# taz.de -- Bericht über Plastik aus Babyflaschen: 1,6 Millionen Partikel | |
> Laut einer neuen Studie geben Trinkgefäße aus Kunststoff für Babys viel | |
> Mikroplastik ab. Mögliche Folgen für die Gesundheit sind noch unklar. | |
Bild: Bis zu 16 Millionen Mikropartikel Mikroplastik können Babyflaschen aus P… | |
Nuckelflaschen für Babys sind stabil, praktisch – und Plastikschleudern. | |
Viele Säuglinge bekommen sie zusätzlich oder statt der Mutterbrust. Doch | |
füttern Eltern ihre Babys die ersten zwölf Lebensmonate mit einem | |
Fläschchen auf Polypropylenbasis, nehmen diese weltweit durchschnittlich | |
1,6 Millionen Mikroplastikpartikel auf – pro Tag. Zu dem Ergebnis kommt | |
eine [1][neue Studie von Wissenschaftlern vom Trinity College] in Dublin, | |
die Anfang der Woche im Fachmagazin Nature Food veröffentlicht wurde. | |
„Das ist eine höchst besorgniserregende Menge“, schreibt Nadja Ziebarth von | |
der Umweltorganisation BUND der taz. Über die Schädlichkeit von | |
Mikroplastik bei Menschen oder Säuglingen sei ihr noch nichts bekannt. | |
„Allerdings gibt es Untersuchungen bei Meerestieren, die zeigen, dass durch | |
Mikroplastik Entzündungen im Darm entstehen können“, so die | |
Meeresschutzreferentin. „Es müssen dringend Untersuchungen über die | |
gesundheitlichen Folgen gemacht werden“, fordert sie. | |
Die irischen Autoren der Studie wollen Eltern nicht beunruhigen. Auch sie | |
würden „nicht wissen, wie sich die potenziellen Gesundheitsrisiken von | |
Mikroplastik auf Kleinkinder auswirken“, und mit der Studie erst einmal | |
Daten liefern wollen. | |
Für ihr Experiment simulierten sie die Zubereitung von Babynahrung mit den | |
zehn meistverkauften Modellen von Babyflaschen. Sie hielten sich bei der | |
Zubereitung an die WHO-Empfehlungen. Zuerst machten sie die Flaschen fünf | |
Minuten lang mit 95 Grad heißem Wasser keimfrei. Anschließend gossen sie 70 | |
Grad warmes destilliertes Wasser ein und schüttelten die Flasche 60 | |
Sekunden. Als es abgekühlt war, filterten sie das Wasser. | |
## Bis zu 16 Millionen Mikropartikel | |
Bei Flaschen, die komplett aus Polypropylen bestehen, filterten sie pro | |
Liter bis zu über 16 Millionen Mikropartikel heraus. Wie viel Mikroplastik | |
freigesetzt wurde, variierte je nach Flaschentyp. Außerdem spielte es etwa | |
eine Rolle, ob die Flaschen sterilisiert wurden, da sie bei Hitze mehr | |
Plastik freisetzten. Auch Schütteln verstärkte die Freigabe der | |
Kunststoffe. | |
Auf Grundlage dieser Daten errechneten die Forscher dann, wie stark Kinder | |
aus 48 Ländern Mikroplastik potenziell ausgesetzt sind. Für die Schätzung | |
bezogen sie die Marktanteile der jeweiligen Flaschenmodelle in den Ländern | |
und die Stillrate mit ein. Je nach Weltregion variieren die Werte stark von | |
knapp 530.000 bis 2,6 Millionen. So nehmen Säuglinge in Afrika und Asien am | |
wenigsten Mikroplastik zu sich, in Südamerika ist es eine mittlere Menge | |
und in Europa, Nordamerika und Ozeanien ist es mit über 2 Millionen | |
Mikropartikeln die größte Menge. Für Deutschland schätzen die Autoren 1 bis | |
2 Millionen Mikropartikel pro Tag. Durchschnittlich nehmen Säuglinge damit | |
im ersten Jahr 2.600-mal mehr Mikropartikel auf als Erwachsene. | |
„Überrascht über die hohe Anzahl an Teilchen“ ist Hanns Moshammer von der | |
Medizinischen Universität Wien. Damit habe er nicht gerechnet. „Bei einem | |
gesunden Säugling würde ich aber nach derzeitigem Wissensstand nicht von | |
einer besonders relevanten Aufnahme ausgehen. Trotzdem: Die Mutterbrust ist | |
immer noch die beste Wahl“, sagt er. | |
Sorgen mache er sich eher um das [2][gefundene Nanoplastik]. Ebenso | |
Eleonore Fröhlich von der Medizinische Universität Graz. „Wesentlich | |
beunruhigender“ findet sie die Billionen gefundenen Nanopartikel, die die | |
Studie aber nicht weiter behandelt. „Partikel in einem Größenbereich | |
zwischen 50 bis 200 Nanometer können die Darmwand sehr gut passieren und | |
stellen dadurch eine weit höhere Belastung des Organismus dar als | |
Mikropartikel, welche größtenteils mit dem Stuhl ausgeschieden werden.“ Die | |
negative Wirkung von Nanopartikeln auf etwa Immunzellen oder die Darmflora | |
sei in vielen Studien nachgewiesen worden, so Fröhlich. Als Alternative zu | |
Plastikfläschchen raten Expert*innen zu Glas- oder auch Metallflaschen. | |
20 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nature.com/articles/s43016-020-00171-y | |
[2] /Forscher-finden-Nanopartikel/!5707570&s=mikroplastik/ | |
## AUTOREN | |
Mareike Andert | |
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