# taz.de -- Aktuelle Lage in der Ukraine: Kampf um mehr als Prioritäten | |
> In der Ukraine wird die Verschiebung des Ramstein-Gipfels sorgenvoll | |
> kommentiert. Derweil gehen die Kämpfe weiter – auch im Hinterland. | |
Bild: Zurück an die Front: Ukrainische Soldaten auf dem Weg in die umkämpfte … | |
Kyjiw taz | Während einige Kommentatoren in der Ukraine die Verschiebung | |
des Ramstein-Gipfels als unbedeutend erachten, sehen andere darin eine | |
veränderte Priorität der Bündnispartner. Juri Bogdanow, Experte für | |
strategische Kommunikation, behauptet auf seiner Facebook-Seite, dass Biden | |
seinen Deutschlandbesuch nicht [1][wegen des Hurrikans], sondern wegen der | |
bevorstehenden Präsidentschaftswahlen abgesagt hat. Er möchte angesichts | |
der drohenden Naturkatastrophe Präsenz zeigen, was der Ukraine wiederum | |
schaden könnte. Fernsehjournalist Bogdan Butkewitsch interpretiert die | |
Verschiebung des Gipfels als Zeichen dafür, dass die Ukraine nicht mehr im | |
Fokus der USA steht. „Und ja, wir sollten begreifen, dass es immer | |
schwieriger wird, sich auf amerikanische Hilfe zu verlassen.“ | |
Mit einem Hauch von Schadenfreude deutet Blogger Stanislaw Panasenko, ein | |
Unterstützer von Ex-Präsident Poroschenko, in einem Post auf Facebook die | |
Verschiebung des Gipfels als einen weiteren Misserfolg von Präsident | |
Selenskyj. Er erwähnt Ramstein in einem Atemzug mit der Absage des für | |
November geplanten hochrangigen „Friedenssummits“ und stellt fest, dass | |
Selenskyjs [2][„Friedensformel“] sich letztlich nur als ein Stück Papier | |
entpuppt habe. | |
Unterdessen wird am [3][Stadtrand von Wuhledar], im Südosten des Landes, | |
weitergekämpft. Auch das nahe gelegene Kurachowe wurde vermehrt mit | |
Artillerie angegriffen. Kurachowe, fürchtet das Portal focus.ua, droht | |
möglicherweise eine ähnliche Schlacht wie um das Werk Asowstal in Mariupol. | |
Und auf allen Karten markieren rote Pfeile der angreifenden russischen | |
Armee deren langsames Vordringen Richtung Westen. | |
Auch im Hinterland, also nicht in unmittelbarer Frontnähe, gab es in den | |
letzten Tagen erneut Verletzte und Tote. In Stepanivka, Region Cherson, | |
wurden bei einem Angriff auf eine soziale Einrichtung zwei | |
Krankenschwestern verletzt. In Cherson wurde eine Person durch russischen | |
Beschuss verwundet, einen Tag zuvor wurde ein Mensch getötet, 16 weitere | |
verletzt. Bei einem Drohnenangriff auf Odessa wurden zudem 5 Menschen in | |
einem mehrstöckigen Haus verletzt, berichtet ua.korrespondent.net. In der | |
Region Donezk wurde am Dienstagmorgen ein Mensch getötet, in Kostjantyniwka | |
gab es elf Verletzte, so Vadym Filashkin von der örtlichen | |
Militärverwaltung. | |
Bei einem Beschuss des Dorfes Borivsk Andriivka im Bezirk Isjum wurde am | |
Dienstagabend nach Angaben von Oleh Sinegubow, dem Chef der örtlichen | |
Militärverwaltung, eine Person mit einem Mehrfachraketenwerfer getötet. Zur | |
gleichen Zeit wurde im Dorf Prymorske in der Region Saporischschja eine | |
Person getötet, eine weitere verwundet. Im russischen Gebiet Belgorod | |
wurden nach Angaben des Gouverneurs Wjatscheslaw Gladkow 8 Menschen durch | |
ukrainische Luftangriffe verletzt. | |
Am 7. September hatte das ukrainische Parlament unerlaubtes Fernbleiben von | |
der Truppe und Desertion weitgehend entkriminalisiert. Zuvor hatte der | |
Gesetzgeber in solchen Fällen mehrjährige Gefängnisstrafen vorgesehen. Wer | |
sich nun 72 Stunden nach unerlaubtem Fernbleiben wieder bei einer | |
militärischen Einheit meldet, braucht keine Strafe zu fürchten. | |
Dieses Gesetz war offensichtlich vor dem Hintergrund zunehmender Flucht von | |
ukrainischen Soldaten aus ihren Einheiten verabschiedet worden. Es herrscht | |
unter ukrainischen Männern eine allgemeine Angst vor der Militärbehörde, | |
die wehrfähige Männer oft direkt von der Straße weg aufgreift und in einen | |
Bus steckt. Anschließend werden sie nach einer vierwöchigen Grundausbildung | |
direkt an „die Null“, wie man in der Ukraine die Front nennt, geschickt. | |
„Meinen Freund haben sie auch,bussifiziert'“, berichtet die Arzthelferin | |
Nina (Name geändert) der taz. „Er ist an einem Abend vor fünf Wochen nicht | |
mehr von der Arbeit zurückgekommen. Sie hatten ihn in einen Bus gesteckt. | |
Und jetzt ist er an der Null.“ | |
Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden in den | |
ersten acht Monaten des Jahres 2024 29.984 Verfahren wegen unerlaubten | |
Verlassens einer Einheit eingeleitet. Zum Vergleich: 17.658 waren es 2023, | |
im Jahr 2022 waren es 6.641. Ähnlich verhält es sich mit Deserteuren: In | |
den ersten acht Monaten des Jahres 2024 registrierte die | |
Generalstaatsanwaltschaft 15.559 Fälle von Desertion, 2023 waren es 7.883 | |
Deserteure, und im Jahr zuvor 3.442. | |
9 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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