# taz.de -- Alternative Olympiade: Putsch gegen Olympias Konkurrenz | |
> Wie Indonesien 1962 einmal versuchte, die internationale Sportpolitik | |
> komplett umzukrempeln. Und es beinahe geschafft hätte. | |
Bild: Kurz vor dem Nebenolymp: Indonesiens Präsident Sukarno und Japans Premie… | |
Alternativen zu den Olympischen Spielen sind beliebt. Zuletzt liebäugelte | |
Russland mit einem, nun ja, Konkurrenzprodukt. Der russische Sportminister | |
Pawel Kolobkow wollte 2018 seinen unter Dopingbann stehenden Athleten ein | |
Sportfest schenken, für das die Zeitung Iswestija den Namensvorschlag | |
„Zweite Sotschi-Spiele“ machte. Kolobkow schwebte wohl so eine Art | |
Spartakiade vor, die in der Sowjetunion ab dem Jahr 1928 einen Kontrapunkt | |
setzen sollte zu den Olympischen Spielen. | |
Die galten im Land des Genossen Josef Wissarionowitsch Stalin als böse | |
bourgeois und – noch schlimmer – blaublütig durchpulst. Bis 1952 hielten | |
die Sowjets ihre Olympiaabstinenz durch, dann stellten sie sich dem Kalten | |
Sportkrieg mit allem Pipapo – also meistens, wenn nicht gerade wieder ein | |
Boykott dazwischenkam wie 1984. Aber um die Sowjets soll es hier und heute | |
gar nicht gehen, jedenfalls nicht direkt, sondern um die Japaner. | |
Sie sind große Freunde der olympischen Idee und auch noch nie in den | |
Verdacht realkommunistischer Umtriebe geraten. Bekanntlich reist der | |
olympische Zirkus im kommenden Sommer nach Tokio, um in der dortigen Manege | |
Sportspiele aufzuführen. | |
1964 erledigte Japans Hauptstadt diesen Auftrag schon einmal. Es waren die | |
ersten Olympischen Spiele in Asien, freilich noch ohne jede | |
Dopingkontrolle, dafür aber erstmals mit einem Monsterbudget – 2,78 | |
Milliarden US-Dollar flossen allein in die Infrastruktur – und Fernsehern | |
auf den Pressetribünen. | |
## Mit dem Ausschluss Israels und Taiwans begann es | |
Das japanische Organisationskomitee unter dem Ehrenvorsitz von Kaiser | |
Hirohito hatte geklotzt, und doch hätten die freundlichen Herren den ersten | |
großen Auftritt auf der Weltbühne fast in den Sand gesetzt, weil sie nicht | |
so recht aus ihrer Haut herauskamen. | |
Und diese Geschichte, die uns wiederum in die Welt von Alternativolympia | |
führen wird, geht so: Während der 4. Asienspiele 1962 in Indonesien braute | |
sich ein formidables sportpolitisches Gewitter zusammen. | |
Den Sportlern aus Israel und Taiwan wurde von Präsident Achmed Sukarno die | |
Einreise verweigert. Das indische IOC-Mitglied Guru Dutt Sondhi kritisierte | |
vor Ort das Vorgehen und wurde daraufhin nicht nur verbal, sondern auch | |
handfest mit Steinen attackiert. Er sorgte dann dafür, dass Indonesien aus | |
dem IOC ausgeschlossen wurde. | |
Und Japan? Stellte sich gegen das Internationale Olympische Komitee (IOC) | |
in Lausanne. Juichi Tsushima und Masaji Tabata vom Tokioter | |
Organisationskomitee ergriffen Partei für die Indonesier – und traten von | |
allen ihren Ämtern zurück. Die Japaner kamen recht schnell wieder zur | |
Vernunft und besetzten die Posten neu, aber das gemaßregelte Indonesien | |
konterte mit einem neuen internationalen Sportfest: den [1][Games of the | |
Newly Emerging Forces] (Ganefo), den Spielen der neu erwachenden Kräfte. | |
## Nordkorea, die DDR und sogar Belgien waren dabei | |
Im November 1963 erwachten diese Kräfte zum ersten Mal in Indonesiens | |
Hauptstadt Jakarta. Es kamen Sportler aus Nordkorea, China (das sich 1958 | |
aus der olympischen Bewegung zurückgezogen hatte), der Sowjetunion (in | |
einer „B-Mannschaft“), der DDR (trat nur in nichtolympischen Sportarten wie | |
Badminton an), Ägypten, Kambodscha, aber auch Belgien oder Japan. 3.000 | |
Athleten kämpften um Medaillen. | |
Das war ein beachtlicher Erfolg für das neue Format, und im IOC sorgte man | |
sich ein wenig. Könnten sich diese Ganefo-Spiele womöglich zum ernst zu | |
nehmenden Konkurrenzprodukt auswachsen, wenn der Ostblock nur will? Sind | |
die Olympischen Spiele gefährdet? | |
IOC-Chef Avery Brundage hob die Suspendierung Indonesiens noch vor den | |
Tokio-Spielen auf. Es gab noch ein bisschen Hickhack, weil der | |
internationale Verband der Schwimmer und jener der Leichtathleten | |
Ganefo-Sportler sanktionierte, aber so gut wie vorbei war der Spuk der | |
Alternativspiele, als Präsident Sukarno weggeputscht wurde von General Haji | |
Mohamed Suharto, der mit blutiger Hand regierte und zehntausende | |
Landsleute, darunter viele Kommunisten, töten ließ. | |
Die zweiten und letzten Ganefo-Spiele fanden 1966 in Phnom Penh, | |
Kambodscha, statt; eine [2][dritte Auflage] scheiterte an der | |
Kulturrevolution in China. Danach musste sich das IOC keine Sorgen mehr | |
machen um die Marktführerschaft seiner fünf Ringe. Die kommenden Spiele in | |
Tokio werden ein neuerlicher Beweis der Dominanz sein. | |
21 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=QF5s5mxHdko | |
[2] https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44931084.html | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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