| # taz.de -- AfD-Parteitag in Riesa: Vorstand von Höckes Gnaden | |
| > Tino Chrupalla und Alice Weidel sind die neuen Bundessprecher der AfD. | |
| > Auf dem Parteitag setzte sich ein Vorstand der völkischen Strömung durch. | |
| Bild: Der Rechtsextremist Björn Höcke auf dem AfD-Bundesparteitag | |
| Riesa taz | [1][Es ist eine aus AfD-Sicht dringende Frage], die ein | |
| Delegierter aus Bayern an den alten und neuen Parteichef Tino Chrupalla vom | |
| Saalmikrofon aus stellt: „Was wollen Sie in Zukunft denn anders machen, | |
| damit wir wieder besser dastehen?“ | |
| Der Hintergrund für die Frage: Zehn Wahlniederlagen in Folge, | |
| Mitgliederverluste, heftige innerparteiliche Kämpfe zwischen Völkischen und | |
| vermeintlich Gemäßigten, zwischen Ost und West. Das alles passierte unter | |
| dem Vorsitz des Malermeisters Tino Chrupalla, der selbst aus dem Osten | |
| kommt, seinen Wahlkreis Görlitz direkt gewann und im alten Vorstand schon | |
| mal gepoltert haben soll, dass er auch nichts dafür könne, dass es der | |
| Westen nicht hinbekomme. Und der nun wieder gewählt wurde als Parteichef – | |
| [2][mit freundlicher Unterstützung der völkischen Strömung um den | |
| Rechtsextremisten Björn Höcke]. | |
| Chrupallas Antwort auf diese existentielle Frage für die AfD ist: Er hat | |
| keine. „Was wir brauchen, ist die Unterstützung aller Kreis- und | |
| Landesverbände, um sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt er etwas | |
| verhaspelt. Auch in seiner Bewerbungsrede beim 13. Bundesparteitag der AfD | |
| im sächsischen Riesa formuliert Chrupalla keine einzige zukunftsweisende | |
| Idee für seine Partei. | |
| Er drischt auf FDP, CDU und Grüne ein, nennt den Unionschef Friedrich Merz | |
| wegen dessen postulierter Brandmauer gegen rechts „grüner Wolf im | |
| Schafspelz“ und behauptet gewohnt russlandfreundlich, Putins Angriffskrieg | |
| hätte mit Diplomatie verhindert werden können. | |
| ## Chrupalla inszeniert sich als „Bundessprecher der Basis“ | |
| Sein größter Trumpf hier bei den rund 550 akkreditierten Delegierten im | |
| Saal war wohl der heftige Angriff seiner innerparteilichen Gegner über die | |
| Medien in den Wochen davor. Die Reste des Meuthen-Lagers hatten nach | |
| anhaltenden Wahlpleiten und Putinnähe des Parteichefs den Rücktritt von | |
| Chrupalla gefordert. | |
| Der hingegen inszenierte sich als in seiner Rede als „Bundessprecher der | |
| Basis“ und sagte: „Wenn ich angegriffen werde, dann nur deshalb, weil die | |
| Basis zum Schweigen gebracht werden soll, aber das werde ich nicht | |
| zulassen!“ Tatsächlich hatte Chrupalla vor dem Parteitag viel | |
| herumtelefoniert und zusammen mit der völkischen Strömung eine Liste | |
| präsentiert, die am Samstag weitgehend durchgewählt wurde. | |
| Dass die Basis aber trotz der nach außen deutlichen Einigkeit des „Flügels�… | |
| keineswegs geschlossen hinter Chrupalla steht, zeigt die anschließende | |
| Wahl. Nur 53 Prozent der Delegierten stimmten für ihn. Ohne Höckes | |
| Unterstützung hätte er es wohl nicht erneut geschafft. | |
| Der unterlegene Gegenkandidat Norbert Kleinwächter bekam als klarer | |
| Außenseiter mit einer deutlich besseren Rede zwar einigen Applaus, aber am | |
| Ende nur 36 Prozent. Er war angetreten für einen „Neuanfang“ mit den | |
| vermeintlich Gemäßigten – was im Zusammenhang mit der AfD allerdings eine | |
| leere Formel ist, wie auch er in seiner Rede unterstrich: „Jeden Tag | |
| bekommen Hunderte Merkel-Migranten als Dank für ihre illegale Einwanderung | |
| die deutsche Staatsbürgerschaft“, sagte er und der Saal johlte. | |
| ## Der „Flügel“ triumphiert | |
| Interessanter war Kleinwächters Einordnung nach seiner Niederlage. Auf die | |
| Frage, ob Chrupalla Parteivorsitzender von Höckes Gnaden sei, sagte | |
| Kleinwächter: „Er hat auf jeden Fall Stimmen aus seinem Lager bekommen, die | |
| er nicht gehabt hätte, wenn Höcke eine ernsthafte Opposition gegen ihn | |
| aufgebaut hätte.“ Er sei auch von Höckes Strömung getragen worden, sagte | |
| Kleinwächter. | |
| Und so ging es weiter: Alice Weidel wurde mit mehr als 67 Prozent zur | |
| Co-Sprecherin gewählt – und triumphierte nach einer gewohnt donnernden Rede | |
| deutlich über Nicolaus Fest, [3][der den permanenten innerparteilichen | |
| Streit der Partei kritisierte] und so beschrieb: „Putinisten gegen | |
| Transatlantiker, Flügelianer gegen Meuthenianer, Zeltpinkler gegen | |
| Jogginghosen“. | |
| Am Samstag triumphierte der offiziell aufgelöste „Flügel“ fast an allen | |
| Positionen. „Wir brauchen einen homogenen Parteivorstand“, forderte der | |
| stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner in seiner Rede und bekam | |
| ihn dann auch. Er selbst wurde mit 72 Prozent gewählt. In seiner Rede | |
| nannte er politische Gegner „Feinde“, diskriminierte Minderheiten und riss | |
| zotige Witze über Luther-Zitate („Aus einem traurigen Arsch kommt kein | |
| glücklicher Furz“), indem er die Partei aufforderte, „fröhliche Fürze“… | |
| sein. | |
| Nachdem dann auch für die Gemäßigten selbst die ehemalige CDU-Abgeordnete | |
| und bundesweit bekannte Erika Steinbach für den stellvertretenden | |
| Parteivorsitz scheiterte, hatte Mariana Harder-Kühnel, die nächste | |
| Kandidatin auf der Chrupalla-List, nicht einmal mehr eine Gegenkandidatin | |
| und kam gar auf 75 Prozent. | |
| ## Checkliste für den erneuten Rechtsruck | |
| Höcke selbst traute sich trotz großspuriger Ansagen mal wieder nicht, zu | |
| kandidieren. Er begründete dies damit, dass seine Kandidatur die Partei | |
| wohl spalten dürfte. Das liege aber nicht an seiner extrem rechten Agenda, | |
| sondern an dem medialen Bild, das von ihm vermittelt werde. Am Ende des | |
| Parteitags wird er seinen Einfluss nicht nur durch die Besetzung des | |
| Vorstands ausgebaut haben, sondern auch durch seinen erfolgreichen Antrag | |
| auf eine mögliche Einzelspitze. Es wird vermutet, dass Höcke in zwei Jahren | |
| möglicherweise auch nach dem Parteivorsitz greift. | |
| In Riesa fehlt Höcke nur noch ein Ziel auf der Checkliste Rechtsruck: Er | |
| will ein neues Gremium für eine Parteistrukturreform schaffen, das er | |
| gemeinsam mit dem neuen Parteichef Tino Chrupalla beantragt hat. Gut | |
| möglich, dass Höcke das Gremium leiten will. Zuständig soll es sein für | |
| eine bessere Einbindung der Basis, eine einheitlichere Ausrichtung und | |
| Disziplinierung des Bundesvorstands sowie Kaderbildung. Über den | |
| Höcke-Antrag wird voraussichtlich am Sonntag debattiert. | |
| 18 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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