsen. Das Blasphemie-Verbot diene dem Schutz des öffentlichen | |
Friedens. Das sieht auch der Verfassungsschutz PET so, der vor einer | |
gesteigerten Terrorgefahr in Dänemark warnt, falls Taten wie das | |
Koranverbrennen nicht mehr strafbar sein würden. | |
Das Justizministerium weist derartige Befürchtungen zurück: Erfahrungen in | |
Ländern, die das Blasphemie-Verbot gestrichen hätten, wie Schweden, Island, | |
Norwegen und die Niederlande, ließen solche Schlüsse nicht zu. Mit dem | |
jetzigen Schritt sende Dänemark auch ein klares Signal an die Opfer von | |
Blasphemie-Paragrafen in Pakistan, Saudi-Arabien oder Russland, wo diese | |
benutzt würden, um politische oder religiöse Dissidenten zu verfolgen, | |
betont Jacob Mchangama, Direktor des Thinktanks „Justitia“: „Autoritäre | |
Staaten können jetzt nicht mehr auf Dänemark verweisen.“ | |
1 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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