Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- BVB in der Champions League: Lach- und Schießverein
> Mit 4:0 zerlegt Borussia Dortmund niemand geringeren als Atlético Madrid.
> Es ist der vorläufige Höhepunkt eines bemerkenswerten Spielrauschs.
Bild: Madrid am Rand: Dortmund zerlegte den spanischen Spitzenklub
Dortmund taz | Diego Simeone, sonst einer der aktivsten Vulkane in der
Fußballwelt, brodelte nur noch sanft vor sich hin. Der Cheftrainer von
Atlético Madrid wollte nach der heftigen 0:4-Haue für den spanischen
Vizemeister in Dortmund nicht allzu viel über die eigene Mannschaft
sprechen. Lieber über den Gegner.
Also gratulierte er dem BVB zu dessen rasend schnellem Umschaltspiel, zur
offensiven Grundhaltung, zum geschickten Verhalten nach Balleroberungen.
Und dazu kommentierte Simeone, der in seinen sieben Jahren bei Atlético in
der Champions League noch nie so hoch verloren hat, schicksalsergeben: „Wir
waren ein paar Mal nah dran an Toren. Aber spätestens nach dem 0:3 war
Dortmund sehr stark, da kann so was passieren.“
Vor genau einem Jahr, nach dem dritten Gruppenspiel in der Champions
League, waren es noch die Schwarz-Gelben, die sich fragten: Wie konnte das
passieren? Dem peinlichen 1:1 beim internationalen Fliegengewicht Apoel
Nikosia folgte zwei Wochen später ein weiteres 1:1 gegen die Zyprioten, in
der eigenen Arena. Es blieben die einzigen zwei Pünktchen, die der BVB in
der Gruppenphase ergatterte. Dass der Königsklassen-Finalist von 2013 als
Dritter trotzdem in der Europa League weitermachen durfte, bezeichnete der
inzwischen nach Bremen gewechselte Nuri Sahin damals als „Geschenk“.
Zwölf Monate später beschenken die Westfalen sich regelmäßig selbst: 37
Treffer in zwölf Pflichtspielen sind atemberaubend, die mittlerweile 16
Jokertore rekordverdächtig, null Gegentreffer in der Champions League
beeindruckend – und der Ausblick in Europas höchster Spielklasse auch dank
des 1:1 im Parallelspiel Brügge gegen Monaco grandios. „Atlético war der
Gradmesser, und den haben wir bestanden – mehr als das“, sagt Ex-Profi
Sebastian Kehl, seit Sommer Leiter der Dortmunder Lizenzspielerabteilung.
Und Kapitän Marco Reus schwärmt: „Wir haben so einen Rausch, seit mehreren
Wochen schon.“
Und es sind jedes Mal andere, die die Borussia in diesen rauschhaften
Zustand versetzen. Gegen seine Landsleute aus Madrid wurde der spanische
Torproduzent Paco Alcácer, ausgeliehen aus Barcelona, geschont, stand nicht
einmal im Kader. Dafür glänzte nun der portugiesische Einwechselspieler
Raphaël Guerreiro, in dieser Saison bislang kaum in Erscheinung getreten,
als zweifacher Torschütze. Oder der rasende Linksverteidiger Achraf Hakimi,
Leihgabe von Real Madrid und Passgeber zu den Dortmunder Treffern eins,
zwei und drei.
## „Wer nicht schießt, der kann nicht treffen“
Ohnehin erweisen sich alle Sommerzugänge des Bundesligaspitzenreiters als
echte Verstärkungen – mit Axel Witsel als Leuchtturm. Im defensiven
Mittelfeld überzeugt der belgische Nationalspieler als Taktgeber, besticht
mit seinem ausgeprägten Gespür für die jeweils angesagte Geschwindigkeit im
Spiel. Zudem sorgte er für die 1:0-Pausenführung des BVB – mit einem
abgefälschten Schuss, den Augenzeuge Reus sehr schlicht charakterisierte:
„Er handelt nach dem Motto: Wer nicht schießt, der kann nicht treffen.“
Chefübungsleiter Lucien Favre betrachtet den Wert des 29-jährigen Witsel
für sein Team vor allem unter dem Aspekt Ausgewogenheit. „Er bringt die
Ruhe in unser Spiel“, erklärt der gewissenhafte Schweizer. Dabei erwähnt
er, wie viele blutjunge Akteure gegen Atlético mal wieder im gelb-schwarzen
Dress steckten – und schlussfolgert: „Zum Glück haben wir diese erfahrenen
Spieler wie Witsel, so finden wir die richtige Balance in der Mannschaft.“
Denn auch wenn man es sich angesichts des traumhaften Laufs der Borussen,
die am Ende selbst das karstige, widerspenstige Gebirge Atlético regelrecht
stürmten, kaum vorstellen kann: Auch auf die Dortmunder Lach- und
Schießgesellschaft warten wieder dunklere Tage. „Diese Form werden wir
nicht ewig halten – weil wir viele junge Spieler haben“, prophezeit Reus,
der neue Papa der Kompanie, der zugleich empfiehlt: „Trotzdem sollten wir
diese Momente jetzt genießen.“
Eine sehr passable Grundlage, die ersten Wellentäler gut zu überstehen, hat
sich Favres Ensemble inzwischen geschaffen: In der Bundesliga, wo der FC
Bayern am 10. November zum nationalen Gradmesser wird. Und in der
Champions League, wo der Sprung ins Achtelfinale nur noch eine Formalie ist
– und der BVB am Mittwochabend einen neuen, glühenden Fan gewonnen hat:
Diego Simeone. „Hoffentlich kann Dortmund so weiterspielen“, bat der
48-jährige Argentinier, bevor er das Stadion verließ. „Denn es ist schön,
ihnen zuzuschauen.“
25 Oct 2018
## AUTOREN
Andreas Morbach
## TAGS
Champions League
Borussia Dortmund
Atlético Madrid
Fußball
Fußball
Jadon Sancho
Real Madrid
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
BVB in der Champions League: Dortmunder Dekadenz
Die Qualität des BVB-Kaders treibt kuriose Blüten. Paco Alcácer ist mit
zwei Startelf-Einsätzen an der Spitze der Torjägerliste. Beginnt er gegen
Brügge?
Hertha BSC spielt gegen den BVB: Ein Remis und jede Menge Verlierer
Hertha-Ultras brennen bengalische Feuer in der Kurve ab. Als die Dortmunder
Polizei eingreift, eskaliert die Auseinandersetzung.
Dortmunds Jungstar Jadon Sancho: Teenager mit Weltklassepotenzial
Jadon Sancho, an dem der FC Bayern nie Interesse hatte, beweist in Dortmund
sein Talent. Gegen Atlético Madrid betritt er die große Bühne.
Real Madrid in der Krise: Dead Man Walking
Real Madrid steckt in einer Negativserie. Julen Lopetegui ist nur deshalb
noch Trainer, weil sich der Klub wohl auf keinen Nachfolger einigen kann.
Borussia Dortmund in der CL: Favres frühe Früchte
Mit dem 3:0 über den AS Monaco in der Champions League zeigt Borussia
Dortmund, dass es nicht nur in der Bundesliga zum Spitzenteam heranreift.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.